Paris, Frankreich: Affaire „Machine à expulser“ – Zusammenfassung und Schuldspruch vom Prozess vom 23. Juni 2017

übersetzt und zusammengefasst von non-fides

Heute fand die Verhandlung im ersten Prozess statt, der das absurde Ende eines tentakelartigen Verfahrens markiert, das auf der Repression gegen die Mobilisierungen gegen die Grenzen und die Abschiebemaschine und insbesondere in Solidarität mit der Revolte im Internierungslager von Vincennes als Antwort auf den Tod eines Gefangenen, die 2008 zur Zerstörung durch die Flammen führte, aufbaut.

Die Logik dieser repressiven Folge ist klar: Ein auf den Verbindungen von diversen Untersuchungen der Section Anti Terroriste (SAT) der Brigade Criminelle von zahlreichen und vielseitigen Angriffen aufgebautes Verfahren, das Hausdurchsuchungen, Anklagen, gerichtliche Kontrollen und mehrere Inhaftierungen ermöglichte. Der Antiterrorismus bot also die Mittel für die Untersuchungen und zusätzlicher und besonderer Überwachung. Es geht also darum, die Hypothesen des „Dati Rundschreibens“(1) und die Prahlereien von Alliot-Marie über die Gefahr eines vermeintlichen „anarcho-autonomen Umfelds“ zu bekräftigen, dem die Besonderheit, „terroristisch“ zu sein, zugeschrieben wurde. Sieben Jahre später ist das Rundschreiben in der Versenkung verschwunden und nachdem festgestellt wurde, dass keine tatsächlichen Beweise irgendjemand mit den Sabotagen in Verbindung bringen können, bleiben die Taten wohl und wahrscheinlich für immer ohne Autoren. Dies ist eine der wenigen Freuden in diesem Parcours des juristischen Kampfes. Trotz seines ausserordentlichen Umfangs entpuppten sich die Akten im Wesentlichen als sehr leer, sodass die grössten Anklagepunkte alle fallen gelassen wurden. Und trotzdem…

Ohne jegliches Schamgfühl hat die Justiz heute über vier Personen für kleinere Delikte geurteilt, dessen Verbindungen total unkohärent bleiben: Drei Personen für Tags in Solidarität mit den Aufständischen des Maghreb und des Maschrek, die ein Jahr nach dem Ausburch des Aufstands begangen wurden, sowie für die Verweigerng der DNA-Entnahme, und einer der drei zusammen mit einer vierten Person für ein aufgeklebtes Poster auf einer Bank während einem Umzug. Der ursprüngliche Anklageberg lässt grossen Worten kleine Taten folgen…

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Die Anklagerede beschäftigte sich dann auch nicht lange damit, zu beweisen, wer was macht, sondern schwingt grosse Reden darüber, wer wer ist, um daraus eine ausreichende Grundlage zu schaffen, um dann das Folgende zu fordern: Acht Monate Gefängnis auf Bewährung für einige Tags (mit dessen Tatbestand man eigentlich nicht mit Haftstrafen rechnen muss), 1000 € für die DNA-Verweigerung und das Zugeständnis zum Schluss, dass das terroristische Aufkleben eines Posters verjährt ist…

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Angesichts dieser Gehaltlosigkeit haben sich zwei der Angeklagten dazu entschieden, Stillschweigen zu bewahren, während eine andere Person nicht erschienen ist (er war von einem Anwalt vertreten). Einer der Beschuldigten hat dem Gericht eine Erklärung namens „Ça ne va pas se passer comme ça“ („Es wird nicht so sein“) mit der Bekräftigung „sich einem Dialog mit der Justiz zu verweigern“ übergeben. Die Erklärung wurde ebenfalls an die 40 solidarischen Personen im Saal verteilt.

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Nach drei Stunden der Anhörung, der Plädoyers, der Anträge, etc fallt das Urteil wie ein Fallbeil. Dieses ist offensichtlich schon festgesetzt, da nichts von all dem, was die Anwälte hervorgebracht haben, berücksichtigt wurde: Vier Monate Knast auf Bewährung für die Tags und 500 € Busse für die DNA-Verweigerung, Freispruch für das Aufkleben von Plakaten aufgrund der Verjährung, sowie Freispruch für die vierte Person. Die drei ersten Personen waren nach ihrer Verhaftung im Januar 2011 wegen den Tags ohnehin bereits in Untersuchungshaft. (…)

Ein zweiter Prozess, der sieben Personen betrifft (alle für die Verweigerung der DNA-Entnahme und drei für geringfügige Sachbeschädigungen), wird im Rahmen der gleichen Affäre stattfinden. Das Datum wurde aber noch nicht festgelegt. Die Logik scheint aber die gleiche zu sein; die schlimmsten Tatbestände wurden fallengelassen, um einem substanzlosen Prozess Platz zu machen. Wir wünschen für die zweite Runde besseres Gelingen.

Sabotieren wie die Abschiebemaschine!
Feuer allen Knästen!
Freiheit für alle, mit oder ohne Papiere!

23. Juni 2017
pafledab@distruzione.org


(1) – Dieses Rundschreiben, das im Juni 2008 im Justizministerium herumging, geht auf die Zunahme von gewalttätigen Aktionen und die Gefahr des vermeintlichen „anarcho-autonomen Umfelds“ ein, das für diese Taten verantwortlich sein soll.