Ein Flugblatt ruft Migranten in Idomeni zum Sturm auf die mazedonische Grenze auf – wo die mazedonische Polizei sie mit Tränengas erwartet.
Im griechischen Grenzort Idomeni hat sich die Lage erneut zugespitzt. Mazedonische Polizisten setzten am Sonntag Tränengas gegen hunderte Flüchtlinge ein und verletzten gemäss der Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) 260 Menschen. MSF allein habe 200 Migranten wegen Atembeschwerden behandelt.
Laut der Athener Tageszeitung «Kathimerini» wurden auch Blendgranaten abgefeuert. Ein griechischer Regierungssprecher warf Mazedonien vor, auch Gummigeschosse eingesetzt zu haben und sprach von einem «gefährlichen und verabscheuungswürdigen» Vorgang. MSF bestätigte den Einsatz von Gummigeschossen.
Der Leiter eines Auffanglagers auf der mazedonischen Seite der Grenze, Zoran Lazarovski, sprach von drei Flüchtlingsgruppen zu je rund 500 Menschen, die an drei verschiedenen Stellen die Grenze durchbrechen wollten.
Die mazedonische Polizei rechtfertigte den Einsatz von Tränengas und Blendgranaten mit den Erfordernissen des Selbstschutzes: Flüchtlinge hätten Beamte mit Steinen und Metallgegenständen beworfen. Es sei «kein einziger Flüchtling» nach Mazedonien gelangt, sagte ein Sprecher.
Zum Marsch aufgerufen
Ausgangspunkt für den erneuten Sturm auf die Grenze war offenbar ein Flugblatt auf Arabisch, das bereits am Samstag verbreitet worden war. Darin wurden die Bewohner des wilden Lagers für Sonntagmorgen zum «Marsch auf die mazedonische Grenze» aufgerufen. Offenbar kursierte wie bereits vor wenigen Wochen das Gerücht, Mazedonien werde die Grenze öffnen.
Seit die Fluchtroute über den Balkan abgeriegelt worden ist, sitzen im Grenzort Idomeni mehr als 11’000 Menschen fest. Seit Wochen fordern sie die Öffnung der Grenzen zu Mazedonien, um von dort aus weiter nach Westeuropa zu gelangen.
Flüchtlinge vor Samos ertrunken
Vor Samos ertranken am Samstag vier Frauen und ein Kind, nachdem ihr Boot auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland gesunken war. Fünf Menschen konnten gerettet werden, nach mehreren weiteren Menschen wurde nach dem Unglück gesucht, wie die griechische Küstenwache mitteilte. Unter den Überlebenden war demnach auch der mutmassliche Schlepper der Flüchtlingsgruppe, er wurde festgenommen.
Es war das erste Mal seit Inkrafttreten des EU-Abkommens mit der Türkei, dass die Behörden von ertrunkenen Flüchtlingen in der Ägäis berichteten. Gemäss dem Abkommen werden alle Menschen, die nach dem 20. März auf illegalem Weg Griechenland erreichen, in die Türkei zurückgeschickt.
Wie die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» unter Berufung auf Zahlen der EU-Grenzschutzbehörde Frontex berichtete, gelangten seitdem 80 Prozent weniger Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland.