Archiv der Kategorie: Todesfälle

Australien: Hungerstreik, Besetzung und Unruhen im Internierungszentrum von Wickham Point

übersetzt von sanspapiersnifrontières

Am Dienstag, dem 14. April 2015 brach ein Aufstand im Internierungszentrum für Asylsuchende in „Wickham Point“ aus.

Die geplante Ausschaffung von mehreren iranischen Familien nach Nauru (Anm. eine kleine Inselgruppe im Pazifischen Ozean, Flüchtlinge, welche es über den Seeweg nach Australien schaffen, werden in ein Lager auf Nauru verschoben, welches von Australien finanziert und vom Unternhemen Serco betrieben wird) und die Selbstverstümmelung von etwa 20 Gefangenen soll die Revolte ausgelöst haben. Am gleichen Tag haben drei Antragssteller_innen (darunter eine schwangere Frau) versucht, sich selbst umzubringen. In den letzten 3 Wochen versuchten 15 Gefangene, sich das Leben zu nehmen.
Nach Ben Pynt, einem Unterstützer von Asylsuchenden, haben die Inhaftierten den Innenhof besetzt, um so gegen diese x-te Ausschaffung zu protestieren. Mindest 100 Migrant_innen waren an der Revolte beteiligt. Während diesen Auseinandersetzungen wurden die Schranken,Türen und Mülleimer beschädigt. Die Bullen haben die Agenten der „Metropolitan Patrol Group“ geschickt, um wieder Ordnung herzustellen. In diesem Zentrum kommt es, seitdem die medizinische Hilfe eingestellt wurde und die Verlegungen nach Nauru zunehmen, immer wieder zu Revolten.

Am Sonntag, dem 12. April gegen 19.00 Uhr ist ein Gefangener auf das Dach geklettert, um gegen die Bedingungen der Haft und den Mangel an medizinischer Hilfe zu protestieren.

Am Mittwoch, 15. April ging der Protest weiter. Um ungefähr 16.30 Uhr stiegen zwei Migranten aufs Dach, eine halbe Stunde später folgten ihnen 5 schwangere Frauen. Sie drohten damit, dass sie das Zentrum niederbrennen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden (u.a. gegen die Verlegung einer schwangeren Frau und ihrem Kind nach Naru). Ausserdem fand an diesem Tag ein Solidaritätstreffen vor dem Zentrum statt.

Seit Dezember 2014 kam es bereits zu über 20 Hungerstreiks in den Mauern des Zentrums von Wickham Point.

Die eingesperrten Flüchtlinge sind hauptsächlich aus Sri Lanka, aus dem Irak, Iran und aus Afghanistan. Die Zahl von Toten, welche versuchen von Indonesien aus per Boot die australische Insel „Christmas“ zu erreichen, hat zwischen 2012 und 2013 stark zugenommen. Die Politik des australischen Staates ist bekannt dafür, dass sie systematisch alle Flüchtlinge einsperrt und unter miserablen Bedingungen lange zurückhalten.

Solidarität mit den kämpfenden Migrant_innen! Feuer allen Knästen!

England: Ein Toter im Zentrum von Yarl’s Wood

übersetzt von Rabble

Am Monntag (20. April) starb im Internierungszentrum von Yarl’s Wood ein 33-jähriger Mann. Er war mit seiner Frau in England zu Besuch, als sie am Flughafen verhaftet wurden. Während dem Frühstück brach der Mann zusammen und starb. Sie waren bereits 2 Monate eingesperrt.

Worte sind alles andere als genug.
Die Grenzen bedeuten Tot.
Solidarität heisst Angriff.

Italien fordert EU-Sondergipfel nach erneutem Flüchtlingsdrama

gefunden auf Tagesanzeiger

Vor der libyschen Küste hat sich offenbar das bislang schlimmste Flüchtlingsdrama im Mittelmeer ereignet: Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR kenterte ein Trawler mit rund 700 Menschen an Bord. Lediglich 28 Flüchtlinge konnten demnach gerettet werden.

Nach dem verheerenden Drama hat der italienische Regierungschef Matteo Renzi einen Krisengipfel der Europäischen Union gefordert. «Wir arbeiten daran, dass dieses Treffen zum Ende der Woche hin stattfinden kann», sagte Renzi vor Journalisten.

