Archiv der Kategorie: Repression

Aufruf zu 10 Tagen der Mobilisierung gegen Grenzen und staatlichen Rassimus anlässlich dem Brennero-Prozess

übersetzt von abbattere le frontiere

Am 12. Oktober startet in Bolzano der Prozess gegen 63 Angeklagte der Demonstration ‚Abbattere le frontiere‘ (‚Reissen wir die Grenzen ein‘) vom 07. Mai 2016 beim Brenner. Auf diesen Prozess wird ein weiterer mit ebenso vielen Angeklagten folgen. Mittlerweile hat das Berufungsverfahren gegen diejenigen, die während dem Umzug verhaftet wurden, das Urteil von einem Jahr und zwei Monaten bestätigt.

Die Gründe, für die wir zum Brenner gefahren sind, sind auch heute durchwegs tragisch aktuell. Angesichts dessen, was um uns herum geschieht, verblasst die Bedeutung dieses repressiven Termins so ziemlich. Mit dem gleichen Geist, mit dem wir zu hunderten zum Brenner gegangen sind, möchten wir aber auch den Prozess zu einer Gelegenheit des Kampfes gegen die immer mörderischeren Grenzen und gegen den Rassismus des Staates machen, der ausser in den Dreissigerjahren noch nie auf einen ähnlichen sozialen Konsens gestossen ist.
Es bedarf nicht vieler Worte, um zu unterstreichen, wie dringend notwendig es ist, gegen diese reaktionäre Welle vorzugehen. Die Konzentrationslager, institutionelle Segregation und in die Halbsklaverei treibende Ausbeutung werden von Aggressionen gegen die Migrant*innen begleitet. Man könnte sich kaum eine niederträchtigere (sowie für Bosse und Regierende funktionalere) Parodie der Klassenauseinandersetzung vorstellen. Es ist, als ob sich die Resignation und die Unterwerfung, mit der ein grosser Teil der Gesellschaft drei Jahrzehnte des kapitalistischen Angriffs hingenommen hat, nun in ihrem Groll gegen die Migrant*innen zusammenballen und ihre ganze Stärke an den diensthabenden Führer delegieren. Als ob der Nationalismus und Rassismus, zwei alte giftige Angelhaken, an denen seit jeher die am meisten Ausgebeuteten anbeissen, die toten Geister infiszieren, die diese wunderbare Demokratie hervorbringt. Zu Brot und Toleranz gegenüber dem Unerträglichen erzogen (denn alles ist bloss eine Meinung, nicht?), stehen wir nun hier.

Und wir?
Die Zeiten, die von den rebellischen Minderheiten drastische Handlungen fordern, von denen ein Partisanenhistoriker sprach, liegen nicht hinter uns, sondern vor uns. Sie sind hier. Und verstärken sich Tag für Tag.
Vom 10. bis 20. Oktober konvergieren die Initiativen, Aktionen und die Wut gegen das und diejenigen, die all das fördern, in der Zeit und verbreiten sich im Raum. Wir müssen Signale geben, uns Ideen und Mut zusprechen (sowie Solidarität mit den Angeklagten der Ausschreitungen beim Brenner ausdrücken).

abbattere le frontiere

Toulouse und Palaiseau, Frankreich: Sommerliche Ausbrüche aus den Lagern

übersetzt von sans attendre

Toulouse: In der Nacht vom 07. auf den 08. August gelang es vier Sans-Papiers, aus dem Administrativlager (CRA) de Cornebarrieu (Haute-Garonne) hinter dem Flughafen Toulouse-Blagnac zu entkommen. Für ihre Flucht nahmen sie den Weg über das Dach. Einer wurde gefasst und bekam am 10. August einen Monat Knast für den versuchten Ausbruch. Beim Prozess konnte man erfahren, dass er „45 Minuten nach dem Ausbruch vom peloton de surveillance de gendarmerie (PSIG) (A.d.Ü.: Spezialeinheit der Gendarmerie), die wegen einem Diebstahl von elektrischen Kabeln im Einsatz waren, ausfindig gemacht werden konnte“. Die anderen drei sind noch auf der Flucht, viel Glück ihnen.

Palaiseau: Vom 09. auf den 10. August sind zwei Sans-Papiers (einer aus Tunesien, der andere aus Algerien) aus dem CRA de Palaiseau (Essone) in der Nähe des Flughafens von Orly ausgebrochen. Sie entkamen über ein kleines Dachfenster und kletterten dann über die Gitter ohne den Alarm auszulösen. Viel Glück!

Turin, Italien: Revolte im CPR von Corso Brunelleschi

übersetzt von macerie

07.08.18. Fast schon eine Tradition – die sommerliche Revolte im c.so Brunelleschi.

Gerade beim turinischen CPR angekommen, können die Gefährten die Wut spüren, die hinter diesen Mauern brodelt: Schreie, Schläge und Rufe für die Freiheit hallen noch durch die Sommerluft und vereinigen sich mit den Solidarischen ausserhalb der Mauern.

Es ist bereits Stunden her, als die Inhaftierten beschlossen, die allgemeine Erstickung der Administrativhaft zu durchbrechen. Es ist nicht nur ein Funke und die Motivationen der Wut können nicht einfach in einer Tabelle aufgelistet werden. Aber durch das, was die Leute drinnen erzählen, können wir uns vorstellen, was es bedeutet, sich in einem Gehege für Lasttiere zu befinden, in dem es 40° heiss, das Trinkwasser auf einen Liter pro Tag rationiert, immer warm und das Essen, das gnädig von den Sicherheitskräften und dem französischen multinationalen Unternehmen Gepsa ausgeliefert wird, verdorben ist.

Gestern, nach einem weiteren beschissenen Mittagessen, nach der erneuten Weigerung, einen Jungen zur Behandlung ins Krankenhaus zu fahren, wurden in der Kantine Gegenstände und Essen auf die Arbeiter geworfen, die – wie das Militär – unermüdlich mit Erpressungen und Schlägen arbeiten, damit diejenigen, die ihrer Freiheit beraut wurden, ihren Kopf gesenkt halten. Die erste Reaktion der Ordnungskräfte der Struktur richtete sich gegen denjenigen, der um einen Termin im Spital gebeten hatte: Ihm sollte eine körperliche Lektion erteilt werden, um das Problem an der Wurzel zu packen und dann auf dem Boden liegen zu lassen. Die anderen Leidensgenossen legten ihre Hände aber nicht in den Schoss, sondern gaben ihrer Menschlichkeit Luft und fingen an zu rebellieren, trotz dem ganzen Apparat rundherum: Sie gingen zusammen in den Hof hinaus, um ein paar Matratzen in Brand zu stecken, schlugen die Fenster ein und kletterten auf das Dach, um sich so gut wie möglich der anrückenden Verstärkung zu widersetzen.

Denn wie erwartet, liess die Bereitschaftspolizei nicht lange auf sich warten.

Etwa hundert Riot-Cops drangen in das Lager ein und verteilten die heiligen Knüppel des Friedens und der Ordnung, um, wenn nicht die Gemüter, so sicherlich die Körper zu besänftigen. Und nach den Knüppeln, den Tritten und Fäusten kommt die Arbeit der Spaltung, wie im Handbuch geschrieben: Einige wurden in verschiedenen Zimmern eingesperrt, andere stiegen, als die Drohungen gegen sie und die Sommerhitze stärker wurden, vom Dach hinunter, während wiederum andere hartnäckig bis zum nächsten Morgen auf dem Dack blieben.

Am Ende des Tages sind die Berichte der Gefangenen über eingesteckte Schläge lange und die Behandlungsverfahren innerhalb des Lagers sind wie immer interessant. Neben zahlreichen Hämatomen und Wunden wurde einem Jungen die Hand gebrochen. Ihm wurde gesagt, dass er mindestens 30 Stunden warten müsse, bevor er ins Krankenhaus gefahren werde. Auf dies Weise ist es schwieriger nachzuweisen, dass der Knochenbruch direkt von den Schlägen der Polizei stammt.

Im Zentrum bleibt die Luft weiterhin warm und alle sogenannten „Gäste“ des Sternehotels c.so Brunelleschi sind am nächsten Tag in den Hungerstreik getreten.


In den Tagen danach, die Bedingungen ungeändert, kam es zu zwei Ausbruchsversuchen, die allerdings unterbunden wurden und für einen Gefangenen in der Isolation endete. A den 17. August wurde zudem zu einer weiteren solidarische Versammlung vor dem CPR aufgerufen.

