Athen, Griechenland: Anschlagserklärung der Gruppe für den Wiederaufbau des mediterranen anarchistischen Dreiecks

übersetzt von act for freedom

Hier die vollständige Erklärung zur Aktion vom 28.02.19 bei der italienischen Vereinigung für Archäologie in Athen in Solidarität mit den inhaftierten und verfolgten Anarchist*innen in Italien.

Über die jüngsten Verfolgungen in Italien

Anfang Februar wurde die Räumung des ASILO OCCUPATO angeordnet, ein Gebäude der Bewegung in Turin mit einer 24-jährigen Geschichte. Wegen dem Widerstand aus dem Inneren des Squats dauert die Räumung eineinhalb Tage. Gleichzeitig kommt es in der ganzen Stadt zu Versammlungen, Treffen und gewalttätigen Demos. Um die Reaktionen abzuwürgen, stellt die Carabinieri ganze Nachbarschaften unter Quarantäne; Strassensperren, Verhaftungen und Blockade des Verkehrs. Neben der Räumung werden 6 Gefährt*innen festgenommen, angeklagt wegen subversiven Aktivitäten und Aktionen gegen die CIE/CPRs (Internierungslager für Migrant*innen) und in Solidarität mit den Revolten in den Lagern.

Es ist klar, dass es weit mehr Gründe für diese Operation gibt. Das ASILO OCCUPATO war an vielen Kämpfen beteiligt, die den Staat und die Bosse verärgerten. Es widersetzte sich als Teil der Bewegung NO TAV der Zerstörung des Val Susa Tals. Es kämpfte gegen die Internierungslager, gegen die Repression und Kontrolle und gegen die Umstrukturierung und Gentrifizierung ganzer Nachbarschaften, von denen sich die Bosse wünschten, dass sie sich in sterilisierte Gebiete des Konsums und der Unterhaltung verwandelten. Deswegen zielte die Repression auf die Besetzung und die 6 verhafteten Gefährt*innen.

Von diesen 6 verbleiben 4 in Sonderhaft, während 2 auf Bewährung entlassen wurden. Ein paar Tage später findet eine weitere repressive Operation im Trentino statt, Operation RENATA. Sondereinheiten der Polizei, die DIGOS und die ROS stürmen 35 Wohnungen, Arbeitsplätze, anarchistische Zentren und Strukturen der Bewegung, konfiszieren Computer und Datenträger, gedrucktes Material, Werkzeuge, Fahnen etc und nehmen 7 Gefährt*innen fest. Die Anklagen sind schwerwiegend und betreffen Sabotageakte gegen Biotech-Strukturen, Funkmasten, Polizeifahrzeuge, Banken, private Arbeitsvermittlungsagenturen, Büros von Faschist*innen sowie die Beteiligung an gewalttätigen Demonstrationen.

Die Repression gegen Anarchist*innen in Italien, eine endlose Geschichte

Die Mutter aller repressiven Angriffe des italienischen Staates gegen unsere Gefährt*innen ist sicherlich die Pontelungo Operation, bekannt unter dem Namen Marini Untersuchungen (nach dem Namen des Staatsanwalts – Erfinder der gleichnamigen Theorie), die 10 Jahre andauerten. 1994 wurden Gefährt*innen verhaftet und wegen bewaffnetem Raub angeklagt. Als es scheint, dass der Prozess ein Jahr später zu einem Ende gelangt, kommt es in ganz Italien zu einer riesigen Operation. Unter dem Dach eines Organisation-Gespents, eine Erfindung, die in den kommenden Jahren immer wieder angewendet wird, werden mehrere Dutzend wegen bewaffneter Bande und einer Menge anderer Anschuldigungen angeklagt. Viele davon landen am Ende für mehrere Jahre im Knast. Gemäss der Theorie Marinis ist die anarchistische Bewegung in zwei Stufen gegliedert; öffentliche und klandestine Aktivitäten unter einer zentralen Leitung. Dadurch werden alle anarchistischen Aktivitäten inkriminiert, von der Broschüre bis zum Angriff, die Unterschiede verschwimmen und all das reicht aus, um jemanden ins Gefängnis zu stecken. Anarchist*innen werden in pazifistische und kriminelle eingeteilt, politische- und Freundesbeziehungen werden kriminalisiert, Wohnungen werden zu Safe-Houses, Zeitungen und Magazine zu terroristischen Handbüchern, Werkzeuge zu Waffen und die sozialen Zentren und Besetzungen zu den Hochburgen der Angreiffer*innen.

Die wilde Repression mit dem Anti-Terrorismus-Gesetz und seinen Artikeln 270 und 270bis führt zu Haftstrafen, Menschen, die während langwierigen Gerichtsverhandlungen als Geiseln gehalten werden, Hausarresten, Verboten von Zeitungen, Magazinen und Internetseiten. Die Repression bedient sich Telefonabhörungen und in den kommenden Jahren moderner Technologien wie GPS, Auswertung genetischer Daten etc. Zur gleichen Zeit wird (mit der Hilfe der Medien) gegen die Anarchist*innen gehetzt, um diese zu isolieren und zu kriminalisieren, sodass sie einfacher verfolgt werden können und sie ihre sozialen und politischen Verbindungen verlieren. Wo Repression und Verleumdung nicht mehr weiter helfen, kommt es zu brutaler Gewalt und Mord, so wie 1998, als Eduardo Massari und Maria Rosas Soledad tot aufgefunden wurden. Beide wurden erhängt aufgefunden, Eduardo in seiner Zelle im Gefängnis Vallette in Turin, Maria bei ihr zu Hause, wo sie unter Hausarrest stand.

Seit dann und bis heute wurde das gleiche Spiel mit den selben Charakteristiken stetig und unerbittlich wiederholt und sogar nach Griechenland exportiert, wie das ähnliche Verfolgungen in der jüngsten Vergangenheit zeigen.