Das Schiff sei rund 110 Kilometer vor der Küste Libyens und in rund 200 Kilometern Entfernung von der italienischen Insel Lampedusa in Seenot geraten, sagte UNHCR-Sprecherin Carlotta Sami dem TV-Sender RAInews24. Die Geretteten hätten angegeben, dass mehr als 700 Menschen an Bord waren. Laut italienischer Küstenwache wurden bisher 24 Leichen geborgen.

Der UNHCR-Sprecherin zufolge gibt es wohl keine weiteren Überlebenden. Sollten sich die Zahlen bestätigen, wäre es das «schlimmste Massensterben, das jemals im Mittelmeer gesehen wurde», sagte Sami. Das Schiff mit den Flüchtlingen setzte laut UNHCR in der Nacht zum Sonntag einen Notruf ab. Die italienische Küstenwache wies daraufhin einen portugiesischen Frachter an, seine Route zu ändern. Bei der Ankunft am Unglücksort sichtete die Crew den sinkenden Trawler. Das eigentliche Drama ereignete sich offenbar, als die rund 700 Flüchtlinge beim Eintreffen des Frachters alle auf eine Seite des kenternden Schiffes eilten.

Die maltesische Marine sprach von rund 650 Flüchtlingen an Bord. Ein Sprecher erklärte, die Marine sei gegen Mitternacht alarmiert worden. «Gemeinsam mit Italien haben wir unsere Einsatzkräfte mobilisiert und helfen bei den Bergungsarbeiten.» Die italienische Küstenwache und Marine leiteten eine grossangelegte Suche ein, an der sich 17 ihrer Schiffe sowie mehrere Flugzeuge, Handelsschiffe und ein maltesisches Patrouillenboot beteiligten.

Mit dem neuen Unglück stieg die Zahl der umgekommenen Flüchtlinge auf über 1500 seit Jahresbeginn. Die Flucht über das Mittelmeer wird für immer mehr Menschen zur Todesfalle.

Krisensitzung der EU
Rund 20’000 Flüchtlinge haben nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mit Sitz in Genf in diesem Jahr Italien erreicht. Das sind zwar weniger als in den ersten vier Monaten des vergangenen Jahres, die Zahl der Ertrunkenen hat sich aber verneunfacht. Nach der neuerlichen Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer hat die Europäische Union eine Krisensitzung einberufen. Die EU-Kommission äusserte sich in Brüssel «zutiefst betroffen» von dem Unglück mit Hunderten Toten und kündigte eine Dringlichkeitssitzung der Innen- und Aussenminister der EU-Länder an. Dabei solle es vor allem darum gehen, mit den Herkunfts- und Transitländern daran zu arbeiten, die Flüchtlinge von der gefährlichen Reise über das Mittelmeer abzuhalten.

Italiens Regierungschef Matteo Renzi sagte alle Termine ab und reiste nach Rom zurück, wo er für den späten Nachmittag ein Ministertreffen einberief. Frankreichs Präsident François Hollande telefonierte mit Renzi. «Wir haben darüber beraten, wie wir rasch handeln können», sagte Hollande laut dem französischen Sender «Canal Plus».

Italiens Innenminister Angelino Alfano berichtete EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos über die neue Flüchtlingstragödie im Mittelmeer. Der EU-Kommissar wird am Donnerstag in Rom zu Gesprächen erwartet.

Kritik von Papst Franziskus
Kritiker werfen der EU seit langem Tatenlosigkeit angesichts des Massensterbens im Mittelmeer vor. Zu diesen Kritikern zählt auch Papst Franziskus. Er rief die internationale Gemeinschaft am Sonntag auf, angesichts der sich häufenden Flüchtlingstragödien «entschieden und schnell» zu handeln. Mit Blick auf das Unglück sagte er beim Angelus-Gebet vor den Gläubigen auf dem Petersplatz, es seien «Männer und Frauen wie wir, Brüder auf der Suche nach einem besseren Leben». Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einer «von Menschen gemachten Tragödie».

Italien hatte im vergangenen Herbst die Rettungsmission «Mare Nostrum» eingestellt, weil sich die EU-Partner nicht an der Finanzierung des Marineeinsatzes beteiligen wollten. Seitdem läuft unter Führung der EU-Grenzschutzagentur Frontex die deutlich kleinere Mission «Triton», die aber vorwiegend der Sicherung der EU-Aussengrenzen und nicht der Rettung der Flüchtlinge dient. Einige EU-Staaten hatten Italien vorgeworfen, mit «Mare Nostrum» die Flüchtlinge zu der gefährlichen Überfahrt ermutigt zu haben. Kritiker werfen der EU nun aber vor, mit «Triton» den Tod von Flüchtlingen in Kauf zu nehmen.

Belgien: Wir können es nicht oft genug sagen: Die Migrationspolitik tötet, sei es an der Grenze oder anderswo

übersetzt von gettingthevoiceout

02.04.2015. Der belgische Staat will Kriminelle jagen? Sie sollten lieber bei sich selbst anfangen! (und den Rest der Welt in Ruhe lassen)

Ein Selbstmord im geschlossenen Zentrum von Merksplas
Ein seit zwei Monaten im geschlossenen Zentrum von Merksplas eingesperrter Marrokaner wurde an diesem Morgen von seinen Mithäftlingen tot aufgefunden. Er hatte sich aufgehängt. Seit mehr als einer Woche hatte er nichts mehr gegessen und es ging ihm überhaupt nicht gut.

Die Direktion des Zentrums versuchte die Situation zu beruhigen, die Angelegenheit runterzuspielen. Die Person hatte einen Brief hinterlassen, den die Direktion den Häftlingen vorenthällt. Die Gefangenen sind wütend über diese Zensur und beschuldigen das Zentrum, nicht eingegriffen zu haben, obwohl sie wussten, dass es dem Verstorbenen sehr schlecht ging. Sie haben an diesem Donnerstag (02. April) das Essen verweigert und verlangen nach Kontakten mit draussen, vor allem mit Journalisten.

„Wir werden wie Hunde behandelt“
„Niemand kümmert sich um uns“
„Er hatte Recht. Es gibt keinen Ausweg, ich auch, ich will auch sterben“

Seit 13.00 Uhr antworten die Gefangenen nicht mehr auf Anrufe…Fortsetzung folgt…

Eine Selbstanzündung vor der Ausländerbehörde
Auch an diesem Morgen hat sich ein Mann vor dem Sitz der Ausländerbehörde angezündet. Der 25 Jahre alte Guineer hatte seine Anfrage 2008 gestellt.

Er ging um 11.00 Uhr dorthin, hat sich in der Toilette mit Benzin übergossen und kam in Brand wieder heraus. Momentan ist er noch am leben, ist aber in einem sehr kritischen Zustand.

Vor einem Jahr wurde ein Toter in dubiosen Zuständen in Bruges gefunden. Bei den Selbstanzündungen war dies mit Sicherheit der bereits 3. Versuch innerhalb eines Jahres.

Voilà, die verdorbene und verdrehte Welt. Das ist, wie die Bürokratie die Macht über Leben und Tod von Menschen in ihren Händen hält. Das ist, wie Belgien (wie all ihre Berufskollegen) Hunderttausenden an die Kehle geht. Sie packt sie an der Kehle, nimmt sie bis aufs Blut aus, bedroht sie wie Dreck für eine Kosteneffiziente Leistungsfähigkeit (wer glaubt noch daran, dass der Staat nicht von der Schwarzarbeit profitiert?!), presst sie bis aufs Letzte aus, wringt aus ihrem Kopf den letzten Tropfen, während sie ihnen eine tiefe und permanente Angst verpassen. Tag für Tag, Jahr für Jahr, jede Sekunde bringt die Angst mit sich, kontrolliert, verhaftet, eingesperrt, ausgeschafft, gefoltert, getötet… zu werden. Wenn jede Sekunde diese Geschichte erzählt, wie soll man da nicht durchdrehen? Und diese ganze psychologische Folter, diese ganze Misere, der ganze Druck nur für ein dreckiges Stück Papier.

Voilà, an diesem Punkt ist diese verdorbene und verdrehte Welt: es ist ein einfacher Stempel auf ein Papier (begleitet vom gesamten repressiven Apparat, welcher die Tinte für den Stempel herstellt), welcher es bewilligt oder nicht atmen zu können, statt fast ersticken zu müssen, leben zu können, statt überleben zu müssen. Und wenn jemand sich selbst einen Luftzug nehmen will, wie die zwei Personen aus Vottem, welche in dieser Nacht versuchten zu flüchten, wird man in den Kerker gesteckt. Wie kann jemand überrascht sein, dass die Menschen nicht platzen in der Mitte von alldem?

Es ist nicht mehr die Zeit des Erstaunens, es wird Zeit für Wut und Ärger!

Calais: Erneut ein Toter

übersetzt von calaismigrantsolidarity

Ein 28-jähriger Äthiopier starb am 14. Februar durch noch ungeklärte Umstände in Calais. Seine Freunde verliessen ihn am Morgen, und als sie am Abend zu ihrem Camp zurüchkehrten, war er bereits tot. Er starb alleine in einer kleinen notdürftigen Unterkunft in einem provisorischen Camp in der Nähe vom grossen Jungle Tioxide.

Eine Ärztin kam mit Rettungssnitätern und meinte, dass er eine Nasenquetschung hatte. Der zweite Arzt von der Polizei empfahl eine Obduktion. Einige seiner Freunde sagten, dass der Verstorbene drei Tage zuvor von einem Lastwagenfahrer verprügelt wurde.

Von ganz Calais kamen Leute aus der Äthiopischen Community zusammen, um gemeinsam zu trauern.

Der Preis für eure Grenzen ist zu hoch! Wir werden niemals vergessen! Wir werden niemals vergeben!

Für Lambros: Bullenauto angemacht

137000

gefunden auf linksunten

Euer Menschsein habt ihr verspielt mit der Unterschrift für einen widerlichen Beruf.

Für eure verschissene Ordnung mordet ihr weltweit für den demokratischen Frieden. Hochgerüstet und bis an die Zähne bewaffnet jagt ihr Menschen in Schlauchbooten, um sie, mit schönen Grüßen ‚Made in EU‘, auf den Grund des Mittelmeeres zu schicken. Wenn das nicht reicht, zerstückelt ihr Flüchtlinge und verteilt sie über ganz Athen in Mülltonnen. Eure inhärenten faschistischen Grundzüge treten immer offener zu Tage. Die Angst in der Öffentlichkeit mit faschistischen Arschlöchern gesehen zu werden, interessiert euch genauso wenig, wie einen wehrlosen Obdachlosen vor laufender Kamera hinzurichten. Das bei den Wahlen in Griechenland weit über die Hälfte der Bullen Golden Dawn im Wahlkreis Attika gewählt hat, ist ebenso nicht verwunderlich, wie die Verstrickung sämtlicher Repressionsapparate der BRD mit ihren Freunden vom NSU. Das Argument vom schwarzen Schaf unter vielen zählt für uns nichts. Dahinter steckt ein ganzes System. Eine Herrschaft von Autoritäten, welche mit aller Gewalt sich an ihre Macht klammern und dafür über Leichen gehen.

Wir sind es leid tagtäglich solche Nachrichten lesen zu müssen, in denen ihr als Helden einer hirntoten Gesellschaft gefeiert werdet. Doch diese Feier müsst ihr ohne uns machen. Lasst euch eins sagen: Wir werden euch jagen, solange bis ihr uns einkerkert oder erschießt.

Wir übernehmen die Verantwortung für das abgefackelte Bullenauto am Bahnhof Lichtenberg.
Das Datum haben wir gewählt als minimale Geste gegen das Vergessen und für die Erinnerung an Lambros Foundas, der am 10. März 2010 von Bullen in Athen erschossen wurde.
Wir solidarisieren uns mit dem Hungerstreik in den griechischen Knästen, auch wenn wir es nicht für unproblematisch halten, Forderungen an den Staat zu stellen, was diesem die Illusion vermitteln könnte als Verhandlungspartner anerkannt zu sein.

PS: Wir grüßen diejenigen, die am 6. Februar 2015 in Exarchia einen Streifenwagen verbrannt haben und die, die am 26. Februar den Konsens einer friedlichen Demonstration mit Mollis gebrochen haben.

Für die Abschaffung aller Gefängnisse!
Kraft und Stärke allen Hungerstreikenden in den griechischen Knästen!
Für die Anarchie!

Griechenland: Ein weiterer Flüchtling stirbt in Polizeigewahrsam

übersetzt von clandestina

Mohamed Kamara von Guinea, 21 Jahre alt, ist ein weiterer Flüchtling, welcher aufgrund mangelnder Gesundheitsvorsorge in Polizeigewahrsam ums Leben gekommen ist. Er kam 2012 nach Griechenland und versuchte über den Hafen von Patras weiterzureisen, wurde aber verhaftet und für 8 Monate im Corinth Aufenthaltzentrum inhaftiert.

Gemäss seinen Freunden beantragte er Asyl, bekam aber Mitte Januar 2015 einen Negativentscheid. Am 7. Februar wurde er dann erneut verhaftet und 2 Tage später nach Athen in die Kifissia Polizeistation verlegt, wo er sich weiterhin über seinen Gesundheitszustand beschwerte. Am 20. Februar, bereits im Koma liegend, wurde er schliesslich in ein Spital gebracht, wo er dann starb. Er war schon fast 24 Stunden in einem komatösen Zustand, bevor er in das Krankenhaus verlegt wurde!

Griechenland: Selbstmord, Revolte und Demonstration beim Aufenthaltszentrum Amygdaleza

übersetzt von sanspapiersnifrontieres

Am Freitag, dem 13. Februar hat sich ein im Zentrum von Amygdaleza eingesperrter Migrant selbst umgebracht. Dieses im Norden Athens gelegene Gefängnis hat schon im letzten November 2 Gefangene und einen anderen letzten Dienstag umgebracht. Im Innern haben die anderen Inhaftierten mit Revolte geantwortet.

Der für den Schutz der Bürger zuständige Minister der neuen linken Regierung hat am nächsten Tag das Zentrum besichtigt, um das Wahlversprechen der Schliessung der Aufenthaltszentren zugunsten von „offenen Aufnahmezentren“ zu wiederholen. Um die 50 Personen, diese ernsthaft gegen jede Einschliessung von Menschen, haben gleichzeitig vor den Mauern des Knasts demonstriert. Die Gefangenen äusserten sich von der anderen Seite der Gitter mit Transparenten: „Freiheit! Hier sterben wir!“

Für die Zerstörung der Grenzen und aller Knäste, egal ob von rechts oder links!

Turin/Italien: Das CIE (Centro di identificazione ed espulsione = Abschiebehaft) ist überall

sabotons la machine à expulser

übersetzt von non-fides – Base de données anarchistes

Rom, Freitag der 6. Februar. In dem Zentren steigen die Spannungen gegen die Polizei und die Betreiber. Einige Insassen entscheiden sich also aus Protest für die Verweigerung des Mittagessens. Am Nachmittag beginnt ein Gefangener sich aufgrund seiner Verärgerung über die verspätete Rückgabe seiner Telefonkarte mit einer Rasierklinge zu schneiden. Zahlreiche andere Gefangenen bringen zusätzliches Durcheinander, indem sie u.a. Matratzen anzünden. Die Bullen kommen mit Wasserwerfern zum Zentrum, um die Brände zu löschen, anschliessend durchsuchen sie die Zimmer der Insassen.

In der Zwischenzeit findet draussen ein Aufmarsch der Solidarität statt, welcher schon länger angekündigt war.

Traurige Neuigkeiten hingegen aus dem CIE von Bari (Pouilles): Ein 26 Jahre alter Gefangener stirbt. Es soll sich, soweit auf jeden Fall die Polizei, um eine natürliche Todesursache handeln.

Am Morgen vom 07. Februar machen sich in Turin einige Feinde der Grenzen auf den Weg in Richtung Innenstadt, zum Reisebüro SCN 747. Während einige Plakate auf die Schaufenster kleistern und andere Flugblätter verteilen, werden die Passanten über Lautsprecher darüber informiert, dass dieses Büro Tickets für die Ausschaffung von Sans-Papiers vom CIE Corso Brunelleschi kauft. Eine Art, um daran zu erinnern, dass die Ausschaffunsmaschinerie überall ist, und man seinen Gehilfen auf tausend Wegen begegnen kann.

Hier das verteilte Flugblatt von Turin:

Tag für Tag sieht man die Polizei und das Militär auf den Strassen auf der Suche nach Sans-Papiers, um sie schliesslich in den Abschiebeknast von Corso Brunelleschi zu bringen. Gelegentlich wird ihre Arbeit von denjenigen erschwert, die nicht mehr länger akzeptieren, für sich selbst und ihre Angehörigen, mit der permanenten Bedrohung zu leben, in einen Käfig eingesperrt oder ausgeschafft zu werden.

Die Polizei ist nur das bekannteste Gesicht der gesamten Ausschaffungsmaschinerie. Um aber zu funktionieren, braucht das CIE noch viele weitere Gehilfen in anderen Sektoren: Unternehmen, Verbände und Kooperativen. Das CIE ist übertall in der Stadt: Von denen, die Tag für Tag das Essen in die Knäste bringen zu denen, die die Wäsche reinigen, von denjenigen, welche an den Ausschaffungen beteiligt sind zu denjenigen, welche Teile der CIEs reparieren, nachdem sie von Revoltierenden zerstört wurden. Das CIE ist jedes Unternehmen, jeder Verband, jede Administration und Person, welche an der Einschliessung von Sans-Papiers beteiligt  sindund an diesen Knästen fett werden.

Seit Jahren sind die einzigen Handlungen, welche auf die konkrete Schliessung dieser Zentren abzielen, von den Gefangen selbst ausgekommen, welche weiterhin ausbrechen und weiterhin die Knäste zerstören, welche sie einsperren. Wenn sich heute die Ausschaffungsmaschinerie vor grossen Problemen wiederfindet, so ist das dank diesen Kämpfen und Revolten. Gegen die CIE’s zu kämpfen bedeutet jedoch nicht einzig vor die Mauern zu gehen, um seine Solidarität herauszuschreien; es bedeutet auch, seiner Wut Ausdruck zu verleihen, indem man mit dem Finger zeigend, diejenigen identifiziert, welche Teil dieser Maschinerie sind und auf die CIE’s einzuschlagen, vor den Mauern genauso wie im Quartier.

Das Reisebüro SNC 747 arbeitet mit der Verwaltung von Turin zusammen, indem sie die Tickets für die Ausschaffung der Sans-Papiers kauft. Während den letzten zwei Jahren hat dieses Büro 20 000 Euro mit diesen Aktivitäten verdient.

SNC VIAGGI 747
Tél. (0039) 115214395
Via Milano 13/B
Torino

12 Tote

12 Tote

von contrainfo

Zwölf Tote. Menschen mit leblosen Körpern in so wenigen Minuten. Wir wissen, dass viel mehr Menschen in viel weniger Zeit in Kriegen sterben, durch eine abgeworfene Bombe, durch Giftgas, durch Minen. Aber wir sind nicht im Krieg. Wir sind in einer Demokratie. Die erträumte freie Welt. Das Bild, dass die Welt voller Sehnsucht informiert: das große Europa, die beispielhafte Zivilisation.

Zwölf Tote, ermordet durch Kugeln von Menschen, die im Krieg sind, die trainiert sind zu töten.

Bringt das nicht durcheinander. Es ist nicht das Bild vom Tod mehrerer Zeichner und anderer Mitglieder einer Pariser Satire-Zeitschrift, das alle im Sinn haben, sondern die Erinnerung an die 12 Körper der afrikanischen Migranten, durchlöchert und ertrunken in nur wenigen Minuten durch die Guardia Civil. Es ist fast ein Jahr her, der 6.Februar 2014, dass diese Militär Polizei sie zwang ins Meer zurückzuweichen. Es gab mehr Tote, aber es wurden nur diese 12 Körper gefunden. Die anderen wurden vom Meer verschlungen.

Es gab weder große Aufmärsche noch Ablehnung und niemand dachte an den Slogan “Wir sind alle an den Grenzen Europas sterbende Migranten!”. Na klar, es waren keine Weißen und sie kamen nicht aus reichen Ländern, aber sie wurden durch grausame Art und Weise ermordet. Nicht durch die Verteidigung irgendeiner Religion oder eines Fundamentalismus, sondern durch die Verteidigung der heiligen Grenze und des Staates; um ein weiteres Mal ihre Grenze mit Blut und Feuer zu markieren.

Man möchte die Migranten, die es wagen in spanisches Territorium einzudringen, nicht töten –versichert der Innenminister Jorge Fernández und seine Guardia Civil–, sondern “man möchte durch Einschüsse ins Wasser eine Art Grenze im Wasser entwerfen”. Es gibt keinen Platz für Scherze, sie meinen das ernst.

Allein im Mittelmeer, der maritimen Grenze Europas, hat das Jahr 2014 seinen eigenen “Rekord” (wie die Medien es nennen) erreicht; mit mehr als 3.200 Migranten, die versuchten den Kontinent zu betreten und ertranken in weniger als 12 Monaten, ohne die ganzen Toten mitgezählt, die an anderen Grenzen starben, die ohne Wasser und Nahrung durch verschiedene Grenzpolizeien in der Wüste zurückgelassen wurden oder die durch faschistische Schläger und Ordnungskräfte umkamen, noch diejenigen Toten, die im europäischen Paradies in Abschiebehaft durch die Hand von Polizisten starben. Einmal innerhalb des europäischen Territoriums angekommen, sieht die Begrüßung nicht sehr anders aus als an den Eingangstüren. Die polizeiliche Verfolgung ganzer Bevölkerungsgruppen (hauptsächlich derjenigen, deren Herkunft an ihrer Haut abzulesen ist), die wachsende Xenophobie, der Rassismus, begünstigt durch die Kommunikationsmedien und die Politiker, die Kampagnen gegen alles was nicht als “das europäische” identifizierbar ist.

Charlie ist europäisch und deswegen sind wir nicht alle Charlie. Es gibt Werte, Gewohnheiten, inklusive Witze (einige dermaßen nervtötend), die sehr identifizierbar mit diesem abstrakten Wesen, das als “das europäische” genannt werden will, sind. Aber die Wahrheit ist, dass es sehr viele Leute gibt, hauptsächlich diejenigen, die sich nicht mit den dominierenden Werten, die definieren, was “europäisch” ist und was nicht, identifizieren können, die sich nicht mit Charlie noch mit seinen Werten verbunden fühlen, und noch viel weniger mit seinem Sinn für Humor.

Dieses “Ich bin Charlie” versucht eine sehr genaue Linie zu definieren: wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Unter dem Leitspruch marschierten tausende von Menschen in Paris. Zu der Verabredung fehlte auch nicht Rajoy, der ebenfalls einer derjenigen ist, die Migranten an den Grenzen und in spanischen Verliesen terrorisiert, zwischen vielen weiteren Heldentaten und es fehlte auch nicht Netanyahu, der mit seiner Armee Hunderte von Palästinensern von seinem ‘heiligen Boden’ verdrängt hat und jedes Jahr die Israelis einsperrt, die sich weigern an seiner persönlichen Art des Terrors teilzunehmen, und wie zu erwarten fehlte auch nicht der türkische Präsident Erdogan, der den Terror gegen das kurdische Volk sät. Es fehlten auch nicht die Chefs der kapitalistischen Haupt-Großmächte. Alle Chefs des Staates, Beschützer des Imperiums und der Zivilisation marschierten gegen die Barbarei. Zusammen mit ihnen nutzten Tausende von Faschisten rund um den Kontinent den Impuls von Charlie um ihre Scheiße auf mehr als fruchtbaren Boden auszusäen, die bald die sauersten Früchte hervorbringen wird.

Und die Straßen von Paris und Barcelona werden, zwischen vielen weiteren Städten, noch mehr militarisiert in der Verteidigung dieser Werte. Mit Pistolen und Maschinengewehren kann mensch die Söldner des Staates sehen, bereit mit Kugeln Grenzen zu markieren, wie sie es im Wasser bei Ceuta gemacht haben: mit Einschüssen haben sie die Grenze, die das “drinnen” und “draußen” trennt, was Charlie ist und was nicht, markiert.

Was sagt Charlie zu diesem Terrorismus? Macht er auch lustige und witzige Cartoons darüber? Weil für uns hält die Welt der Scheiße, in der wir leben, wenig Witzigkeit bereit. Bedeutet das den Fundamentalismus “unterstützen”? Auf keinen Fall. Wir wollen keinen einzigen Fundamentalismus, der uns verängstigt und unterdrückt. Es ist uns egal, ob in seiner Inschrift “Islamischer Staat”, “Säkularer Staat”, “Charlie Staat” noch sonst irgendein “Staat” steht.

Sie sprachen zu uns von “Meinungsfreiheit”, wie immer. Aber wer von uns die “Meinungsfreiheit” des Staates kennt, weiß die Verbindung, die dieser durch Terror schützt: seine Existenz basiert auf Angst. Die “Freiheit”, von der der Staat spricht ist der Ausdruck des Gewaltmonopols.

Deshalb zeigen uns diese Ereignisse ein weiteres Mal dass jeder Staat terroristisch ist.

Einige Anarchistinnen
Barcelona, 14. Januar 2015