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Ein Versprechen namens Freiheit !

gefunden auf freedomforthomas

Vor wenigen Wochen erklärte die deutsche Bundeskanzlerin Merkel, Deutschland sei ein freundliches Land, das Menschen willkommen heiße, welche vor Kriegen und politischer Verfolgung flüchteten. Kaum ausgesprochen, reagiert die ganz große Koalition aus CDU, SPD und – wie sollte es anders sein – den Grünen, angesichts des Umstandes, dass viele tausende Menschen dieses Kanzlerinnenwort für bare Münze nahmen und kamen, mit einem Gesetzes- und Maßnahmenpaket, welches die wohl schärfste Einschränkung elementarster Menschenrechte für Flüchtlinge seit dem Jahr 1993,- seinerseits wurde faktisch das Asylrecht in der BRD abgeschafft – , darstellt.

Was meint Freiheit ?

In einer idealtypischen Vorstellung ist dort Freiheit existent, wo unser Leben keiner Rechtfertigung durch Erfolg oder irgend etwas sonst benötigt, dort wo der Mensch keiner Macht außerhalb seiner selbst unterworfen ist. Einerseits sprechen wir also von der ‘Freiheit von’ etwas; andererseits ist die ‘Freiheit zu’ etwas fast schon wichtiger. Die Freiheit zu leben, in Beziehung zu und mit anderen Menschen, ohne manipuliert zu werden, ohne einen unterdrückerischen Apparat fürchten zu müssen, spontan, glücklich; sicherlich nicht immer, das Leben wird niemals ein Ponyhof sein, aber zu einer positiven Freiheit ist der Mensch geboren und sucht sie ein Leben lang.

Die Freiheit ist das Verbrechen!

Jetzt wo hunderttausende Menschen nach Europa wollen, aus nacktem Überlebensantrieb, aus Furcht vor Verfolgung, Folterungen, Diskriminierungen, wirtschaftlich völlig desolaten Lebensbedingungen, erweist sich jene ‘Freiheit’ von der die etablierten PolitikerInnen Europas, zu förderst Deutschlands zu sprechen pflegen, als ‘ das Verbrechen, das alle Verbrechen enthält’ (‘Ein Verbrechen namens Freiheit’, OS Cangaceiros).

Die die kommen um hier Freiheit zu finden, sie sollen nach dem Willen von CDU/SPD/GRÜNEN wahlweise als möglichst günstige Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt herhalten ( und damit soll und wird auch Druck auf die übrigen ArbeiterInnen ausgeübt Lohnverzicht zu üben), oder möglichst rasch wieder aus dem Land geworfen werden. Die Parteien nutzen die Gunst der Stunde, längst gefasste Pläne zur noch repressiveren Ausgestaltung des Ausländer- und Flüchtlingsrechte in Eilverfahren durch zu peitschen.

Flüchtlinge die aus anderen EU-Staaten kommend hier einreisen, sie sollen künftig nur noch Verpflegung und ein Rückreiseticket ( in das EU-Land aus welchem die Einreise erfolgte ) erhalten. Keinerlei sonstige Unterstützung: Kein Platz zum Schlafen, keine ärztliche Versorgung, kein reguläres Asylverfahren.

Mal wieder erweisen sich die GRÜNEN als Vollstrecker, wenn – vielleicht – auch nicht als die eigentlichen Initiatoren dieser Entwicklung; angesichts deren Regierungsbeteiligung in neun Bundesländern, kann nur mit ihrer Zustimmung , die sie längst signalisiert haben, die Verschärfung Gesetz werden.

Europa – ein großes Gefängnis

An den EU-Außengrenzen werden Zäune installiert, im Mittelmeer sind Kriegsschiffe im Einsatz – noch lassen die Regierungen nicht scharf auf die Flüchtlinge schießen, aber es wird der Boden geschaffen und bereitet für – man kann es nicht anders sagen – Gemetzel in den Grenzregionen. In Ansätzen zeigte die ungarische Maschinerie in den vergangenen Tagen schon, was künftig zu erwarten sein wird. Menschelnd biedern sich SPD-Gabriel und CDU-Merkel bei und mit BILD ( ‘Wir helfen’ ) an, zeigen ihre scheinbar menschlich-herzliche Seite,während sie doch zur selben Zeit an der Umsetzung der Pläne für ein Grenzregime arbeiten,welches verblüffend an die ehemalige DDR-Grenze erinnert, nur dass es jetzt darum gehen soll, jeden zu ‘neutralisieren’ der einreisen möchte.

Alles ist möglich!

Wer heutzutage revolutionäre Ansprüche erhebt, gilt rasch als Träumer, als jemand der die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat; ich bin überzeugt: das Gegenteil ist richtig. Die globalen Krisenherde verschieben sich, die (westlichen) Regierungen rüsten auf und grenzen sich ab. Warum sollten sie das tun, wenn sie nicht revolutionäre Strömungen am Horizont erkennen würden!?
Die tagtäglich zu tausenden eintreffenden Flüchtlinge geben bildhaft Zeugnis von den Schrecken dieser Welt, fernab unser durch relativen Wohlstand verweichlichten Konsumgesellschaft, in der die Wahl des ‘Coffe-to-go’ (mit/ohne Zucker/Süßstoff und so weiter) vielen wichtiger erscheint, als das Sterben auf dem Mittelmeer.
So kommt es zu einer existenziellen Erschütterung der vertrauten Welt, denn plötzlich ist es nicht mehr die ‘Tagesschau’ um 20 Uhr, die uns Bilder von Verfolgten in die Wohnstuben sendet, sondern es reicht ein Gang vor die eigene Haustüre.

So ist es an uns, jenen, die hinter der starren Maske des scheinbar mitfühlenden Lächelns, und der geheuchelten Empathie für die verfolgten dieser Erde, daran arbeiten in den Krieg zu ziehen gegen eben jene Verfolgten, etwas entgegen zu setzen. Aber nicht als bloße Reaktion, sondern als gesellschaftliche Alternative; denn eine Bewegung die sich lediglich in Reaktionen verliert, stabilisiert das System, anstatt es zu überwinden.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abt.)
Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg

Solidarität bedeutet die Grenzen zu bekämpfen

übersetzt von Calais Migrant Solidarity

calais motorway demo

Inmitten des Geredes über die „humanitäre Krise“ an den europäischen Grenzen: Das Problem ist nicht der Mangel an Bettdecken, sondern die Existenz des Grenzregimes und das ihm zugrundeliegende System von Staat und Kapital. Solidarität heisst Angriff.

In den letzten Wochen sind sich tausende Menschen dem Elend bewusst geworden, das von den Grenzen verursacht wird. Nehmen wir diese Energie mit und wachsen zu einer Bewegung von Solidarität und Rebellion heran. Reissen wir die Mauern ein.

Wir glauben an Solidarität und nicht an Wohltätigkeit. Wohltätigkeit ist eine ungleiche Beziehung. Eine Person als aktive_n Geber_in, die Andere ein_e passive Nutzniesser_in. In Calais hält die Wohltätigkeit die Teilung zwischen starken, aktiven, hauptsächlich weissen Europäer_innen mit Ausweisen und schwachen, passiven, afrikanischen und asiatischen Opfern ohne Papiere am Leben. Auch wenn alles gut gemeint ist, hilft dies lediglich, die tiefen Ungleichheiten dieser Welt aus Staaten, Grenzen, Kolonialismus und kapitalistischer Ausbeutung zu zementieren.

Solidarität strebt ein gleichweriges Verhältnis an. Wir kämpfen nebeneinander. Wie es das bekannte Zitat sagt, weil „deine Befreiung an meine gebunden ist“. Die Grenzen treffen einige Menschen sicherlich viel härter als andere. Aber sie sind eine Beleidigung an uns alle und ein Teil eines Systems, das uns alle angreifft.

Das Problem in Calais wird nicht mit einer Million Bettdecken gelöst. Die Gewalt und die Misere hier ist ein direktes Resultat der Grenze. Solange der französische und britische Staat an der Nutzung von Zäunen mit Stacheldraht, Bullen, Gummiknüppel, Tränengas, Medienhass und anderen Waffen festhalten, die die Menschen von der Grenzüberquerung abhalten sollen, solange wird Leid vorhanden sein. Der einzige Weg, um dieses Problem anzugehen, ist sich gegen die Grenze aufzulehnen.

Aktionen gegen die Grenze können verschiedene Formen annehmen. Jede Person, die die Grenze überquert, untergrabt diese. Jedes Loch in den Zäunen, untergrabt die Grenze. Sich zusammen gegen Polizeigewalt zu verteidigen, hilft, die Grenze zu untergraben. Informationen und Ideen zu teilen, hilft, die Grenze zu untergraben. Rassistische Medienpropaganda herauszufordern und unsere eigenen Visionen von Solidarität und Rebellion zu verbreiten, hilft, die Grenze zu untergraben.

Die Grenze ist nicht alleine hier in Calais. Die Grenzen ziehen sich durch ganz Europa, und dies nicht nur an den Grenzübergängen, sondern bei allen Razzien, Strassensperren, Inhaftierungszentren, Aufnahmezentren, Passkontrollen bei der Arbeit oder beim Vermieter, rassistischen Übergriffen etc.. Viele Menschen fragen uns: Was können wir machen? Unsere Antwort: Bekämpf die Grenze, wo auch immer du dich befindest. Finde heraus, wo die Grenzkontrollen und Spannungspunkte in deiner Umgebung sind. Greiff ein. Hilf mit, eine Kultur der Solidarität zu schaffen, eine Welt in der Grenzen unannehmbar sind. Eine Welt, in der niemand aufgrund seiner Hautfarbe, zufälligem Geburtsland oder dem Stück Papier in der Taschen angegriffen oder blockiert wird.

Wir ermutigen alle Individuen und Gruppen die Grenze auf ihre eigene Weise anzugehen. Wir sind auch interessiert daran, ein Teil einer grösseren Koordinierung zu sein, um Massenaktionen und Demos gegen die Grenze mit Menschen aus dem Königreich und Frankreich und ganz Europa zu organisieren. Kontaktiert uns mti Vorschlägen. Und haltet euch bereit für Ankündigungen.

Gegen die Staaten und ihre Grenzen: Revolution!

übersetzt von Lucioles – Bulletin anarchiste de Paris et sa région

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Der Massenmord im Mittelmeer geht weiter. Hunderte Personen sterben beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, um der Misere, der Verfolgung, oftmals dem Tod zu entkommen (seit 2000 starben bereits 22’000 Menschen, alleine in diesem Sommer über 1’000). Hier finden sie die Misere, die Verfolgung, manchmal den Tod, wie diejenigen, welche in Calais zu tausenden zusammengedrängt, von den Bullen verprügelt werden und manchmal beim Versuch, die Grenze zu überqueren, umkommen (bereits 11 Tote seit Juni). In Paris, Durchreisepunkt für die, die versuchen nach England oder Nordeuropa zu kommen, wo viele nicht wissen, wohin sie gehen sollen, macht der ganze staatliche Apparat seine dreckige Arbeit, seine normale Arbeit, um die papierlosen Flüchtlinge zu jagen, um alle Armen (mit oder ohne Papiere) möglichst effizient und rentabel auszubeuten, um uns alle auf unseren Plätzen zu halten, arbeitswillig und gehorsam.