Auf das Ende der Marini-Prozesse folgt 2004 die Operation Cervantes. Im Rahmen dieser Operation kommt es im Jahr darauf zu drei weiteren; Operation Nottetempo, Fraria und Crocenera mit den Vorwürfen einer subversiven Organisation, die Aktionen der FAI ausführte. Die Geschichten wiederholen sich und die kommenden Verfolgungen lassen die Liste endlos erscheinen: Frühling 2006 Operation Gruppi di Affiniti, Herbst 2007 Operation Brushwood, Sommer 2009 Operation Shadow, Frühling 2011 Operation Outlaw, Sommer und Herbst 2012 Operation Mangiafuoco und Ixodidae sowie Ardire und Thor ebenfalls wegen Aktionen der FAI-IRF. Im gleichen Jahr werden Anarchist*innen von der Repression getroffen, weil sie am 3. Juli im Susa Tal an wilden Konfrontationen mit der Polizei gegen den Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke TAV beteiligt waren. Dann im Sommer 2017 Operation Scripta Manent und ein paar Monate später Operation Panico.

Die Instrumente und Methoden für diese Polizeioperationen sind wohlbekannt und vom italienischen Staat und seinen Mechanismen, den Polizei- und Justizbehörden, bestens erprobt. Die jüngste italienische Geschichte ist voll mit solchen Verfahren.

Die Repression kennt keine Grenzen, die Solidarität ebenso wenig

Ein weiterer Teil der Repression betrifft die Solidarität mit den inhaftierten und verfolgten Anarchist*innen in Italien. Der italienische Staat, der politische Beziehungen zwischen Gefährt*innen aus den beiden Ländern und die Welle an Solidarität zu blockieren versucht, legt die Theorie des mediterranen, anarchistischen Dreiecks bestehend aus Italien, Spanien und Griechenland dar und beschreibt uns als apolitische Kriminelle, die sich zur Ausübung terroristischer Taten verschwören.

Über die Jahre hinweg wurden konstant Artikel veröffentlicht, die von verschiedenen Kontakten, Verbindungen, Reisen, um Angriffe vorzubereiten und Demonstrationen zu eskalieren, sowie von verschiedenen Interventionen der Solidaritätsbewegung berichten, die aber wie üblich ihren wahren Inhalt verfälschen oder verschweigen.

In diesem Licht kann zum Beispiel auch die Unnachgiebigkeit des italienischen Staates gegenüber den 5 griechischen Gefährt*innen gesehen werden, die nach den wilden Auseinandersetzungen während der Demo gegen die EXPO in Mailand verhaftet wurden. Sie denken, dass sie uns in Schwierigkeiten bringen können, indem sie auf unsere Solidarität und unsere politischen Beziehungen abzielen. Wir lassen sie mit ihren Illusionen leben. Die Leidenschaft für die Freiheit ist weder gebändigt, noch niedergeschlagen, noch eingesperrt. Sie ist hier und wird ihr schlimmster Albtraum und Feind Nummer 1 bleiben.

Dies sind die wahren Gründe für die vergangenen wie auch jüngsten repressiven Operationen des italienischen Staates. Sie treffen unsere Gefährt*innen, weil sie Anarchist*innen, bewusste Feind*innen des Staates und des Kapitalismus sind. Weil sie in der Tat schuldig sind, weil sie an einer Vielzahl an Kämpfen in Solidarität mit Migrant*innen und Gefangenen mitwirken. Weil sie sich der Plage der Gentrifizierung widersetzen, weil sie ihre Ideen in sozialen Zentren und Besetzungen umsetzen, anstatt wie friedliche Bürgis zu Hause rumzusitzen. Weil sie ihre Gedanken niederschreiben und propagieren, Brüche in der Normalität des Regimes erzeugen, Sand in die Zahnräder der kapitalistischen Mördermaschine werfen.

Weil sie sich nicht mit Worten begnügen, sondern sie in die Tat umsetzen, ein Leben lang im Angriff gegen multinationale Unternehmen, biotechnologische Strukturen und Umweltzerstörung, Bullen und Faschist*innen. Sie sind schuldig, weil sie ein Beispiel darstellen und dafür schreien, die vom italienischen Staat aufgezwunge Stille, um den Frieden zwischen den Klassen zu wahren, zu durchbrechen. Schuldig, weil sie von einer neuen Welt träumen und diese bereits in sich tragen, eine Welt der Freiheit, Gleichheit und Solidarität, die die alte hinwegfegen wird.

Aus all diesen Gründen besuchte unsere Gruppe am 28.02.19 die italienische Vereinigung für Archäologie in der Nähe der Akropolis. Nach ein paar Solidaritätsbotschaften auf der Marmorfassade des neoklassischen Gebäudes zündeten wir ein Auto an, das davor geparkt war. Letzte Woche fand in diesem Gebäude der italienischen Vereinigung für Archäologie ein Seminar über die Sicherung archäologischer Fundstätte statt, das von den italienischen Carabinieri für ihre griechischen Pendants abgehalten wurde. Welch Gelegenheit für uns, den italienischen Bullen klarzumachen, dass ihre „Taten“ nicht unbeantwortet bleiben.

Und auch der Leitung der Vereinigung klar zu machen, dass das Bereitstellen von Raum für die Carabinieri seinen Preis hat, da diese für die repressiven Operationen in Italien mitverantwortlich sind, die nichts mit Kultur und Zivilisation zu tun haben, für die die Vereinigung zu arbeiten vorgibt…

Die Zusammenarbeit der beiden Staaten im Bereich der Sicherheit existiert seit langem, ob über die Polizei oder die Justiz und dies ist unter anderem, was wir mit dieser Aktion demonstrieren wollten. Die Carabinieri sind ein notwendiges Werkzeug, um diesen „Job“ mit speziellem Eifer und Hass gegenüber den Anarchist*innen in Italien auszuführen.

Hier von Athen aus, erinnern wir sie daran, dass wir ebenfalls eifrig sind, allerdings für den Kampf, und dass wir die Polizei hassen, egal von wo sie kommt. Sie sollten niemals vergessen, dass wir unsere Gefährt*innen nicht alleine lassen.

