Australien. Internierung auf Pazifik-Inseln

gefunden in der Dissonanz Nr. 18, 06. Januar 2016

Australien ist in Sachen Flüchtlingspolitik der EU einige Schritte voraus. Trotz internationaler Kritik setzt die Regierung ihr totalitäres Regime gegen Geflüchtete fort, nicht zuletzt mit der 2001 eingeführten «Pacific Solution», die nach vierjähriger Ausserkraftsetzung seit 2012 wieder eingeführt wurde. Diese erlaubt ihr, sogenannte Offshore Processing Centres (Lager für Asylsuchende auf nicht-australischem Boden) mithilfe privater Unternehmen wie G4S oder Transfield Services, und internationaler Institutionen wie der Internationalen Organisation für Migration (IOM mit Hauptsitz in Bern) zu betreiben und Menschen mit einem allfälligen positiven Asylentscheid dort anzusiedeln. Konkret bedeutet das die Errichtung oder Reaktivierung verschiedener Auffanglager auf kleinen Inselstaaten im Pazifischen Ozean – u.a. Papua Neuguinea, Manus Island , Christmas Island und dem Inselstaat Nauru – mit dem Ziel, das «Problem» von australischem Boden fernzuhalten. Seit 2013 führt der australische Staat zudem eine öffentliche Kampagne zur Abschreckung von Geflüchteten durch. Diese nennt sich «stop the boats» und verfolgt verschiedene Ziele: einerseits hat die australische Marine den Auftrag, Boote auf hoher See zum Umkehren zu zwingen, und andererseits, Geflüchtete, die es doch irgendwie nach Australien geschafft haben, auf verschiedene Inselstaaten mit Offshore Processing Centres zu deportieren. Um sich juristisch abzusichern, verabschiedete die australische Regierung im Dezember 2014 ein Gesetz, das explizit erlaubt, Bootsgeflüchtete in andere Länder auszuschaffen. Wollen Geflüchtete diesem elenden Schicksal auf einer Insel im Nirgendwo trotz positivem Asylentscheids entkommen, bleibt ihnen keine andere Wahl als die «freiwillige» Rückkehr in ihre Heimat – oder im Falle Naurus die Ausreise nach Kambodscha. Umgerechnet 30 Millionen Franken zahlt Australien dem südostasiatischen Land, damit es Bootsgeflüchtete aus Nauru aufnimmt. Während Australien international Kritik für dieses Vorgehen erntet, laufen derzeit Verhandlungen der EU mit der Türkei, der Ukraine und anderen Drittstaaten, die ähnliche Pläne des «outsourcing» von Geflüchteten beabsichtigen, ohne dass auch nur ein Hahn kräht.

Revolte auf Christmas Island

Auf Christmas Island, einer Insel im Indischen Ozean, 1600 km von der australischen Küste entfernt und dennoch australisches Territorium, kam es anfangs November 2015 zu einer dreitägigen Revolte im dortigen Internierungslager für inhaftierte ausländische Staatsangehörige und Asylsuchende. Die Revolte wurde angeblich durch die Information ausgelöst, dass ein zwei Tage zuvor aus dem Lager ausgebrochener Asylsuchender, der seit 2010 auf der Insel interniert war, aus ungeklärten Gründen tot am Fusse einer Klippe aufgefunden wurde. Die Revoltierenden zerstörten die Einrichtung, trampelten Zäune nieder und legten einige Brände. Angesichts dieses Aufruhrs haben sich, gemäss einem Zeitungsartikel, «die Wachen aus Sicherheitsgründen aus den Gebäuden zurückziehen müssen». Das Internierungslager wies zu diesem Zeitpunkt 203 inhaftierte Personen auf. Währenddem sich einige auf Verhandlungen mit den australischen Autoritäten einliessen, haben sich andere revoltierende Insassen, gemäss dem Bezeugnis eines Internierten, mit Barrikaden, Macheten und Molotov-Cocktails gegen die angerückte australische Polizei verteidigt, bis diese die Revolte niederschlug.

Situation auf Manus Island

Auf Manus Island, einer kleinen Insel im Norden Papua Neuguineas, ist seit 2012 wieder das Auffanglager RPC (Regional Processing Centre) für Asylsuchende in Betrieb. Seit 2014 kommt es in diesem Lager immer wieder zu Unruhen. Im Februar 2014 wurden bei einer Revolte 70 Internierte verletzt und eine Person wurde zu Tode geprügelt, als die Bullen von Papua Neuguinea und private Sicherheitsbeamte die Internierten attackierten, um die Revolte niederzuschlagen. Im darauf folgenden Dezember kündigten ca. 100 Personen einen zweiwöchigen Hungerstreik an und 15 weitere Personen nähten sich die Lippen zu, um gegen die widerwärtigen Lebensumstände im Lager zu protestieren. Der Hungerstreik weitete sich aus – einige wurden wegen Selbstverstümmelung unter medizinische Aufsicht gestellt, andere kollabierten wegen Dehydrierung, und mindestens vier Menschen schluckten Rasierklingen, um auf diese Art gegen ihre Unterdrückung zu protestieren – und auf dem Höhepunkt beteiligten sich ca. 700 Personen am Streik. Medienberichten zufolge war dies der letzte grosse Aufruhr auf Manus Island.

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Offener Brief von Geflüchteten

Hallo Mr. Malcolm Turnbull und Peter Dutton

Als Geflüchtete und Asylsuchende, gefangen auf Manus Island im Internierungslager, würden wir Sie dieses Mal gerne um etwas anderes ersuchen.
Zuvor haben wir Sie um Hilfe angefragt. Doch als von Ihnen keine Antwort auf unsere Bitte, freigelassen zu werden, erfolgte, haben wir realisiert, dass es keinen Unterschied gibt zwischen uns und Abfall; ein paar Sklaven, die dabei halfen, die Boote zu stoppen, indem sie in widerwärtigsten Umständen leben. Der einzige Unterschied liegt darin, dass wir die australischen Steuerzahler und Politiker Unmengen an Geld kosten. Wir betrachten unseren Auftrag für «stop the boats» als erledigt. Wir würden Ihnen gerne einige Empfehlungen unterbreiten, wie sie diese Unmengen an weggeworfenen Steuergeldern, die das australische Ansehen ruinieren, eindämmen und die australischen Grenzen für immer dicht machen können:

1. Ein Navy-Schiff könnte uns alle an Bord nehmen und uns auf offenem Meer wie Abfall in den Ozean werfen (die HMAS [ein Schlachtkreuzer der australischen Marine] ist dafür stets verfügbar
2. Eine Gas-Kammer (DECMIL [früheres Betreiber-Unternehmen] wird das mit einem neuen Vertrag erledigen)
3. Verabreichung von Gift (IHMS [internationaler Gesundheits- und Medizin-Service, der unqualifizierte Ärzte im Lager eingesetzt hat] wird Ihnen dabei helfen)
Dabei handelt es sich nicht um einen Scherz oder um Satire, bitte nehmen Sie unsere Empfehlungen ernst.
Wir sterben in Manus Island allmählich. Jeden einzelnen Tag werden wir buchstäblich gefoltert und traumatisiert. Es gibt kein sicheres Land, das uns Schutz gewährleistet, wie das Departement für Immigration und Grenzschutz behauptet.

Freundliche Grüsse
Frohe Weihnachten im Voraus
Manus Geflüchtete und Asylsuchende