So hat die Verwaltung von Paris am Ende dieses Frühlings die Räumung eines notfallmässig eingerichteten Camps bei La Chapelle, in dem mehrere Hundert Sans-Papiers unterkamen, angeordnet. Die linke Regierung hat natürlich alle ihre demokratischen Karten gespielt. Als erstes die Karte der Wohltätigkeit: Einige Hotelzimmer für ein paar Tage (danach zurück auf die Strasse), um sich vor einer öffentlichen Meinung, welche nur auf diese Art von Rechtfertigung wartet, zu entlasten. Emmaüs (a.d.Ü. Nichtregierungsorganisation zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit und Armut, betreibt u.a. Zentren für Asylsuchende) und France terre d’asile (a.d.Ü. Verein zur Unterstützung von Asylsuchenden, betreibt haupsächlich Unterkünfte für sie) wissen ihr (rentables) Spiel zu spielen, indem sie sich einem Teil der Menschen annehmen. Die Verwaltung der Misere ist ihre Angelegenheit, hat aber nichts mit dem Kampf für die Beendigung der Misere zu tun. Für all jene, welche auf der Strasse geblieben sind und durch Besetzungen von verschiedenen Gebäuden eine kollektive Lösung gesucht haben, ist die ganze Clique der linken Parteien zur Stelle: PC, Grüne und NPA (a.d.Ü. Nouveau Parti Anticapitaliste). Sie kamen um ihre billige Werbetrommel zu schwingen und ihre immergleiche linke Arbeit zu verrichten; die Pille versüssen, Versprechungen machen, die Wut stillen, die Resignation verbreiten.

Die ausgeklügelste Karte jedoch, die der Staat (in seinen verschiedenen Komponenten) in dieser Angelegenheit gezogen hat, war die der Teilung und Rekuperation, die Karte des politischen Asyls. Viele unter denen, die in der Obdachlosensiedlung von La Chapelle überlebten, hätten aufgrund der Ankunft aus Ländern im Kriegszustand das Recht auf Asyl gehabt. Dieses „Recht“ ist allerdings alles andere als garantiert, sondern gleicht mehr einer Lotterie, welches mit der Ruhe der Anfragenden bezahlt wird. Dieser Lerchenspiegel dient vor allem dazu, die artigen Flüchtlinge mit dem Recht auf Asyl von den bösen Sans-Papiers, welche man in Abschiebehaft steckt, sie knebelt und dann in ein Flugzeug ladet, zu trennen.

Es ist durchaus verständlich, dass die Menschen, von der Erpressung des täglichen Überlebens unterworfen, angesichts der Androhung, in den Horror, von dem sie geflohen sind, zurückgeschickt zu werden, an der Hoffnung auf Asyl festhalten. Man sollte jedoch ein klares Verständnis wahren, dass auch wenn dies eine partielle Lösung für einige Individuen ist, die staatliche Anti-Immigrations-Politik nur verschärft. Und leider funktioniert das. Alleine die Tatsache, dass die Personen, welche die Sans-Papiers unterstützen, sie alle als „Flüchtlinge“ bezeichnen und ihre „Rechte“ fordern, ist ein Zeichen für die Anerkennung der vom Staat gegebenen „Rechte“. Rechte, die mit Pflichten und dem Ausschluss der grossen Mehrheit bezahlt werden, die nicht die gleichen Rechte haben. Die Macht verteilt einige Brotkrümel, um den Geist einiger zu beruhigen und abzulenken, währenddessen sie weiterhin ungehemmt einsperrt und abschiebt.

Wenn man anschaut, was zwischen La Chapelle, le Jardin d’Ecole, la rue Pajol und momentan beim Gymnasium bei der rue Jean-Quarré (besetzt von Sans-Papiers und ihren Unterstützern) passiert, wenn man die täglichen Razzien in den Strassen sieht, stellt sich die Frage: Was können wir machen, was kann ich machen, um diese Jagd auf Menschen zu verhindern? Viele „normale Menschen“ fühlten sich durch die Ereignisse betroffen und brachten Nahrung, Kleidung, Ausrüstung und andere Dinge, die der Besetzung selbst oder ihrem Betrieb praktisch sehr hilfreich waren. Das ganze ist menschlich sehr lobenswert, ist aber weder die Lösung für das Problem der Jagd auf Sans-Papiers, noch auf das Problem des Staates (von dem das erste Problem ein Teil ist).

Der Staat tötet an seinen Grenzen wie in seinem Innern, durch die Hand seiner Polizisten, in seinen Knästen… Diese auf Autorität und Geld aufgebaute Gesellschaft tötet an den Arbeitsplätzen, in den Häusern und ganz leise und unbemerkt durch die Misere, die Verwahrlosung, die Atomisierung. Die einzig wirkliche Lösung ist die Wurzel des Problems anzugehen, den Staat und jegliche Autorität anzugreifen, hier und jetzt, und die falschen Lösungen zurückzuweisen, welche den Zugriff auf unsere Leben nur weiter verstärken.

Vor einigen Jahren, sogar hier in Paris, hat der Widerstand gegen die Einsperrung und Abschiebung von Personen, die nicht die richtigen Papiere besitzen, Formen von Sabotage gegen Unternehmen angenommen, welche diese Maschine zur Abschiebung von Unerwünschten möglich machen. Baufirmen von CRA (a.d.Ü. Centre de Retention Administrative), Banken, die die Sans-Papiers verpfeifen, Zeitarbeitsfirmen, welche sie ausbeuten (welche uns alle ausbeuten), SNCF und AIR France, welche die Abschiebungen organisieren, die Vereine, welche die Camps mitverwalten, alle wurden angegriffen und verloren so ein Teil ihres Geldes, mit welchem sie sonst am Abschiebegeschäft teilnehmen. Diese Beispiele bleiben gültig und aktuell und öffnen ein Feld des Angriffs auf alle Aspekte dieser morbiden Welt. Weshalb diese Möglichkeiten nicht von neuem erkunden?

Sogar in dieser allgemeinen Resignation, wenn das Betteln um Rechte wie ein Kampf scheinen mag, können kleine Beispiele das Herz erwärmen. Anfang Juni, rue Pajol, Sans-Papiers und ihre Unterstützer_innen organisieren eine Versammlung; eine grosse Anzahl Bullen ist präsent und kesselt sie ein. Einige Jugendliche, bewegt durch eine gesunde Wut auf die Polizei, nehmen ein paar Eisenstangen hervor und gehen auf die Blauen los. Ja, die Revolte ist immer möglich!

Wie es ein staatsfeindliches Tag, welches im Quartier de la Place des Fêtes die Eröffnung einer Besetzung an der rue Jean-Quarré begleitet hat, sagt: „Gegen die Staaten und ihre Grenzen: Revolution!“

Wenn das Rote Kreuz ins Schlachtfeld zieht – und in Jenfeld Zelte baut.

gefunden auf linksunten

Flyer Wenn das Rote Kreuz ins Schlachtfeld zieht

Im Anbetracht aktueller Ereignisse in Hamburg-Jenfeld, wo das Deutsche Rote Kreuz ein Zeltlager für Geflüchtete errichten soll und rassistische Anwohner versuchen, die Unterbringung Geflüchteter in Jenfeld zu verhindern, hier ein Beitrag zur Rolle des Roten Kreuzes in der rassistischen Verwaltung des Systems von Grenzen, Lagern und Papieren. Ein Beitrag zur Schärfung unserer Feindschaft gegenüber der Welt der Papiere und zur Diskussion zur Solidarität mit Geflüchteten.

Dem rassistischen Mob und der Welt der Papiere entgegen – denn die Feinde der Freiheit sind die unseren.

Als wir noch klein waren, hat man uns immer gelehrt, dass das Rote Kreuz und seine Schwesterorganisationen zu jenen Institutionen gehören, die ein grosses Herz haben. Auch wenn sie im Grunde nichts am Funktionieren dieser durch Ausbeutung, Krieg, Elend und Unterdrückung beherrschten Welt verändern, so versuchen sie zumindest die Verletzten zu pflegen und ihre Schmerzen zu lindern, wie sie in ihrer zutiefst religiösen Sprache sagen.

Doch eine neutrale Hilfeleistung kann es nicht geben, und im Falle des Roten Kreuzes ist dies unschwer zu erkennen…
Während jedes Jahr millionen von Menschen vor Hunger, Katastrophen, Krieg und Unterdrückung fliehen, in der Hoffnung irgendwoanders ein besseres Leben aufbauen zu können, warten hier in Europa Rassismus, Razzien, grenzenlose Ausbeutung und, letzten Endes, Internierungszentren und Ausschaffungen auf sie. Wenn Flüchtlinge in Europa ankommen, werden sie oft erstmal in sogenannte “offene Asylzentren“ gepfercht (mehrere dutzend dieser Zentren werden ausschliesslich vom Roten Kreuz verwaltet). Diese sind genau wie die Internierungszentren, mit Stacheldraht umzäunt und auch hier kommen jeden Abend die Wächter, um die Türen abzuschliessen. Man lehrt hier die Asylsuchenden den Gesetzen des Kapitalismus und seiner Demokratie zu gehorchen (z.B. werden die vom Roten Kreuz eingesammelten Kleider an die “Bewohner“ verkauft, welche mit sanfter Hand gezwungen werden entweder im Zentrum, oder für die lokale Gemeinde praktisch unbezahlte Arbeit zu verrichten – sie sollen an das Schicksal der Ausbeutung gewöhnt werden, das auch hier auf sie wartet). Diese Zentren haben ausserdem den Zweck die Asylsuchenden im Griff zu halten und sie Abhängig zu machen, damit sie sich nicht in ein selbstständiges Leben ausserhalb des abgeschlossenen Bereiches wagen. Unter dem Vorwand von humanitärer Fürsorge organisiert der Staat also eine permanente Kontrolle über all diese Unerwünschten. Wird das Asylgesuch abgelehnt, kommt die Polizei in diese neutralen und offenen Zentren, um die zurückgewiesenen Flüchtlinge zu verhaften und in das Elend oder den Tod auszuschaffen. Das Rote Kreuz kann schlussendlich nie eine neutrale Hilfeleistung anbieten, seine Aktivitäten sind ein integraler Bestandteil der Politik zur Verwaltung und Kontrolle der Migration.

Das Rote Kreuz unterhält ausserdem enge Verbindungen zur Internationalen Organisation für Migration (IOM), eine Institution, die versucht die Migrationsströme den Bedürfnissen des Kapitalismus und der sozialen Kontrolle anzupassen. Dieselbe Institution bedient sich der Hilfe verschiedenster humanitärer Organistionen und NGOs, um ihre Erpressung mit “RückkehrpraÅNmien“ durchzuführen. Den Flüchtlingen wird, nachdem sie von diesem System jeglicher Perspektive beraubt wurden, eine ärmliche Entschädigung angeboten, falls sie freiwillig in ihr Herkunftsland zurückkehren. Es ist ganz simpel: Zuerst raubt man ihnen jegliche Zunkunft, dann schliesst man sie in “Auffangzentren“ ein und macht klar, dass sie auch hier nur die Armut erwarten wird, und schliesslich erpresst man sie mit einigen hundert Euros, damit sie die Gründe vergessen, wegen denen sie geflüchtet sind… In anderen europäischen Ländern, wie in Italien und Spanien, ist das Internationale Rote Kreuz direkter Verwalter jener Ausschaffungsknäste, in welche die Flüchtlinge nach dem Gerichtsverfahren eingesperrt werden. Internierungszentren mit ihren Wächtern, ihren Isolationszellen, ihrer Prügel, ihren Missständen und schlicht dem Entziehen der Freiheit. Hier zeigt sich das Rote Kreuz erneut ganz klar als das, was es wirklich ist:

Der humanitäre Flügel der Herrschaft.
In Belgien sind es die Sanitäter des Roten Kreuzes, die nach den Aufständen in den Zentren die Verwundeten versorgen und mit Beruhigungsmitteln vollstopfen, ohne die geringste Kritik von sich hören zu lassen. In Roissy (Paris), verwaltet das Rote Kreuz zusammen mit der Polizei die Wartezone für die Sans-Papiers, die am Flughafen ankommen. Ausserdem dienen sie zur Rückendeckung bei Methoden der Grenzpolizei (Handschellen, Schläge, Knebel, Drogen) bei gewaltsamen Ausschaffungen per Flugzeug.

Während einer riesigen Razzia am 17. August 2006 wurden 508 Afrikaner und Osteuropäer aus einem Haus in Cachan (Frankreich) vertrieben, das sie seit 2003 besetzt hielten. Jeder Bus der Präfektur der die Geräumten wegtransportierte, um sie in immer ferneren Vororten wieder auszusetzen, wurde ausserhalb von blau Uniformierten eskortiert und innerhalb von zwei Mitgliedern des Roten Kreuzes begleitet.
Vom September 1999 bis 2002 trugen diese Handlanger des Staates die Verantwortung über die Verwaltung des Hangars bei Sangatte in der Nähe von Calais. Dort isolierten sie ca. 1800 Flüchtlinge in Zusammenarbeit mir der CRS (mobile Bereitschaftspolizei von Frankreich), die das unerwünschte Lager solange überwachte, bis der Staat mit dem Bau eines Internierungszentrum gleich nebenan fertig war. Vom November 2002 an fichierten sie schliesslich alle Flüchtlinge, um die Zerschlagung des Lagers und die darauf folgende Menschenjagd vorzubereiten.

All dies, das bedeutet seine Seite zu wählen.
Doch es gibt nicht nur die Sans-Papiers, die an den Ufern von Spanien stranden oder jene, die erschöpft in irgendwelchen europäischen Flughäfen den Fuss auf die Erde setzen. Es gibt auch die millionen von Flüchtlingen im Mittleren Osten und in Afrika, die von Kriegen, Elend oder ökologischen Katastrophen umhergetrieben werden, um schliesslich in riesigen Konzentrationslagern zu landen (im engeren Sinne des Wortes: Administratives Einschliessen einer Kategorie von Menschen an einem abgegrenzten und kontrollierbaren Ort aus rassischen und kontrolltechnischen Gründen oder zum Zweck der Ausbeutung). Diese Lager wurden oft vom Roten Kreuz verwaltet, und zwar nicht bloss mit seinen Sanitätern, sondern auch mit seinen Sicherheitsbeamten. Folglich stärkt das Rote Kreuz schlicht die gegenwärtige Ordnung, die sich aus Unterdrückern und Unterdrückten zusammensetzt – und während sie letztere verpflegen, versuchen sie auch ihre Revolte zu ersticken, die Revolte, die als einziges wirklich etwas verändern kann.

Als die Armeen der Demokratie in Ex-Jugoslavien, in Afghanistan und im Irak einmarschierten, scharten sie die humanitäre Armee des Roten Kreuz hinter sich. Unter dem Vorwand vor der Politik einer ethnischen Säuberung schützen zu wollen, übernahm das Rote Kreuz die Verwaltung einer Reihe von Konzentrations- und Gefangenenlagern in Ex-Jugoslavien. Tatsächlich versuchten sie jedoch die europäische Politik zur Kontrolle der Migrationsströme in die militärischen Manöver der UNO einzuführen. Jeder weiss, dass es unmöglich ist in Zeiten des Krieges neutral zu bleiben (und nicht wenige kritische Angestellte des Roten Kreuz haben ihre Arbeit niedergelegt, weil sie diese abscheuliche Neutralität nicht länger ertragen konnten). Neutral bleiben bedeutet das Lager des Stärkeren zu wählen – auch wenn man die Schwächeren verpflegt. Heutzutage werden Kriege “humanitär“ geführt, doch welcher vernünftige Mensch könnte jemals glauben, dass irgendetwas humanitäres in den Bombardierungen, den schmerzzerrissenen Körpern, den Verletzten und den Vergewaltigungen liegt? Während es eine Neutralität vortäuscht, verstärkt das Rote Kreuz schlicht die bestehenden Machtverhältnisse. Im Irak, in Afghanistan, sowie anderswo.

Die scheinbar endlose Geschichte von Ausbeutung und Unterdrückung hatte schon immer einen Trupp von Kollaborateuren nötig, die sich freiwillig hinter einem „das wusste ich nicht“ verstecken. Die Demokratische Verwaltung des Kapitalismus und der Unterdrückung hat alles Interesse daran, das was in der Zeit der Vernichtungslager der Nazis einmal “die graue Zone der Kollaboration“ genannt wurde, so weit wie möglich auszudehnen. Sich zu weigern mit einem System zu kollaborieren, das systematische Deportationen organisiert, um die ökonomischen Profite und die Macht von einigen Menschen zu schützen, bedeutet die Möglichkeit einer wirklichen Kritik zu öffnen; einer Kritik, die sich gegen diese Welt richtet, in der wir gezwungen sind zu leben. Es bedeutet die humanitäre Hülle abzukratzen, die dieses tödliche System der Deportation, der Einkerkerung und der Ausbeutung verhüllen will!


Dieser Text wurde aus der französischen Zeitschrift “Non Fides“ (Nr. IV, Mai 2009) entnommen und übersetzt.

Quand la Croix-Rouge part en croisade…(PDF)

Ein weitere Broschüre auf französisch zur Rolle des Roten Kreuzes findet ihr hier

 

Genf: Aufmarsch vor der Securitas gegen Abschiebungen

übersetzt von renversé

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11.06.2015. Gegen die Abschiebung von Teesfaalem und allen Anderen. Wir haben uns heute vor dem Büro von Securitas versammelt, welche eine wichtige Rolle in der Ausschaffungsmaschine der Migrant_innen spielt.

Nach der Versammlung vor dem Gebäude sind wir Flugblätter verteilend durch die Strassen gezogen. Wir wurden von den Bullen belästigt, welche ihren Pfefferspray einsetzten und einen Beteiligten mitnahmen. Schande über sie.

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Hier das verteilte Flugblatt:

Tesfaalem Weldeslassie, ein Flüchtling aus Eritrea, wurde am 22. April 2015 von der Polizei in Lausanne verhaftet. Die schweizer Behörden verweigerten diesem 27-jährigen Migranten eine Aufenthalsbewilligung in diesem tollen Gebiet namens Schweiz, die Verhaftung ist also „legal“. Wie viele seiner Landsleute ist auch Tesfaalem aus Eritrea geflüchtet, um dem Diktator Issaias Afeworki zu entkommen. Er hat viel Geld bei den Schleusern verloren und immense Risiken auf sich genommen, um das Mittelmeer zu überqueren. Er dachte vielleicht ein besseres Leben in Europa zu finden. Nach einigen Monaten in der Schweiz kann man nun eine erste Bilanz aufstellen: es hat schlecht angefangen…

Den ersten Monat in Haft hat Tesfaalem im Gefängnis von Favra (Puplinge/GE) verbracht. Momentan ist er im Administrativknast von Frambois (Stigny/GE) eingesperrt und wartet auf den Ausschaffungsflug nach Italien. Am 20. Mai fand in Lausanne eine Unterstützungsdemo für Tesfaalem statt, hatte allerdings keine Auswirkung, die Autoritäten haben offenbar entschieden, ihn im Gefängnis verfaulen zu lassen. Nach unseren Informationen wurde Tesfaalem mit zwei anderen Migranten nach Frambois gebracht, welche ebenfalls von einer Ausschaffung nach Italien bedroht sind. Der eine wurde in Genf, der andere in Neuchâtel verhaftet. Die Abschiebungen nach Italien werden also trotz der letzten Entscheidung des Grossen Rates des Kantons Waadt, welche eine Einstellung der Rückschiebungen in solche Länder aus humanitären Gründen beantragt hatte, weitergeführt.

Wir demonstrieren heute, um das Unternehmen Securitas anzuprangern, welches eine wichtige Rolle in der Abschiebung von abgewiesenen Asylanträger_innen, wie Tesfaalem, spielt.

Seit August 2011 übernimmt dieses Unternehmen die Aufgaben, welche vorhin noch dem DCS (Détachement de convoyages et de surveilance) unterstellt waren. Im Rahmen dieses öffentlich-privaten Vertrags kümmert sich Securitas um die Überführung der abgewiesenen Asylanträger_innen von Frambois zum internationalen Flughafen von Genf.

Tesfaalem konnte am 07. März seine Abschiebung noch verhindern, kann allerdings jederzeit ausgeschafft werden. Auch im März konnte dank der Mobilisierung der genfer Einwohnerschaft eine Abschiebung eines Asylanträgers aus dem Tschad verhindert werden. Wer nichts wagt, gewinnt nichts, die Abschiebung von Tesfaalem muss verhindert werden.

Aufgrund des massiven Missverhältnisses der vorhandenen Kräfte demonstrieren wir heute, damit diese Abschiebungen beendet werden und Securitas ihren Betrieb einstellt.

Freiheit für Tesfaalem!
Freiheit für Alle!

SANS_RETOUR

Weitere Tote im Mittelmeer: Stop Watching, Start Fighting

übersetzt von Rabble

Eine neue Woche und eine erneute unentschuldbare Tragödie an den Grenzen. 40 Menschen sanken in ihr Grab im Wasser, als sich gerade ein Schiff zur Rettung näherte. 40 Weitere, die zu den bereits 2000 Flüchtlingen dazugezählt werden können, welche alleine in diesem Jahr ihr Leben im Mittelmeer verloren. Die Presse und die Twitter-Zuschauer drücken ihren unabwendbaren Kummer in einem sensationsgeladem Beitrag aus: „2015 auf demWeg, den Rekord von toten Migrant_innen zu brechen“.

Wir müssen nicht voraussagen, was die Handlungen der Mächtigen sein werden: Es steht ausser Frage, dass die Staaten den Spielraum noch weiter einschränken werden – die Frontexarmee fährt die Boote zurück an die Küsten, die von der EU finanzierten Internierungslager in Nordafrika breiten sich aus – so wie sich die Sprünge in der Fassade unserer liberalen Demokratie in Risse verwandeln.

In Gesprächen, welche in der Europäischen Kommission letzten Monat geführt wurden, waren sich die Politiker_innen einig, die Frontexpatrouillen in Bereiche auszudehen, welche momentan nicht zu ihren Aufgaben dazuzählen, Schmugglerboote ausfindig zu machen und zu zerstören, ein Programm zur schnellen Rückkehr von Migrant_innen in Mittelmeerländern einzuführen und die Zusammenarbeit mit den Nordafrikansichen Staaten auszubauen, um den Menschenstrom einzudämmen.

Die letzte Neuigkeit in diesem Krieg gegen Migrant_innnen ist die Ankündigung der EU, Schmugglerboote in libyschen Gewässern möglicherweise zu bombradieren.

Aber genug der Traurigkeit, genug der Frustration, genug der Forderungen nach der Wiederaufnahme von Rettungsmasnahmen. Diese ganze Empörung bedeutet nichts, solange du nicht bereit bist, die Grenzen selbst zu bekämpfen.

Weil Menschen würden ihr Leben, ihre Babys, ihre Geliebten und Brüder nicht in Papierboote setzen, von welchen sie wissen, dass sie von ihnen getötet werden können, wenn da nicht diese Grenzen wären. Wie der Staat ist auch die Grenze eine junge Instutition in der menschlichen Geschichte, welche sich mit der Ausdehnung der europäischen Kolonialmacht verfestigt hat.

Die Grenzen stellen den Grundstein dar, um ihre koloniale Ausbeute zu verteidigen, ihren geplünderten Besitz zu beschützen und müssen auf alle Arten angegriffen werden. Es wird Zeit, sein Mitgefühl hinter sich zu lassen und anzufangen, diese Apartheid zu zerstören.

Wir können mit den uns am nähesten Grenzen beginnen: die Kontrollen von Migrant_innen, Zwangsanstalten und Internierungslager in unseren Gegenden. Anzufangen die Grenze der Höflichkeit zu überqueren, die Kontrollen zu sabotieren, Ausschaffungen zu stören, Flüge blockieren oder der Widerstand in den Lagern zu unterstützen, die kooperierenden Zahnräder der Ausschaffungsmaschinerie anzugreifen.

Tascor („Begleit“-Service bei Ausschaffungen), WH Tours (Bus-Transport zum Flughafen), Mittie (Verwalter vom Campsfield, Colnbrook und Harmondsworthaufenthaltszentrum), G4S (Verwalter vom Brook House, Tinsley House Cedarszentrum), Barnardo’s (Verantwortlich für die Internierung von Familien im Cedarszentrum), Serco (Yarl’s Woodzentrum, „Begleit“-Service), GEO (Dungavel) sind nur ein paar Unternehmen, welche in diesem Geschäft involviert sind.

Darüberhinaus kann man Migrant_innen auf der Reise unterstützen, Polizeikontrollen stören, Häuser besetzen und öffnen, sichere Häuser zum Unterkommen organisieren, die Macht der Schmuggler durch Gratishilfe zur Grenzüberquerung untergraben, Warnsysteme organisieren.

Viele dieser Ideen werden bereits von informellen Gruppen und Individuen in Europa und darüber hinaus umgesetzt. Aber mit solch hohen Zäunen und solch grossen Hindernissen, sollten wir über mitfühlendes Zusehen wegkommen, und vielmehr Aktionen in Solidarität mit den Mirant_innen und Angriffe gegen die Grenzen auszuführen.

Turin/Italien: Das CIE (Centro di identificazione ed espulsione = Abschiebehaft) ist überall

sabotons la machine à expulser

übersetzt von non-fides – Base de données anarchistes

Rom, Freitag der 6. Februar. In dem Zentren steigen die Spannungen gegen die Polizei und die Betreiber. Einige Insassen entscheiden sich also aus Protest für die Verweigerung des Mittagessens. Am Nachmittag beginnt ein Gefangener sich aufgrund seiner Verärgerung über die verspätete Rückgabe seiner Telefonkarte mit einer Rasierklinge zu schneiden. Zahlreiche andere Gefangenen bringen zusätzliches Durcheinander, indem sie u.a. Matratzen anzünden. Die Bullen kommen mit Wasserwerfern zum Zentrum, um die Brände zu löschen, anschliessend durchsuchen sie die Zimmer der Insassen.

In der Zwischenzeit findet draussen ein Aufmarsch der Solidarität statt, welcher schon länger angekündigt war.

Traurige Neuigkeiten hingegen aus dem CIE von Bari (Pouilles): Ein 26 Jahre alter Gefangener stirbt. Es soll sich, soweit auf jeden Fall die Polizei, um eine natürliche Todesursache handeln.

Am Morgen vom 07. Februar machen sich in Turin einige Feinde der Grenzen auf den Weg in Richtung Innenstadt, zum Reisebüro SCN 747. Während einige Plakate auf die Schaufenster kleistern und andere Flugblätter verteilen, werden die Passanten über Lautsprecher darüber informiert, dass dieses Büro Tickets für die Ausschaffung von Sans-Papiers vom CIE Corso Brunelleschi kauft. Eine Art, um daran zu erinnern, dass die Ausschaffunsmaschinerie überall ist, und man seinen Gehilfen auf tausend Wegen begegnen kann.

Hier das verteilte Flugblatt von Turin:

Tag für Tag sieht man die Polizei und das Militär auf den Strassen auf der Suche nach Sans-Papiers, um sie schliesslich in den Abschiebeknast von Corso Brunelleschi zu bringen. Gelegentlich wird ihre Arbeit von denjenigen erschwert, die nicht mehr länger akzeptieren, für sich selbst und ihre Angehörigen, mit der permanenten Bedrohung zu leben, in einen Käfig eingesperrt oder ausgeschafft zu werden.

Die Polizei ist nur das bekannteste Gesicht der gesamten Ausschaffungsmaschinerie. Um aber zu funktionieren, braucht das CIE noch viele weitere Gehilfen in anderen Sektoren: Unternehmen, Verbände und Kooperativen. Das CIE ist übertall in der Stadt: Von denen, die Tag für Tag das Essen in die Knäste bringen zu denen, die die Wäsche reinigen, von denjenigen, welche an den Ausschaffungen beteiligt sind zu denjenigen, welche Teile der CIEs reparieren, nachdem sie von Revoltierenden zerstört wurden. Das CIE ist jedes Unternehmen, jeder Verband, jede Administration und Person, welche an der Einschliessung von Sans-Papiers beteiligt  sindund an diesen Knästen fett werden.

Seit Jahren sind die einzigen Handlungen, welche auf die konkrete Schliessung dieser Zentren abzielen, von den Gefangen selbst ausgekommen, welche weiterhin ausbrechen und weiterhin die Knäste zerstören, welche sie einsperren. Wenn sich heute die Ausschaffungsmaschinerie vor grossen Problemen wiederfindet, so ist das dank diesen Kämpfen und Revolten. Gegen die CIE’s zu kämpfen bedeutet jedoch nicht einzig vor die Mauern zu gehen, um seine Solidarität herauszuschreien; es bedeutet auch, seiner Wut Ausdruck zu verleihen, indem man mit dem Finger zeigend, diejenigen identifiziert, welche Teil dieser Maschinerie sind und auf die CIE’s einzuschlagen, vor den Mauern genauso wie im Quartier.

Das Reisebüro SNC 747 arbeitet mit der Verwaltung von Turin zusammen, indem sie die Tickets für die Ausschaffung der Sans-Papiers kauft. Während den letzten zwei Jahren hat dieses Büro 20 000 Euro mit diesen Aktivitäten verdient.

SNC VIAGGI 747
Tél. (0039) 115214395
Via Milano 13/B
Torino

Die jüngsten Entwicklungen des Schweizer Asylregimes

aus „Dissonanz – anarchistische Zeitung“

Kernpunkte der Eidgenössischen Asylpolitik

« Aufgabe des Asylverfahrens ist es, unter den neu eintreffenden Asylsuchenden jene zu
erkennen, die nach den beschriebenen Kriterien Anspruch auf Schutz haben. Viele Asylsuchende
sind weder Flüchtlinge noch Kriegsvertriebene. Aufgrund ihrer Situation gehören sie klar zur
Gruppe der Migrierenden. Sie suchen in der Schweiz einen besseren Platz zum Leben. Weil sie
wissen, dass sie kaum eine Einreise- und Arbeitsbewilligung erhalten, überqueren sie die Grenze
illegal. Für die Befragung durch die Behörden legen sich manche von ihnen eine dramatische
Verfolgungsgeschichte zu. Sie hoffen dadurch den Flüchtlingsstatus zu erlangen. Aus der Sicht
des Betroffenen ist dieses Verhalten verständlich, aus asylrechtlicher Perspektive handelt es sich
um einen Missbrauch des Asylverfahrens. Die Behörden müssen solche Gesuche möglichst
rasch abweisen und die Wegweisung konsequent vollziehen. Dadurch wird das Asylverfahren für
arbeitsuchende AusländerInnen unattraktiv. Missbräuchliche und schlecht begründete
Asylgesuche werden prioritär behandelt. Die Mehrheit der Asylgesuche wird heute innerhalb von
drei Monaten entschieden. Gesuche von Personen, die in der Schweiz straffällig werden oder
deren Verhalten zeigt, dass sie nicht gewillt sind, sich in unsere Gesellschaft einzufügen, werden
nach Möglichkeit noch rascher bearbeitet. »
(Bundesamt für Migration, BfM)

Kurzer Überblick

Die oben genannten Kernpunkte des BfM sind das Resultat einer Asylpolitik, welche sich in den
letzten acht Jahren drastisch verändert hat. Es ist offensichtlich, dass der Staat Schweiz,
Vertragspartner des Dublin-Abkommens, ins gleiche Horn bläst, wie der Rest der EU. Dieses
Abkommen, in Kraft seit 1997, zwingt Asylsuchende im jeweiligen Ankunftsland einen Asylantrag
zu stellen und sich Fingerabdrücke nehmen zu lassen (diese werden im europäischen
automatisierten System EURODAC gespeichert und sind in jedem EU-Staat abruf – und
überprüfbar). Damit soll verhindert werden, dass Asylsuchende in mehreren Staaten gleichzeitig
einen Antrag stellen und somit bessere Chancen auf einen positiven Entscheid hätten. Aus
geographischen Gründen tragen Spanien, Italien und Griechenland die grösste Verantwortung
für Asylanträge und sind prioritäre Ziele für “Rückführungen” von Asylsuchenden. Sind keine
Fingerabdrücke vorhanden, hat die Schweiz mit mehreren Drittstaaten (Nicht-EU-Staaten)
bilaterale Abkommen geschlossen, die “Rückführungen” in diese Länder erleichtern.
Grundsätzlich werden in der Schweiz Asylsuchende aufgrund ihrer Herkunft und der dort
herrschenden Problematik kategorisiert und selektiert. Die verantwortlichen Institutionen der
Asylpolitik, u.a. das BfM, erarbeiten Problem-Analysen der jeweiligen Länder und stufen diese
dann ein; als gefährlich und darum die Asylsuchenden als schutzbedürftig, oder eben als
ungefährlich und deshalb Asylgesuche abzuweisen (in den meisten Fällen gilt zweiteres). Diese
Analysen und Einstufungen stützen sich immer auf nationale, sowie internationale Berichte und
Statistiken von Organisationen und Institutionen, die im “besten” Fall eine Reformierung der
dortigen Ausbeutung und Unterdrückung fordern. