Von 2008 bis 2014 führte der belgische Staat umfangreiche Ermittlungen gegen die vielfältigen – aber immer ausserhalb der vorgegebenen Pfade geführten – Kämpfe durch, die die geschlossenen Lager, die Grenzen, die Gefängnisse und diese auf Autorität und Ausbeutung aufbauende Welt angriffen. Im Fadenkreuz: die anarchistische Bibliothek Acrata, anarchistische und antiautoritäre Publikationen (Hors Service, La Cavale und Tout doit partir), dutzende Flugblätter und Plakate, etwa hundert Aktionen, Angriffe und Sabotagen… kurz: der Kampf gegen die Macht in all seinen verschiedenen Ausdrücken.
Hausdurchsuchungen, Wanzen, Kameras vor und in den Wohnungen, Beschattungen, Abhörungen, Infiltrationen… die Mittel zur Untersuchung fehlten nicht. Und dennoch konnte all das in keinem Moment die Existenz einer vermeintlichen „terroristischen anarchistischen Gruppe“ beweisen, die nur in den autoritären Schemen der Bullen existierte. Da die Staatsanwaltschaft deswegen aber nicht bereit war, die Sache fallen zu lassen, musste sie ihre Ambitionen folglich nach unten schrauben, beabsichtigt aber trotz allem, einige dafür zahlen zu lassen. So stehen schliesslich 12 Gefährten und Gefährtinnen unter der flexibleren Anklage der „kriminellen Vereinigung“ am 29. April und den folgenden Tagen vor Gericht.
Doch tatsächlich zielt dieser Prozess auf alle Individuen, die in ihrem Kampf gegen diese Welt von der Selbstorganisation, der direkten Aktion und der Feindschaft gegenüber jeglicher Autorität ausgehen. Dieser Prozess ist somit ein repressiver Angriff auf den antiautoritären Kampf in seiner Gesamtheit, ein Angriff, der sich einschreibt in einen immer grösseren Kontext der Repression gegenüber allen Unerwünschten und Aufständischen, an den Grenzen wie in den Quartieren, am Arbeitsplatz wie im Gefängnis,…
Am 22. Oktober wurde der Termin für die richterliche Komödie festgelegt. Die Verteidigung und die Anklage müssen in den kommenden Monaten ihre schriftlichen Erklärungen zum Fall vorlegen. Der Prozess beginnt am 29. April 2019 und soll 4 Tage dauern.
Die Anschuldigungen sind:
- Als Anstifter*in, Bandenführer*in oder Ausführende von irgendwelchen Anweisungen, zu einer Vereinigung dazuzugehören, die mit dem Ziel gegründet wurde, Menschen und Eigentum durch die Ausübung von Verbrechen und Vergehen zu schädigen. (Anklage gegen 3 Personen)
- . Während einer mehr oder weniger langen Zeit Teil einer Vereinigung gewesen zu sein, die mit dem Ziel gegründet wurde, Menschen und Eigentum durch die Ausübung von Verbrechen und Vergehen zu schädigen. (Anklage gegen 9 Personen)
- Versuchte Brandstiftung am geschlossenen Zentrum Steenokkerzeel anlässlich der wilden Demo vom 21. Januar 2009 vor dem genannten Zentrum. (Anklage gegen 8 Personen)
- Angriff oder Widerstand mittels Gewalt oder Drohungen gegen sechs Polizisten anlässlich der wilden Demo vom 21. Januar 2009 vor dem geschlossenen Zentrum Steenokkerzeel. (Anklage gegen 8 Personen)
- Drohender Anschlag auf Personen oder Eigentum anlässlich einem Einsatz von Feuerwerk vor dem Gefängnis von Forest am 04. Oktober 2010. (Anklage gegen 3 Personen )
- Zerstörung von Eigentum anderer anlässlich der Rauferei mit den Fahrern von zwei Limousinen beim Ausgang der „Zusammenkunft rund um das subversive Buch“ am 15. Oktober 2011. (Anklage gegen 3 Personen)
- Schläge und Verletzungen gegen zwei Fahrer von Limousinen anlässlich der selben Rauferei vom 15. Oktober 2011. (Anklage gegen 3 Personen)
- Angriff oder Widerstand mittels Gewalt oder Drohungen gegen zwei Polizisten anlässlich einer wilden Demo in Anderlecht am 12. November 2010. (Anklage gegen 2 Personen)
- Schläge und Verletzungen gegen einen Agenten in der Nacht vom 01. Oktober 2010. (Anklage gegen 1 Person)
- Fertigung und Transport von Waffen, in diesem Fall Eisenstangen, Rauchbomben und verbogene Nägel am 01. Oktober 2010 und 12. November 2010. (Anklage gegen 4 Personen)
- Mehrfache Sachbeschädigung durch Graffitis mit dem erschwerenden Umstand „motiviert durch Hass“. (Anklage gegen 7 Personen)
- Mehrfache Verkehrsbehinderung. (Anklage gegen 4 Personen)
- Beleidigung von europäischen Bematen mit dem erschwerenden Umstand „motiviert durch Hass“. (Anklage gegen 3 Personen)
- Öffentliche Selbstzuschreibung des Anwaltstitels. (Anklage gegen 2 Personen)
Wenn für die Freiheit zu kämpfen, ein Verbrechen ist, so wäre die Unschuld wirklich das schlimmste von allem.
Um mehr zu diesem Prozess und den Ermittlungen dahinter zu lesen, verweisen wir auf andere Texte, die in diesem Zusammenhang geschrieben wurden:
Über den kommenden Prozess gegen Anarchisten und Antiautoritäre in Belgien
Belgien: Sie suchen Spitzel; Spucke können sie kriegen
Auf französisch sind zudem mehrere Bücher über diese Kämpfe verfügbar.
Brique par Brique. Se battre contre la prison et son monde (Belgique 2006-2011)
(Eine provisorische Broschüre auf deutsch mit einzelnen Texten aus diesem Buch findet ihr hier.)
Eclats de liberté. La lutte contre la construction d’un nouveau centre fermé pour clandestins à Steenokkerzeel (Belgique, 2009-2010)
Hors Service. Recueil de textes du journal anarchiste 2010-2014.
Die Bücher findet ihr hier oder in einer guten Bibliothek/Infoladen.