Palazzo San Gervasio, Italien: Weiterer Protest und Widerstand gegen die Abschiebungen im CPR

übersetzt von hurriya

Nach dem Hungerstreik der Gefangenen vom CPR von Palazzo San Gervasio vor dem 23. Juli kam es am Mittwoch, dem 08. August zu einem erneuten Protest. Zwei Personen kletterten gegen 19.30 Uhr auf das Dach der Abteilung, rissen eine Überwachungskamera aus, richteten die Schweinwerfer, die den Platz beleuchten, in die Höhe aus und widersetzten sich so gut wie sie konnten den Sicherheitskräften, die versuchten, sie vom Dach zu holen.
Das Ganze endete mit der Verhaftung der zwei und ihrer Versetzung in das Gefängnis von Potenza. Gegen sie wird wegen Gewalt, Drohung und Widerstand gegen Staatsbeamte ermittelt.

Libyen: Revolte im Lager von Tarek al Matar

übersetzt von hurriya

Am Montag, dem 06. August hat das Abgeordnetenhaus von Italien das sogenannte „decreto libia“ definitiv verabschiedet. Das Dekret sieht die Lieferung von 12 Patrouillenbooten an die libysche Küstenwache vor, um die Jagd auf die Menschen, die versuchen, nach Europa zu gelangen, weiter zu verstärken. Nach offiziellen Angaben wurden in diesem Jahr mindestens 13 000 Menschen in diesen von Italien und der EU unterstützten Konzentrationslager inhaftiert.

Die Menschen in den Lagern führen ihren Kampf für die Freiheit dennoch weiter. Am Sonntag (05.08.18) brach im Internierungslager von Tarek al Matar, in dem momentan ungefähr 1 800 Menschen eingesperrt sind, eine Revolte aus. Die Nachricht des Protests und der blutigen Niederschlagung wurde von in Italien lebenden Eritreern verbreitet, die in Kontakt mit Menschen im Lager stehen. Nachfolgend einige Auszüge aus dem einzigen in Italien veröffentlichen Medienartikel über das Geschehene.

„Die in den letzten Monaten aufgestaute Spannung ist am Sonntag im überfüllten libyschen Internierungslager Sharie (oder Tarek) al Matar, einem Aussenbezirk von Tripolis, explodiert. Die Verzweiflung und der Protest der Gefangenen über die von allen Beobachtern als unmenschlich beschriebenen Haftbedingungen und gegen die Überweisung in andere Lager aus Angst, an Menschenhändler verkauft zu werden, führte zu Auseinandersetzungen mit den Wärtern und drei Verletzten.
Eine Angst, die durch das Verschwinden von 20 Gefangenen und 65 Frauen mit Kindern in den vergangenen Tagen ausgelöst wurde, was von den Libyern mit der Entlastung der überfüllten Struktur gerechtfertigt wurde.

Eritreische Gefangene, die von der libyschen Küstenwache abgefangen wurden und sich bereits seit Monaten in Haft befinden, zündeten aus Protest zwei Matratzen an, was zum knallharten Eingreifen der libyschen Polizei führte. Drei Menschen wurden dabei verletzt, zwei davon mussten ins Spital gebracht werden. In die glühend heissen, schmutzigen und dicht gedrängten Räume wurde Tränengas geschossen und die Wärter schlugen mit Gewehren auf die Gefangenen ein, um die Ruhe wiederherzustellen.“

Info lora: Sendung vom 13. Juli 2018 – Abschiebehaft und Eurojust

gefunden auf infolorafr

In der letzten Sendung vor der Sommerpause hört ihr eine Beitrag über den Hungerstreik in Abschiebehaft in Büren Deutschland. Im zweiten Beitrag geht es um die Funktionsweise des europäischen Repressionsapparats ein Beitrag vom anarchistischen Radio Berlin.

Kurznews: Update zur repressiven Operation vom 29.5.18; Scheiben bei Ordnungsamt zerstört; Sech Fahrzeuge der Deutschen Bahn abgefackelt; Kein Schlussstrich unter den NSU-Komplex; Nantes, Frankreich: Nächtelange Unruhen nach erneutem Mord durch einen Polizisten

Die Sendung finder ihr hier

Update zur repressiven Operation vom 29.5.18 – letzte Person freigelassen

gefunden auf barrikade

Update: Gestern Mittwoch am 11. Juli 2018 wurde die vierte und letzte Person, welche am 29. Mai in der Nähe von Winterthur verhaftet wurde, aus der U-Haft entlassen!

Im Zuge der G20 Hamburg Repression gab es auch in der Schweiz am 29. Mai Hausdurchsuchungen und dabei wurden vier Personen, früh morgens, verhaftet. Eine Person welche von den deutschen Strafbehörden, besser gesagt dem „SOKO Schwarzer Block“ gesucht wurde, ist nach der Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft wieder frei gelassen worden. Am zweiten Tag wurde die zweite Person, welche aufgrund illegalem Aufenthalt verhaftet wurde entlassen. Mit der Aufforderung die Schweiz zu verlassen und einer Strafe von 90 Tag Knast und 800 CHF Busse (dagegen wurde Einspruch gemacht). Die zwei anderen Personen wurden wegen einem anderen Verfahren verhaftet, bei dem die Staatsanwaltschaft IV der Stadt Zürich ermittelt. Diese stellte bei beiden Personen einen Antrag für Untersuchungshaft von 3 Monaten, in Bezug auf dringenden Tatverdacht, Kollusionsgefahr (Verdunkelungsgefahr) und Fluchtgefahr. Die Haftrichter*in hat bei der einen Person den Antrag abgelehnt, jedoch bei der zweiten Person den Antrag angenommen. Somit wurde die eine Person zwecks Untersuchungshaft im Stadtzürcher Gefängnis BGZ eingesperrt.

Doch um was geht es überhaupt?

Die Staatsanwaltschaft IV ermittelt in Bezug auf ein Raufhandel mit versuchter schwerer Körperverletzung gegen/mit VBZ Kontrolleur*innen die nächtliche Schwerpunktkontrollen durchführen, sprich die Fahrgäste in den Nachtbussen nach gültigem Fahrausweis kontrollieren. Bei diesen Ermittlungen geht es um ein Vorfall, der sich letzten Sommer im Juli ereignete, wo vier Kontrolleure am Limmatplatz verletzt wurden und anschliessend im Spital ambulant behandelt werden mussten, wie es in den Medien zu lesen war. Weiter war zu lesen dass: „ein Unbekannter sich zu einem Kontrolleur begab und diesen verbal bedrohte. Ein weitere Kollege des Kontrolleurs eilte zur Hilfe und wurde in der Folge unvermittelt von mehreren Personen, die sich mit dem Drohenden solidarisierten, attackiert.“

Immer wieder kommt es bei solchen Kontrollen zu Beleidigungen oder Tätlichkeiten gegen die Kontrollierenden. Wir solidarisieren uns mit allen die sich den Kontrollen widersetzten oder diese stören. Was dabei beachtet werden sollte, ist, dass die Verkehrsbetriebe neben ihren Kontroll-Patrouillen auch eine massive Video Überwachung haben und mittlerweile alle Verkehrsmittel und alle grösseren Stationen überwacht sind.

Gegen jegliche Kontrolle unseres Lebens
Für ein Leben in Freiheit! (A)

Für einen Kampf gegen den Staat, seine Käfige und Grenzen!

übersetzt von Kairos – Journal anarchiste nr. 5

Um seine Kontrolle über die Bevölkerung und insbesondere über die Unerwünschten zu verstärken, modernisiert der Staat immer wieder sein repressives Arsenal: Nach der Ankündigung seines Plans von 33 neuen Gefängnissen, in denen Tausende von Menschen zusätzlich eingesperrt und isoliert werden, hat der Staat soeben das Gesetz „Asile et Immigration“ verabschiedet, das die Dauer der Internierung von Ausländern, die die guten Papiere nicht besitzen, von 45 auf 90 Tage verdoppeln soll. Dieses Gesetz kommt zum Ausnahmezustand und dem Einsatz der Armee auf den Strassen und an den Grenzen, den Hausarrests, die den Asylsuchenden massenhaft verteilt werden, der Vergrösserung der bereits existierenden CRAs etc. dazu. Diese Dauer der Inhaftierung kann im Falle der Gegenwehr eines Sans-Papiers bei seiner Abschiebung um weitere 15 Tage verlängert werden (105 Tage in diesen Knästen, die ihren Namen nicht verraten, die von den Herrschenden „Centre de Rétention Administrative“ – „administrative Hafteinrichtung“ – genannt werden). In einem Kontex des Zuzugs von Männern, Frauen und Kindern, die vor den Kriegen, der Ausbeutung und den politischen Verfolgungen in den zahlreichen Ländern unter dem Joch der Diktatoren und anderen Regimes/Autoritären fliehen, die mit der Komplizenschaft des europäischen Neokolonialismus eingerichtet wurden, sperrt die Herrschaft immer mehr Menschen ein. Für die Macht geht es darum, eine drastische Kontrolle auf seinem Territorium zu bestärken, sei es durch die Inhaftierung (Gefängnis, CRA..) oder durch die den karitativen und anderen Organismen anvertraute Kontrolle ausserhalb davon (in den CAOs, CADAs, PRAHDAs etc…). Die nach der Räumung des riesigen Camps bei Calais im Oktober 2016 eröffneten Aufnahme- und Orientierungslager (CAO) (stets in der ausweichenden Sprache der Herrschaft), hatten zum Ziel, die migrantischen Personen auf dem ganzen Territorium zu zerstreuen, die Selbstorganisation und Solidarität zu brechen und sie noch weiter zu isolieren, indem sie ins verlassene Hinterland geschickt werden.

Zur gleichen Zeit sieht man, wie diejenigen, die den Sans-Papiers materielle Unterstützung bieten, vom Staat wegen „Delikten der Solidarität“ verfolgt werden. Es ist nicht länger nötig, subversive Diskurse und Taten hochzuhalten, um in den Netzen der Repression zu enden. Es reicht aus, Nahrungsmittel- und Kleidersammlungen zu organisieren, um die Bullen vor seinem Wohnort aufkreuzen zu sehen. Aber kann uns das als Revolutionäre, die wir uns im Kampf gegen den Staat und seine Grenzen befinden, genügen? Die Antwort lautet natürlich nein. Da mehrere Menschen wegen einfacher materieller Unterstützung vor Gericht gezogen werden, könnten wir uns auch fragen, ob es nicht der angebrachte Moment wäre, um sich etwas anderem zuzuwenden, die Inhafierungs- und Abschiebemaschine praktisch aufzuhalten, ohne Mediation und ohne Kompriss?

Im Mai 2018 landeten drei solidarische Menschen (Théo, Bastien und Eleonora) nach einem Wochenende gegen die Grenzen in der Region von Briançon im Knast. An diesem Wochenende ging es auch darum, den privaten faschistischen Milizen entgegenzutreten, die der Gendarmerie, der Grenzpolizei und dem Militär zu Hilfe kamen, um ihre dreckige Arbeit der Kontrollen und massenhaften Verhaftungen in den Bergen an der italienischen Grenze zu erledigen, die viele geflüchtete Personen als Grenzübergang nutzen. Nach ein paar Wochen wurden die drei präventiv wieder entlassen. In Frankreich schlugen diese Verhaftungen leider nicht allzu grosse Wellen: Es kam lediglich zu ein paar Versammlungen mit Transparenten vor dem Gefängnis in Marseille, in dem die drei eingesesperrt waren.

Wieso die Unternehmen und diversen Institutionen, die diese Todesmaschine am Laufen halten, nicht direkt angreifen?

Es scheint mir äusserst wichtig, einen direkten Kampf gegen die Inhaftierung und Abschiebung wieder aufzunehmen, so wie dies in Frankreich zwischen 2006 und 2011 der Fall war, als in allen Ecken des Hexagons die verschiedenen Unternehmen und Institutionen zum Ziel genommen wurden. Diese Angriffe wurden während der Revolte der Sans-Papiers im CRA von Vincennes, die eines der grössten Gefängnisse des Landes in Schutt und Asche legte, noch weiter bestärkt und verbreitet. In den folgenden Monaten und Jahren wurden dutzende Unternehmen und Institutionen, die an der Inhaftierung und an den Abschiebungen beteiligt sind, mit dem Hammer, dem Klebstoff, der Säure oder dem Feuer sabotiert. Unter den Zielen befanden sich die Banken, die Sans-Papiers bei den Bullen verpfeifen (La Poste, LCL, BNP Paribas, etc…), Flug- und Zuggesellschaften wie Air France und die SNCF, die Ausschaffungen durchführen oder die Bullen bei Massenkontrollen unterstützen, die Konstrukteure dieses Ekels (Bouygues, Vinci, Eiffage), karitative Organisationen, die für die Organisation der Razzien und die Verwaltung der Lager verantwortlich sind (das Rote Kreuz, France Terre d‘Asile).

An diesem Kampf gegen die Abschiebemaschine, dem es gelungen ist, der Abschiebemaschine hier und jetzt entgegenzutreten und mit dem Finger auf die unterschiedlichen Aasgeier zu zeigen, die mit der Misere und der Ausbeutung fett werden, will sich der Staat nun nach mehr als acht Jahren rächen. Für den 22. Juni, genau zehn Jahre nach dem Feuer im CRA von Vincennes, wurden sieben Personen dazu aufgefordert, vor dem ganz neuen Zermalmungs- und Bestrafungspalast, dem Palais de Justice, zu erscheinen: Zwei Personen waren wegen „Beschädigungen“ in einem Geschäft von Air France angeklagt, eine andere wegen „Beschädigungen“ an einem Geschäft der SNCF und von Bouygues. Die anderen werden wegen „Verweigerung der DNA und anderen erkennungsdienstlichen Behandlungen“ verfolgt. Diese überraschenden Besuche fanden während einem wilden Spaziergang am 17. März 2010 statt – nur einige Stunden nach der Verurteilung von zehn in Vincennes eingesperrten Sans-Papiers zu mehreren Jahren Haft für diese feurige Revolte. Bei diesem Prozess handelt es sich um den zweiten Teil von Untersuchungen bezüglich der gleichen Sache. Im Juni 2017 wurden drei Menschen zu vier Monaten Haft auf Bewährung wegen „gemeinschaftlich begangener Sachbeschädigung“ verurteilt.

Einen offensiven Kampf wieder aufzunehmen würde es ermöglichen, aus einem gewissen Fatalismus, einer generellen Ohnmacht gegenüber den Gräueltaten der Grenzen und ihren Verteidigern, herauszukommen. Es wäre ausserdem auch eine Möglichkeit, die Repression gegen die Solidarität mit Ausländer zu erwidern, den Verantwortlichen dieser tödlichen Maschinerie einen Namen zu geben und dafür zu sorgen, dass sich diese Angriffe ausbreiten und generalisieren.

Wir haben also die Qual der Wahl, um unsere Wut gegen die Gefängnisse und die Grenzen zum Ausdruck zu bringen. Wir sind weit von einem abstrakten System, unantastbar und ausser Reichweite, entfernt. Gegen die Inhaftierung und Abschiebung von unerwünschten Personen zu kämpfen, heisst nicht, sich für die Opfer aufzuopfern, sondern für die Freiheit aller, mit oder ohne Papiere, zu kämpfen. Es geht nicht um einen Kampf für die Sans-Papiers, aber um einen Krieg gegen den Staat. Aus diesem Grund gibt es kein „Subjekt“ in diesem Kampf (die Sans-Papiers, die Flüchtlinge oder andere Kategorien der Macht), das im Besitz der Wahrheit wäre und nach dem sich die Solidarität richten müsste. Die Inhaftierung durch direkte, destruktive Angriffe zu attackieren ist ein Ansatz, der von all denjenigen geteilt werden kann, die nach Freiheit streben. Ein Ansatz, der sich wie ein Buschfeuer ausbreiten kann.

FEUER ALLEN GEFÄNGNISSEN
Freiheit für alle, mit oder ohne Papiere

Es gibt unzählige Gründe, wütend zu sein!

gefunden auf barrikade

Heute vor genau zwei Jahren – am 24. Juni 2016 – gab es in Basel eine kleine, wilde Demo. Sie richtete sich gegen Stadtaufwertung und Vertreibung, das Schweizer Migrationsregime und den Sicherheitsapparat der Mächtigen.

Es gibt unzählige Gründe, wütend zu sein

Sei es der alltägliche Leistungszwang und der Druck sich der Verwertungslogik unterzuordnen, oder all die anderen Ungerechtigkeiten, mit denen wir tagtäglich konfrontiert sind. Durch das neoliberale Wirtschaftssystem verschärfen sich die globalen Ausbeutungsverhältnisse. Die Armen werden immer ärmer, immer mehr Menschen leben in prekären Verhältnissen, während die wenigen Privilegierten immer reicher werden. Die Herrschenden versuchen mit Polizeigewalt, mit der Aufrüstung der Armee, mit der Militarisierung der Grenzen und mit Kriegen ihre Vormachtsstellung zu verteidigen und zu erweitern.

Das demokratische System in der Schweiz funktioniert perfide, es versucht die Machtverhältnisse zu verschleiern, damit die Kulisse unüberschaubar wirkt. Das Netz der Kontrolle wird immer verworrener und dichter, der Überwachungsapparat entsprechend massiv ausgebaut. Alternativen zum Bestehenden werden mit dem Argument der Partizipation ins demokratische System integriert. Während jeglicher Protest oder Widerstand, der sich nicht integrieren lässt oder lassen will, unterdrückt, kriminalisiert und als illegitim dargestellt wird.

So dass letztlich bei vielen, die sich eine Gesellschaft radikal anders vorstellen und bereit sind darin zu handeln, ein Gefühl von Ohnmacht, Starre und Resignation zurückbleibt. Dabei ist es mehr als legitim, sich gegen die strukturell zutiefst gewalttätigen und von Autorität durchzogenen Verhältnisse aufzulehnen! Direkte Aktionen versuchen sich jeglicher demokratischer Delegation zu entziehen und greifen das Bestehende selbstbestimmt an.

Ein wütender Mob – wie am Abend des 24ten Juni – ist ein Versuch diese Ohnmacht zu durchbrechen und sich gegen die Verhältnisse zu wehren. Mit ihrem unkontrollierbarem Charakter war diese Demo ein kurzer Bruch mit dem geschmierten Ablauf der Maschinerie der Unterdrückung. Eine Unzufriedenheit, die überall auf der Welt zu verspüren ist. Sie zeigte sich etwa ebenfalls vor zwei Jahren in den Kämpfen gegen die Loi de Travail Reformierungen in Frankreich oder vor einem Jahr bei den Protesten gegen die G20 in Hamburg. Und dies sind nur zwei Beispiele von vielen.

Ob alleine, zu zwanzigst oder mit tausenden auf der Strasse – Widerstand tut Not!

Alle Momente, jede Tat, jede Idee, die sich gegen diesen gesellschaftlichen Wahnsinn stellen, erfreuen unsere Herzen und hinterlassen auf unseren Gesichtern für ein kurzen Moment ein schelmisches Grinsen.

Deshalb solidarisieren wir uns allen, die unser schelmisches Grinsen und unsere Ideen teilen – sowie mit allen, die deswegen Repression erfahren. Und ob schuldig oder nicht, wir solidarisieren uns mit allen Angeklagten, die wegen dem 24. Juni vor Gericht stehen werden!

Feuer dem Staat, Hass den Herrschenden und ihren Scherg*innen – für ein Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung!

Paris, Frankreich: Prozess gegen den Kampf gegen die Abschiebemaschine – 22. Juni 2018

übersetzt von sans attendre

Der Prozess vom 31. Januar gegen sieben Gefährt*innen und Kamerad*innen wegen „Beschädigungen gegen Air France, SNCF und Bouygues“ und wegen der Verweigerung der DNA und anderen erkennungsdienstlichen Behandlungen wurde auf den 22. Juni verschoben.

Die Ironie dieses Datums besteht darin, dass dieser Prozess gegen den Kampf gegen die Abschiebemaschine auf den Tag genau zehn Jahre nach der Revolte stattfinden wird, während der Sans-Papiers das grösste Lager des Landes, das von Vincennes, angezündet haben (22. Juni 2008).

Und wie es der Zufall manchmal will; die unfreundlichen Besuche in den Geschäften von Air France, der SNCF und Bouygues, für die nun einige acht Jahre später bezahlen sollen, spielten sich am 17. März 2010 ab, nur einige Stunden nach der Verurteilung von zehn Sans-Papiers zu mehreren Jahren Haft für diese feurige Revolte.

Rendez-vous am 22. Juni 2018 um 13h30 vor der 16e chambre-2 du tribunal de Paris (Metro Porte de Clichy) für den Prozess…

…Heute wie gestern, Feuer allen Knästen, sabotieren wir die Inhaftierungs- und Abschiebemaschine!