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Ausschaffung ist Zwangsdeportation

Am 1. Mai sind in Basel einige Plakate aufgetaucht, welche Ausschaffungen und das Migrationsregime thematisieren. Hier kann die PDF-Datei heruntergeladen werden.

Ausschaffungs ist Zwangsdeportation

Das Migrationsregime in der Schweiz und in Europa nimmt immer mehr faschistoide Formen an: die Verwaltung der Migrant_innen in Lager und lagerähnlichen Strukturen, die Entziehung jeglicher Selbstbestimmung der Menschen, die Kategorisierung der Migrant_innen von hochqualifizierten Arbeitskräften bis zu «renitenten» Asylbewerber_innen ist Ausdruck einer menschenverachtenden Politik. Das Leben der Menschen wird bis ins kleinste Detail verwaltet und kontrolliert. Mit verschiedenen Mechanismen wird zwischen erwünschten und nicht-erwünschten Menschen unterschieden, wobei sich alle selber zu ausbeutbaren, anpassungsfähigen und verwertbaren Elementen dieser Gesellschaft disziplinieren sollen. Für die Unerwünschten und Nicht-Anpassungsfähigen bleibt die Möglichkeit der Einsperrung und der Ausschaffung. Das stärkste und repressivste Zeichen dieses Regimes sind der Ausschaffungsknast und die Zwangsausschaffungen, die den Gipfel der Migrationsverwaltung darstellen.

Ausschaffung ist ZwangsdeportationDas letzte Abstimmungsergebnis zur Masseinwanderungsinitiative ist nur ein weiterer Ausdruck der rassistischen Politik der Schweiz und Europas. Diese Politik bewegt sich im Rahmen der bürgerlich-kapitalistischen Logik und ist notwendig für die Erhaltung einer Gesellschaftsordnung, die auf Ausbeutung und Ausgrenzung basiert. Erfassung, Kontrolle und Verwaltung von Migration und Bewegung sind in dieser Ordnung auf allen Ebenen unentbehrlich. Davon sind wir alle betroffen, auch wenn in unterschiedlichem Ausmass und mit unterschiedlichen Konsequenzen. Das Recht sich frei zu bewegen und niederzulassen gilt nur solange es im Interesse des Kapitals und der Erhaltung bestehender Machtverhältnisse geschieht, anderenfalls wird man deportiert, verdrängt oder eingesperrt. Der Staat bestimmt wer sich innerhalb seines Territoriums wo und wie lange aufzuhalten hat. Diese Logik spiegelt sich auch auf lokaler Ebene in Prozessen der städtischen Aufwertung und Verdrängung wider.

Auch hier in Basel, neben dem Naherholungsgebiet Langen Erle, steht der Ausschaffungsknast, das Bässlergut. Für einen Teil der Bevölkerung soll dieses Symbol des Migrationsregimes unsichtbar bleiben, indem Ausschaffungsknäste an abgelegenen Orten gebaut und Ausschaffungen mit möglichst viel Diskretion durchgeführt werden. Für viele Migrant_innen hingegen soll dieser Bereich möglichst sichtbar sein: das Ausschaffungsgefängnis – in Basel direkt neben dem Empfangszentrum – als mächtiges Symbol der staatlichen Willkür, soll immer präsent sein zur Disziplinierung und Abschreckung. Es führt den Menschen die ständige Möglichkeit des Freiheitsentzuges und der Deportation vor Augen. Im Ausschaffungsgefängnis werden Menschen eingesperrt, weil sie schlicht die «falsche Herkunft» haben oder weil sie sich gegen Fremdbestimmung und Disziplinierung wehren. Viele werden von dort aus gegen ihren Willen, oft unter Einsatz von Gewalt, in ihre Herkunftsländer ausgeschafft.

Liberty for O.!

von libertyforo.tumblr.com:

O. ist aus Nigeria und hat in den letzten drei Jahren in der Schweiz gelebt, wo er auch beim Bleiberechtkollektiv aktiv war. Aufgewachsen ist er in einem kleinen Dorf im südlichen, christlich geprägten Nigeria. Als Kenner von Heilpflanzen war O. integrierter Bestandteil der dörflichen Gemeinschaft und von den Leuten respektiert. Nach dem «coming out» wurden er und sein Freund jedoch zunehmend unter Druck gesetzt, die erfahrene Feindseligkeit wurde immer gewalttätiger. Eines Nachts brachen BewohnerInnen des Dorfes in sein Haus ein. Die Messerschnitte sind heute noch auf seinem Rücken erkennbar. Die Hetze gegen ihn wird von seinem eigenen Vater angeführt, dem lokalen Pfarrer. O. und sein Freund konnten zuerst in die Hauptstadt Lagos fliehen, mussten dort untertauchen und ihre Homosexualität verstecken. Sie lebten vier Jahre in Lagos, bis Os angehörige herausfanden, wo sie sich aufhielten, so dass sie erneut fliehen mussten. Ihr Weg führte über Spanien in die Schweiz.
Nigeria verbietet Homosexualität
In Nigeria ist Homophobie in der Bevölkerung an der Tagesordnung. Ende Mai 2013 verabschiedeten Regierung und Parlament ein Gesetz, welches künftig Homosexuelle bis zu 14 Jahren hinter Gitter bringen kann, wenn sie ihre Zuneigung öffentlich zeigen. Damit wird es für Schwule und Lesben in Nigeria beinahe unmöglich, ein «normales» Leben zu führen. Auch wird die solidarische Unterstützung von Homosexualität massiv kriminalisiert. Die Beteiligung an einer gleichgeschlechtlichen Eheschliessung wird mit einer Haft von zehn Jahren bestraft. Was auf der juristischen Ebene nun neu verankert wurde, wird praktisch schon lange umgesetzt. An- und Übergriffe auf Homosexuelle gehören zum Alltag. In gewissen Gebieten des Landes sind auch Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe angewendet wurde. Gewalttätige Handlungen gegen Homosexuelle werden gesellschaftlich und juristisch toleriert.
Ein «normales» Leben können Homosexuelle in Nigeria nur dann führen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit als «geheilt» präsentieren. Der erste Asylantrag von O. und seinem Freund wurde schon nach einem Monat abgelehnt. In der Folge wurde der Freund ausgeschafft. Bei seiner Ankunft musste er sich exorzistischen Ritualen unterziehen, u.a. wurde er nackt auf einem Anhänger durch das Dorf gefahren. Er wurde zudem gezwungen zuzugeben, er sei nun von Homosexualität «geheilt». O. bleibt im Dorf der Hauptschuldige, da er seinen Freund «verführt» haben soll. Gerade im christlichen Süden sind seit Anfang 2014 vermehrt Menschen wegen Verdachts auf Homosexualität verhaftet worden.
Homophobe Schweizer Asylpolitik
Auch der Rekurs von O. wurde abgelehnt. Das Bundesamt für Migration (BFM) argumentiert, in Lagos könne er seine Homosexualität verstecken und ohne Gefahr der Verfolgung ein «normales» Leben führen, obwohl im November 2013 der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ausführte, dass die sexuelle Orientierung ein für die Identität bedeutendes Merkmal ist und daher von Asylsuchenden nicht erwartet werden kann, die Homosexualität im Herkunftsland geheim zu halten oder sich zurückzuhalten, um eine Verfolgung zu vermeiden. Damit anerkennt die Schweiz die Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung faktisch und entgegen der Weisung des EuGH nicht als Asylgrund.
O. wurde am letzten Samstag, den 22. März, bei einer Polizeikontrolle um 1 Uhr nachts festgenommen. Er wurde wegen „illegalem Aufenthalt“ zu mindestens 30 Tagen verurteilt. Nach Absitzen dieses Urteils droht ihm die Ausschaffung nach Nigeria – und somit erneut Verfolgung und gar der Tod.
O. ist weder der erste, noch der letzte Fall eines abgelehnten Asylgesuches aufgrund von Homosexualität. Die schweizerischen Behörden zeigen zwar mit dem Finger auf die menschenrechtswidrige Situation in Ländern wie Nigeria, doch durch die asylpolitischen Praxis – also der Ausschaffung von Homosexuellen – wird ihre Verfolgung mitgetragen.

FREIHEIT UND PAPIERE FÜR O!
FÜR DIE ANERKENNUNG VON HOMOSEXUALITÄT ALS ASYLGRUND!
BLEIBERECHT FÜR ALLE – SOFORT!

Sonderflüge: Auftrag an umstrittene Firma

aus der woz:

Seit letzter Woche ist bekannt, wer das Mandat für die medizinische Betreuung von sogenannten Sonderflügen übernimmt, bei denen Zwangsmittel bis zur Ganzkörperfesselung zum Einsatz kommen: Das Bundesamt für Migration (BFM) hat sich für die Oseara AG entschieden. Die Zürcher Firma nimmt den Auftrag ab April für voraussichtlich fünf Jahre wahr und erhält dafür mehr als 2,2 Millionen Franken. Vier weitere Anbieter, die das BFM geheim hält, gingen leer aus.

Die medizinische Verantwortung obliegt damit ausgerechnet jener Firma, die das Mandat zuletzt während einer zweijährigen Pilotphase bereits wahrgenommen hat und dafür massiv kritisiert worden ist. So hat die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), die für das Vollzugsmonitoring von Sonderflügen verantwortlich ist, im Juli 2013 schwere Vorwürfe gegen Oseara gerichtet: In vier Fällen hat das medizinische Personal zwangsweise Beruhigungsmittel eingesetzt, darunter auch Ketamin, das «wegen seines ungünstigen Nebenwirkungsprofils aus medizinischer Sicht ungeeignet ist». Insgesamt sei die Zusammenarbeit schwierig und nicht zufriedenstellend gewesen.

Das BFM begründet seinen Entscheid gegenüber der WOZ damit, dass das Angebot der Oseara AG «wirtschaftlich und fachlich» am besten war. Den NKVF-Bericht kenne man, «die offenen Fragen und Empfehlungen werden wir aufnehmen und mit unseren Partnern Lösungen erarbeiten». Tatsächlich scheint sich mittlerweile einiges gebessert zu haben, wie NKVF-Geschäftsleiterin Sandra Imhof bestätigt: «Wir begrüssen den Entscheid. Oseara hat sich in den letzten Monaten professionalisiert und zufriedenstellende Strukturen geschaffen.»

Diese Entwicklung ändert nichts an der grundsätzlichen Kritik an Sonderflügen. Michel Romanens, Präsident des Vereins Ethik und Medizin, hält fest: «Ärzte tragen hier die medizinische Verantwortung für eine Prozedur, die nicht vereinbar ist mit den ethischen Grundprinzipien, die der Weltärztebund und die Standesordnung der Schweizer Ärzte vorgeben. Ausschaffungen mit Ganzkörperfesselung sind eine Form der Folter und gehören abgeschafft.» Dem entgegnet das BFM: «Wir führen Sonderflüge durch, um die Glaubwürdigkeit der Asylpolitik zu erhalten.»