Wir senden unsere Solidarität an die Verhafteten und Verfolgten des ASILO OCCUPATO und der Operation Renata sowie an alle, die in den Käfigen des italienischen Staates eingesperrt werden.

Durch die Aktion erklären wir, dass wir gleichfalls schuldig auf allen Ebenen sind.

Texte, Plakate, Demos und Angriffe sind unsere einzigen Mittel des Kampfes.

Solidarität (wie der Kampf im Allgemeinen) ist total oder gar nicht, eine einfache harmlose Versammlung…

Gruppe für den Wiederaufbau des mediterranen anarchistischen Dreiecks

Balkan-Route: Zusammenstöße von Flüchtlingen und Polizisten

gefunden auf berliner morgenpost

An der griechisch-mazedonischen Grenze ist es zu Ausschreitungen zwischen Polizisten und Flüchtlingen gekommen. Grund war ein Gerücht.

Athen/Thessaloniki. Sie dachten, die Grenze zu Nordmazedonien sei offen: Rund 2000 Flüchtlinge haben sich am Samstag (6.4.19) in der griechischen Grenzregion versammelt, um weiter nach Mitteleuropa zu reisen. Doch sie waren einer Falschinformation aufgesessen. Es kam zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Polizei.

Zahlreiche Migranten schleuderten am Nachmittag Steine auf Polizisten. Die Beamten setzten ihrerseits Tränengas und Blendgranaten ein, um die Randalierer auseinander zu treiben und zurückzudrängen, wie griechische Medien übereinstimmend meldeten. Die Migranten übernachteten zuletzt in Zelten rund um ein Flüchtlingslager bei Diavata.

300 Flüchtlinge legen Bahnverkehr in Athen lahm

In den vergangenen Tagen hatte im Internet das Gerücht die Runde gemacht, die Grenze zu Nordmazedonien sei offen. Das griechische Migrationsministerium erklärte dagegen, die Grenze werde nicht geöffnet. Alle Migranten sollten in ihre Unterkünfte zurückgehen, dazu stünden Busse bereit.

Ansammlungen von Migranten, die gen Norden reisen wollten, gab es auch in Athen. Dort besetzten am Freitag rund 300 Menschen den Hauptbahnhof der griechischen Hauptstadt. Der Bahnverkehr wurde für mehrere Stunden eingestellt. Die Besetzung wurde jedoch in der Nacht zum Samstag beendet, teilte die Eisenbahndirektion mit. Alle Züge fuhren wieder.

Grenzzaun schloss Balkan-Route weitgehend

Während des Höhepunkts der Migrationskrise war entlang der Grenze zwischen Griechenland und Nordmazedonien ein Grenzzaun gebaut worden. Dieser steht noch und wird überwacht. Damit ist die sogenannte Balkan-Route nach Mitteleuropa weitgehend geschlossen worden.

Sie führt von Griechenland über Nordmazedonien, Serbien und Ungarn nach Mitteleuropa. 2015 und 2016 waren mehr als eine Million Menschen über diese Route nach Deutschland gereist. Inzwischen kommen immer mehr Asylbewerber legal – sogar aus Südamerika.

Morgen ist weit weg: Anarchistische Intervention gegen den Bau des Gefängnisses für Migrant*innen in Laval

übersetzt von montréal contre-information

Staatsbürgerschaft kann nur dann einen Wert haben, wenn die Kategorie der anderen, derer, die über diesen Status nicht verfügen, ebenfalls exisitiert. Damit diese Unterscheidung bestehen kann, muss sie vom Staat durchgesetzt werden. Dafür verfügt er über eine Anzahl verschiedener Werkzeuge. Die Abschiebung ist eines davon.

Die Abschiebung ist ein gewalttätiger Prozess, bei dem der Staat einem Individuum jegliche Autonomie und Handlungsfähigkeit raubt, um es aus dem von ihm beherrschten Gebiet auzuschliessen. Um dies zu tun, nutzt der Staat verschiedene Mittel. Eines davon ist das Internierungslager, allgmein bekannt als Gefängnis für Migrant*innen, in denen Sans-Papiers vor ihrer Abschiebung festgehalten werden. Menschen ohne geregelten Status können verhaftet und darin eingesperrt werden, bis sie in ein Flugzeug gesteckt werden, das sie in ein anderes Land bringt, teilweise in weit entfernte Gebiete, zu denen sie keinerlei Beziehung haben.

Der Staat hat in den letzten Jahren immer mehr Menschen abgeschoben und strebt danach, seine Kapazitäten dafür weiter zu erhöhen. Aufstockung des Personals der Canadian Border Service Agency (CBSA), Entwicklung neuer Mechanismen zur Kontrolle von Sans-Papiers, alternative Überwachungsmethoden wie die Fussfessel und der Bau neuer Internierungslager sind u.a. die staatlichen Instrumente, um seine Ziele zu erreichen. Die Regierung will in Laval, einer Stadt nördlich von Montreal, neben einem bereits existierenden Internierungslager ein neues sogenannt ‚humaneres‘ Lager bauen. Wir wissen jedoch alle, dass ein goldener Käfig ein Käfig bleibt. Das ist eine Provokation, ein Akt der Konfrontation, ein Angriff auf Sans-Papiers, auf unsere Communities, auf uns alle. Die aktuelle Migrationskrise wird sich angesichts des Klimawandels, Dürren, Kriegen und verbreiteten Konflikten in vielen Ländern nur verschärfen. Migrant*innen riskieren brutale Abweisungen der westlichen Welt, die sich um den Ausbau ihrer Grenzen gegen die anderen, die einfallenden Barbaren, bemüht. Die Medien haben kürzlich berichtet, dass die Regierung eine Erhöhung der jährlichen Abschiebungen um 30% anstrebt. Der Bau dieses neuen Gefängnisses trägt zur Umsetzung der kolonialen Mission des kanadischen Staates bei, indem es ihn seinen Zielen der Kontrolle jeglicher Aspekte des Lebens und des von ihm einverleibten Territoriums sowie der Stärkung der Kategorie der anderen näher bringt. Durch die Unsichtbarmachung der Tatsache, dass er selbst fremd ist in diesem von ihm kolonialisiertem Gebiet, auf dem er einen grossen Teil der Bevölkerung ausgerottet hat, lässt er seine Autorität gleichsam legitim erscheinen und nähert sich dem faschistischen Ideal der ‚Reinheit‘ an.

Es erscheint uns wichtig anzufügen, dass die Autor*innen dieses Texts weiss sind und in Kanada geboren wurden. Wir sind von der Drohung der Abschiebung oder Inhaftierung in einem Lager nicht direkt betroffen. In Solidarität mit all denen, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft ihr Leben riskieren, entscheiden wir uns dennoch, gegen den Bau dieses neuen Gefängnisses zu kämpfen. Neben unserer Feindschaft gegenüber den Kontrollen von Sans-Papiers und den Internierungslagern besteht unser stetes Ziel in der Zerstörung der Herrschaft in all ihren Aspekten. Dies beinhaltet unter anderem alle Staaten und ihre Grenzen. Auch wenn wir über das Privileg der Papiere verfügen, sind wir nicht stolz darauf, Kanadier*innen zu sein. Wir verspüren keinerlei Zugehörigkeit zur nationalen Identität. Wir streben einen Kampf an, der weder auf die Billigung noch auf das Eingeständnis des Staates oder sonst jemandem hofft. Anstatt den Staat nach bürgerlicher Manier aufzufordern, die Abschiebungen einzustellen, entscheiden wir uns, unsere Privilegien zu untergraben und die Zahnräder der Abschiebemaschine zu sabotieren. Die Verantwortlichen der Einsperrung sollten nicht mehr länger in Ruhe schlafen.

Intervention

Wir wollen versuchen, unsere Energien auf informelle und dezentralisierte Weise zu koordinieren, mit dem Ziel, den Bau des neuen Gefängnisses für Migrant*innen zu stoppen. Wenn wir uns auf diesen spezifischen Kampf fokussieren, dann um in erster Linie effektive Resultate zu erzielen, aber auch, um damit anarchistische und antiautoritäre Ideen und Praktiken zu verbreiten. Das Gefängnis für Migrant*innen ist eine Komponente der komplexen Architektur der Macht, ein wichtiger Aspekt für den Staat und seinen Grenzen. Wir stellen uns gegen alle Gefängnisse, alle Formen der Einsperrung und der Herrschaft; hier versuchen wir allerdings, dieses Projekt, das nur ein Element in einem komplexen System darstellt, tatsächlich zu verhindern. Wir wünschen uns, dass andere Gefährt*innen mit ihren Bemühungen ebenfalls dazu beitragen, die Feindschaft zu vertiefen. Gleichwohl lehnen wir es ab, unser Handeln von der Zahl abhängig zu machen. Die Zeit ist mehr als reif.

Wie könnte ein Kampf gegen den Staat und seine Projekte aussehen? Es gibt nicht nur eine Antwort auf diese Frage und genausowenig eine magische Formel auf Erfolg. Auf jeden Fall gibt es aber gewisse Prinzipien, die uns helfen, kohärente Entscheidungen zu treffen, und die eine eventuelle Rekuperation von linken Politiker*innen verhindern. Diese Prinzipien sind auf all unsere Kämpfe übertragbar. Einige davon, wie die goldene no snitching-Regel, sind offensichtlicher als andere. Aber gehen wir ein bisschen weiter.

Ein erstes Element ist die Zurückweisung der Forderungen an den Staat. Diejenigen, die gegen ein spezifisches Projekt kämpfen, haben oftmals den Reflex, Forderungen zu formulieren. Forderungen zu stellen, bringt eine Erzählung mit sich, in der nur diejenigen Leute etwas verändern können, die Macht über andere ausüben. Durch die Delegation an Politiker*innen und Bosse, die anstelle von uns Entscheidungen treffen, ist dieser Reflex eine Negation unserer Freiheit und unserer Fähigkeit, selbst zu handeln. Wir möchten von dieser Art der Organisierung weg kommen, um einen Kampf zu lancieren, der diese Machtdynamiken umstürtzen kann und der die Dinge selbst in die Hand nimmt, ohne auf Erlaubnis zu warten. Wir wollen den Staat zerstören und nicht seine Legitimität stärken.

Verhandlungen können verführerisch wirken, wenn man glaubt, die Umsetzung seiner eigenen Ziele ist unmöglich. Die Demokratie will uns glauben machen, dass wir immer gewisse Zugeständnisse einräumen müssen. In einer solchen Situation ist jedoch keine Alternative akzeptabel. Kein komfortableres Gefängnis, kein sympathischerer Grenzbeamte und keine alternativen Kontrollmethoden von Sans-Papiers sollten toleriert werden.

Mit der Absicht, gewisse Ziele zu erreichen, entscheiden wir uns für die direkte Konfrontation, vielmehr als für Forderungen und Verhandlungen. Um den Bau dieses Gefängnisses für Migrant*innen zu verhindern, sind unserer Meinung nach verschiedene Formen des Angriffs auf all diejenigen, die das Gefängnis bauen wollen, die die Pläne entwerfen, die den Zement eingiessen, die die Absicht haben, Menschen darin einzusperren, die davon profitieren… unabdingbar. Die Form des Angriffs kann gemäss der Kapazität der Leute, dem Level an Vertrauen etc. variieren.

Die direkte Konfrontation bedarf keiner Hierarchien oder Zentralisierung. Wir denken, dass es notwendig ist, sich dezentral und informell zu organisieren. Dies bedeutet, dass wir keine formelle Einheit mit Mitgliedern und Plattformen begründen wollen. Wir wollen uns als Individuen mit anderen Individuen organisieren, mit denen wir Affinität teilen, das heisst Ideen, Praktiken und gegenseitiges Vertrauen.

Bei der informellen Organisation steht der Inhalt und nicht das Gefäss im Vordergrund. Nicht auf die Zustimmung einer Partei, eines Komitees oder einer Gruppe zu warten, macht unsere Interventionen wirkungsvoller. Damit gegenseitiges Vertrauen zwischen den Gefährt*innen entsteht und sich daraus ein expanisver Kampf entwickelt, ist ein gewisses Engagement jedoch essentiell. Es besteht aber ein Unterschied zwischen persönlichem Engagement und formeller Organisation.
Auf der einen Seite ist man für seine Ideen verantwortlich, auf der anderen ist man einer Formalität verpflichtet, die grösser ist als das Individuum und in der die Organisation als solche wichtiger als die Beziehungen und Analysen der Individuen wird. Sich regelmässig in grösseren Gruppen zusammenzufinden, um Informationen und Perspektiven auszutauschen ohne dabei auf zentralisierte Weise Entscheidungen zu treffen, scheint uns wünschenswert. Gefährt*innen haben die Tendenz, sich an unterschiedlichen Kämpfen zu beteiligen, ohne Kontinuität und mit Aktionen, die oftmals symbolisch bleiben, in dem Sinne, dass sie minimale Auswirkungen auf ihre Ziele haben. Diese Art der Beteiligung ermöglicht es nicht, eine expanisvere Konfliktualität zu schaffen. Es ist daher wichtig, gut über unser Handeln nachzudenken, die Verantwortlichen und die Kollaborateure der Herrschaft und Einsperrung zu identifizieren und anzugreifen, unsere Analysen zu teilen und Perspektiven für einen mittel- oder langfristigen Kampf zu entwickeln. All diese Energien müssen jedoch in Bewegung bleiben und nicht – unter dem Vorwand der besseren Kontinuität – in formellen Organisaionen eingeschlossen werden.

Mit dem Ziel, einen breiteren Kontext der Kämpfe zu schaffen, fallen viele Menschen, die sich als Anarchist*innen, Revolutionäre oder Autonome identifizieren, in die quantitative Falle der Masse und der öffentlichen Meinung und fangen an, sich mit der Linken zu organisieren und mit den Massenmedien zu kommunizieren. Aber zu welchem Preis? Es ist offensichtlich, dass jegliche Macht, wie sozial sie auch sein mag, dazu beiträgt, die Ketten, die uns an sie binden, zu stärken. Wir müssen unsere eigenen Mittel nutzen (Zeitungen, Zines, unabhängige Internetseiten, Plakate, Graffiti, unterstützende Infrastruktur) und die Grundlagen unserer Kämpfe gemäss unseren eigenen Prinzipien schaffen; anarchistische Prinzipien, die sich im Bruch mit den Institutionen befinden. Um die sozialen Beziehungen umzustürzen und die Herrschaft zu zerstören, müssen wir solide anarchistische Grundlagen entwickeln und damit aufhören, der linken Bewegung zu folgen und stattdessen die Kraft zum Kämpfen in uns selbst finden.

Der Staat wird nicht aufhören, einzusperren, abzuschieben, neue Gefängnisse zu bauen, zu beherrschen, auszubeuten, die schlimmsten Gräueltaten juristisch zu schüzen oder seine autoritären, rassistischen und kolonialen Ideologien zu propagieren, solange er nicht mit dem Aufstand, der Sabotage seiner Strukturen und der permanenten Revolte konfrontiert und zerstört wird.

Schwachstellen gibt es überall; finden wir sie.


mehr Informationen auf stopponslaprisons (französisch und englisch) oder hier (deutsch).

Québec, Kanada: Angriffe gegen die Welt der Knäste und ihre Kollaborateure

übersetzt von montréal contre-information

Gefängnis für Migrant*innen: Angriff auf zwei Bauunternehmen von Eingentumswohnungen von Lemay

In der Nacht vom 19. März wurden die Scheiben des Verkaufsbüros von Humaniti eingeschlagen und zwei Hochhäuser von Lowney mit einem Feuerlöscher voller Farbe eingefärbt. Was haben diese beiden Eigentümer von Bonzenwohnungen gemeinsam? Sie beide wurden vom Architekturbüro Lemay entworfen, das am Bau eines Gefängnisses für Migrant*innen mithilft.

Weshalb den Frieden der Bürger*innen stören, die in diesen Luxuswohnungen hausen, die über einen Reichtum und Konfort verfügen, der auf der Enteignung, Ausbeutung und Inhaftierung derer beruht, die schon vor der Kolonialisierung dieses Kontinents hier waren, derer, die hier neu ankommen, weil sie ein besseres Leben wollen, überhaupt überleben wollen oder vom Empire hierhin gedrängt wurden und all denen, die gegen die aktuelle Ordnung kämpfen?

Lemay, wir hoffen, dass ihr eure potentiellen Kund*innen darüber informiert, dass ihre Projekte sabotiert werden, wenn sie mit euch Geschäfte machen. Andernfalls werden wir ihnen einen Besuch abstatten, der sie teuer zu stehen kommen wird.

An alle, die im sogenannten Québec und im sogenanntne Kanada gegen die Grenzen kämpfen: Attackieren wir die Unternehmen und Behörden, die auf irgendeine Weise am Bau dieses Gefängnisses für Migrant*innen beteiligt sind, sodass es niemals gebaut wird.

Feuer den Knästen! Sabotieren wir die Grenzen, diejenigen, die sie bewachen und mit ihnen kollaborieren.


Brossard, Kanada: Sodexo angegriffen

Suzanne Bergeron, die Präsidentin von Sodexo Kanada

Am frühen Morgen des 29. März wurde die Präsidentin von Sodexo Kanada bei ihr zu Hause in Brossard besucht. Alle Pneus der zwei in der Hauseinfahrt geparkten Autos wurden durchgestochen, die Windschutzscheiben eingeschlagen und FUCK SODEXO und (A) auf die Motorhaube gesprüht.

Sodexo profitiert von der Einsperrung auf der ganzen Welt. Sie bieten u.a. Verwaltungsdienste für private Gefängnisse und Internierungslager für Migrant*innen sowie Cateringdienste für Gefängnisse an.

In Kanada profitiert dieses Unternehmen von der Rohstoffindustrie durch Sicherheits- und Cateringdienste für Abbaustätte.

Diese Aktion fand in Solidarität mit den anarchistischen Gefangnen von überall statt.

Die Profiteure der Einsperrung sollen nicht in Ruhe schlafen. Die Unternehmen, die es in Betracht ziehen, Aufträge für den Bau des neuen Gefängnisses für Migrant*innen in Laval abzuschliessen, sollten sich das zweimal überlegen.

Leipzig, Deutschland: Angriffe auf Helfer von Bullen und Justiz

gefunden auf indymedia

In der letzten Woche brannten Autos der Secu-Firmen WIS und Kötter-Security sowie eine Karre von Dussmann. Diese Angriffe auf die Helfer der Repression sind unser Beitrag zum Tag der politischen Gefangenen am 18. März.

Mit WIS hat es eine der größeren Secufirmen getroffen. Bei Kötter handelt es sich um eine größere Dienstleistungsfirma, die neben Secu-Tätigkeiten auch Leiharbeiter*innen stellt, die sie gelegentlich auch als Streikbrecher*innen einsetzt, außerdem bestreifen sie auch die Tagebaue von Mibrag. Uns stören die Secus. Mit diesem Rumgefahre die ganze Nacht verlängern sie die Arme und Augen des Staates.

Dussmann ist stolz darauf mit dem Wegsperren von Menschen Geld zu verdienen: „Gefängnisse sind verborgene Welten inmitten unserer Gesellschaft und zugleich ein fester Bestandteil von ihr. Dass diese Welten bestehen, dafür sorgen jeden Tag hunderte Mitarbeiter, unter ihnen auch Experten von Dussmann Service.“

Wer sich an Überwachung und Kontrolle beteiligt oder mit der Einkerkerung von Leuten Geld verdient braucht sich nicht über die Beschädigigung der eigenen Infrastruktur zu wundern. Wir setzen der Gewalt einer ganzen Gesellschaft, die das Regime von Mauern und Gesetzen dem Walten von Freiheit und Gewissen vorzieht, unsere aufrührerische Gewalt entgegen.

Bullenpresse

Wir wollen nochmal darauf hinweisen, wie wichtig es ist auf eigenen Medien die Zusammenhänge unserer Taten darzustellen. Die Schweine werden immer versuchen unsere Tätigkeiten zu entpolitisieren, sie aus dem Zusammenhang zu reissen und möglichst gegen uns zu verwenden, die bürgerliche Presse begnügt sich in den meisten Fällen damit, diese Meldungen zu zitieren. Selbst Aktionen, die eigentlich recht selbsterklärend sind bedürfen in dieser feindseligen Landschaft dann einer Richtigstellung.

Am Beispiel der WIS-Karre lesen sich die zwei Versionen folgendermaßen: Die Karre stand im Hof der Leipziger Niederlassung von WIS und war groß auf allen Seiten mit WIS beschriftet, so dass für alle sehr klar ist um was für ein Fahrzeug es sich handelt und was da los war.

Die Bullenmitteilung dazu lautet:
„Zündler setzten in der Nacht zu heute einen Ford Fiesta in Brand, welcher im Hinterhof der Weißenfelser Straße parkte. Der Nutzer hatte diesen am späten Abend nach seiner Schicht dort abgestellt.

In diesem Zusammenhang kam noch einmal zur Sprache, dass bereits in der Nacht zum Montag im Hinterhof ein Skoda entglast worden war. In diesem Fall hatte die Skodanutzerin noch Personen vom Auto wegrennen sehen.“

Wir wissen, dass es sich bei dem „Skoda der Nutzerin“ um die gleiche Nutzerin, nämlich die Secufirma handelt.

Nieder mit der Gesellschaft der Knäste

Jeder Angriff auf die Infrastruktur der Herrschaft ist Teil eines Kampfes um die Selbstbestimmung und Freiheit des Individuums und ist als Vorschlag zu verstehen, die Offensive aufzugreifen und zu erweitern. Ausserdem nähren sie die gegenseitige Solidarität – sie senden Kraft und Glück an die Inhaftierten, Verfolgten und diejenigen auf der Flucht.

Solidarische Grüße und viel Kraft an Thomas Meyer-Falk – deine Berichte aus der Sicherungsverwahrung sind immer wieder erhellend, wir bewundern deinen Kampf gegen das Knastsystem von innen.
Solidarische Grüße an die Basel18. Die wilde Demo für die die Schweine euch nun vors Gericht schleifen hat bis hierher einen bleibenden Eindruck hinterlassen und uns inspiriert.

Freiheit für alle Gefangenen – until all are free we are all imprisoned.


In der gleichen Woche, in der Nacht auf den 27. März kam es gemäss Chronik auch zu einem Angriff auf ein Polizeiposten an der Eisenbahnstraße in Leipzig.

Paris, Frankreich: Die WUT streuen

übersetzt von attaque

S. sitzt seit einem Jahr im Knast. Ihm wird die Brandstiftung an mehreren Fahrzeugen der Gendarmerie am 18. September 2017 (während dem Quai de Valmy-Prozess) in Limoges zu Last gelegt. Wir sind mit denen, die angesichts dieser repressiven Affäre nicht still geblieben sind. Einen Gefährten in den Händen des Staates lassen wir nicht zurück.

Als kleine Geste der Solidarität mit ihm haben wir in der Nacht des 26. März an der rue Corvisart (13. Arrondissement) zwei Lieferwagen sowie ein Fahrzeug der Pariser Stadtverwaltung in Brand gesetzt. Denn alle Strukturen des Staates gehören zerstört, sei es eine Kaserne oder eine Schule, ein Gefängnis oder eine CAF (A.d.Ü.: caisse d‘allocations familiales, Familienausgleichskasse), ein Kernkraftwerk oder ein Spital, ein Auto der Bullen oder der Stadtverwaltung, um die Möglichkeit der Freiheit für alle zu schaffen.

Solidarität auch mit den Gefährt*innen vor Gericht in Italien wegen der Operation Scripta Manent (und denen, die von anderen repressiven Operationen betroffen sind).

Freiheit für alle!
Es lebe die Anarchie!

Göttingen, Deutschland: Einzugsgeschenk für die Ausländerbehörde

gefunden auf barrikade

In der Nacht zum 26.03.2019 wurde die Fassade der Göttinger Ausländerbehörde – die erst kürzlich umgezogen ist – mit roter Farbe umgestaltet. Voilá, euer Einzugsgeschenk; denn wir wollen nicht, dass ihr es euch dort zu gemütlich macht, während ihr unsere Mitmenschen & Freund*innen abschiebt.

Die rote Farbe soll das blutige und gewaltvolle Geschäft kennzeichnen, das die Ausländerbehörde betreibt. Denn sie ist Teil des komplexen Gewaltregimes der Festung Europa, mit ihrer tödlichen Abschottungspolitik, militarisierten Grenzen und skrupelloser Abschiebepraxis.
Ein Regime, das lieber wegschaut, wenn tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken und ihre Rettung aus Seenot kriminalisiert. Und wer es geschafft hat Krieg, Tod, Inhaftierung und die gefährliche Flucht zu überleben, wird hier dann mit (3-Tages-)Duldungen oder dem Abschiebebescheid abgespeist.
Wir dulden diese menschenverachtende Praxis der Ausländerbehörde als ausführendes Glied einer mörderischen Kette nicht! Nicht einmal 3 Tage!
Für uns ist die einzige mögliche Reaktion darauf kontinuierlicher Widerstand!

Für das Recht zu gehen und zu bleiben für alle, überall!

Widerständige Grüße,
die Antiabschiebebehoerde

Italien: Update zur Operation Renata

übersetzt von round robin

20.3. – Das Untersuchungsgericht hat die Anschuldigungen wegen Terrorismus (Artikel 270bis und die erschwerenden Umstände) als gegenstandslos eingestuft. Die Untersuchung betrifft nun Artikel 270, also „subversive Vereinigung“. Die Gefährtinnen und Gefährten bleiben aber vorerst im Gefängnis.

Freiheit für alle!


Die aktuellen Adressen:

Giulio Berdusco
Roberto Bottamedi
Luca Dolce
Casa Circondariale
via Paluzza, 77
33028 Tolmezzo (Italie)

Nicola Briganti
Andrea Parolari
C.C di Ferrara
Via Arginone, 327
44122 Ferrara (Italie)

Agnese Trentin
C.C. di Rebibbia Femminile
Via Bartolo Longo, 92
00156 Roma (Italie)

Maltas Marine stürmt Boot mit 108 «Piraten»

gefunden auf tagesanzeiger

Flüchtlinge kapern den Frachter, der sie vor Libyen aus Seenot gerettet hat.

Im Hafen von La Valletta liegt ein rotes Frachtschiff, das mit seiner jüngsten, offenbar bewegten Reise der bereits reichhaltigen und dramatischen Fluchtsaga auf der zentralen Mittelmeerroute ein neues Kapitel beifügt. Die Betreiberfirma der Elhiblu 1 ist türkisch, das Schiff kreuzt aber unter der Flagge von Palau, einem kleinen Inselstaat im Pazifik.

Am Mittwoch, als es seinen Zielhafen Tripolis anlief, erhielt es von der libyschen Küstenwache den Auftrag, 108 Flüchtlingezu retten, die vor der Küste Nordafrikas in Seenot geraten waren. Selber könne man nicht helfen, funkten die Libyer, ihr Schnellboot sei gerade kaputt.

Die türkische Crew des Ölfrachters nahm die Migranten an Bord und wollte sie nach Tripolis bringen, wie ihr die Küstenwache beschieden hatte. Der Kommandant berichtet, die Flüchtlinge seien darüber sehr aufgebracht gewesen: Um keinen Preis hätten sie zurückgewollt, in die berüchtigten libyschen Auffanglager. Sechs Seemeilen vor Tripolis registrierten die Radare, wie die Elhiblu 1 abdrehte und Kurs nach Norden nahm. Einige Migranten sollen die Crew überwältigt und sie gezwungen haben, Europa anzusteuern – Lampedusa, Italiens südlichsten Aussenposten, oder La Valletta.

«Italien könnt ihr vergessen»

Kaum hatte Italiens Innen­minister Matteo Salvinivon der Geschichte der Elhiblu 1 erfahren, meldete er sich mit einer Direktschaltung auf Facebook, wie er das in solchen Fällen oft macht. Es sei eine «Entführung» im Gange, sagte er. Und fügte mit einem ironischen Unterton an: «Arme Schiffbrüchige kidnappen einen Frachter, der sie gerettet hat, weil sie die Strecke ihrer Kreuzfahrt selber bestimmen wollen. Ich sage zu den Piraten: Italien könnt ihr vergessen.» Das sei ein Verbrechen, und für Verbrecher seien die italienischen Gewässer gesperrt.

Bald war klar, dass das Schiff stattdessen Kurs auf Malta eingeschlagen hatte. Die maltesische Regierung, die sich sonst oft mit der populistischen römischen Regierung über Zuständigkeiten streitet, sah es für einmal gleich wie Salvini. An die ­Marine erging der Befehl, die ­Elhiblu1 dreissig Seemeilen vor La Valletta abzufangen. Die Zeitung «Times of Malta» schreibt, die Marine habe das Schiff «gestürmt» und dann in den Hafen begleitet. Fünf Passagiere wurden in Handschellen abgeführt, wohl die Rädelsführer. Unter den 108Migranten, die das Schiff verliessen, waren 19 Frauen und 12 Kinder. Was aus ihnen wird, war zunächst nicht klar.

Notzentrale antwortet nicht

Dass einem privaten Frachter die Seenotrettung zufiel, könnte bald noch viel öfter vorkommen. Gerade hat die Europäische Union beschlossen, ihre Kontroll- und Rettungsmission «Sophia» für sechs weitere Monate fortzuführen, jedoch ganz ohne Schiffe. Der Einsatz im zentralen Mittelmeer beschränkt sich neuerdings auf die Überwachung aus der Luft.

Der Entscheid ist aus mehreren Gründen umstritten, vor allem aber, weil damit die effektive Seenotrettung noch prekärer wird. Die libysche Küstenwache wird zwar mit europäischen Mitteln unterstützt und soll auch weiterhin Schiffe und Training erhalten: Doch besonders verlässlich ist sie nicht. Rettungsorganisationen berichten, oftmals antworte niemand in der Notzentrale.

Die Freiheit kommt immer mit einem Messer zwischen den Zähnen

übersetzt von sans attendre

Schaut um euch, aber tut es mit euren eigenen Augen. Seht ihr, wie der Planet zu einer gigantischen industriellen Müllhalde wurde? Seht ihr, wie die Staaten den Geist ersticken und die Kriege und Massaker überallhin bringen? Seht ihr, wie alles um uns herum auf der Ausbeutung und der Unterdrückung von Milliarden von Menschen beruht? Könnt ihr die Millionen von Toten dieses riesigen Blutbades noch zählen, auf dem diese Welt seine Wolkenkratzer, seine Supermärkte und Fabriken erbaut hat? Die Hungertoten, die Ertrunkenen, die Massakrierten, die Bombardierten, die Verstrahlten, die Gefolterten, seht ihr sie, all die aufgetürmten Kadaver?

Vielleicht. Aber alles wird dafür getan, dass ihr nichts von all dem seht. Ihr werdet ausgebeutet bei der Arbeit, bei der ihr Aufgaben ausführt, deren Sinn euch entgeht, ohne die mindeste Befriedigung. Ihr produziert schädliche Dinge, giftige Lebensmittel, Kriegsinstrumente, unnütze Waren. Ihr überwacht eure Mitmenschen, haltet sie an der Leine der Ämter, der Papiere, der Zuschüsse. Ihr werdet in jedem Moment eures Lebens kontrolliert, im Auge von tausend Kameras und betäubt von tausend Drogen und Ablenkungen. Ihr werdet bis zu eurem Innersten entwürdigt, denn ihr lebt mit, für und dank den technologischen Appraten, die euch beherrschen. Ihr erstrebt nichts mehr, dass nicht bereits für euch vorformatiert wurde, ihr begehrt nichts mehr, dass ihr nicht bereits über die Bildschirme flimmern saht. Am Ende des Tages gehorcht ihr nur.

Und dennoch seid ihr alle es, an die wir diese Worte richten. Denn auch wir erkennen uns in diesem düsteren Bild wieder. Es braucht Mut, den Dingen in die Augen zu schauen und sich selbst im Spiegel zu betrachten. Was ist aus uns geworden?

Die Feinde der Freiheit sind stark. Der Staat verfügt über mächtige Mittel des Zwangs und der Kontrolle (von der Polizei zur Armee, vom Gefängnis zur Schule, vom Amt zum Gericht). Die Kapitalisten hören nicht auf, die Ausbeutung weiter zu perfektionieren. Die Forscher fügen unserem technologischen Käfig jeden Tag einen weiteren Gitterstab hinzu. Die Politiker, die religiösen Anführer, die Intelektuellen im Dienste der Ordnung halten die menschliche Herde fest in ihren Händen.

Aber seht ihr, nichts ist komplett verloren. Davon sind wir aus tiefstem Herzen überzeugt. Denn andere Dinge springen ebenfalls ins Auge. Gestern waren es ganze Regionen, die mit dem Schrei der Freiheit rebellierten; heute strömt eine Welle der Revolte über den Hexagon und darüber hinaus. Unkontrolliert starten die Aufständischen ihre Angriffe. Kasernen brennen. Unternehmen brennen. Baustellen von neuen Entsetzlichkeiten brennen. Institutionen brennen. Labore brennen. Funkmasten brennen. Der Zorn zeigt seine Zähne.

Nichts ist komplett verloren. In jedem Individuum verbirgt sich die mögliche Entscheidung zu rebellieren. Alleine oder mit anderen, aber stets in Konfrontation mit der Herrschaft, stets im Kampf. Es ist die Herausforderung der Freiheit, die die verletzte Würde, das niedergetrampelte Leben, der abgeflachte Traum wiederbelebt. Dies ist der Grund, weshalb die Anarchisten kämpfen, diese Feinde jeglicher Herrschaft: die Freiheit zum Leben zu erwecken, die Freiheit, die mit einem Messer zwischen den Zähnen kommt.

Anfang Februar 2019 wurde in der bergigen Schweiz ein Anarchist ins Gefängnis geworfen. Er wird beschuldigt, zur Revolte gegen die Herrschaft aufgerufen zu haben und gegen den Staat, den Militarismus und den Krieg gehandelt zu haben, insbesondere durch die Inbrandsetzung von zehn Fahrzeugen der schweizer Armee auf der Militärbasis Hinwil im Jahr 2015 sowie eines Funkmastens der Polizei 2016 in Zürich.

Dieser vom Staat als Geisel genommene anarchistische Gefährte ist einer von uns. In Solidarität mit ihm werden wir weiterhin befreiende Gedanken und destruktive Aktionen verbinden, unseren Blick stets auf den Feind gerichtet. In Solidarität mit allen anarchistischen Gefangenen werden wir weiterhin auf dem revolutionären Pfad des einzigen Krieges voranschreiten, für den es sich lohnt zu klämpfen: Der Krieg gegen alle Unterdrücker und Ausbeuter, der Krieg für die Freiheit. Lasst uns der herrlichen Rebellion der Arme und des Geistes Leben einhauchen.

Solidarität mit den anarchistischen Gefangenen

Tod dem Staat

Anarchisten aus Zürich, Franche-Comté, dem elsässer Flachland und dem vogesischen Massiv, la Meuse, Paris und Banlieue, Marseille, Brüssel, Gent, Amsterdam, Barcelona, Berlin, München, Süd-London, den westlichen Alpen, Trieste, Rom, Mailand, Pisa, Neapel, dem Salento, Sizilien, Montréal.


A2 Plakat als PDF

Plakate können über anarchistes_solidaires (at) riseup.net bestellt werden.

Das Plakat wurde ebenfalls auf englisch, spanisch und italienisch übersetzt.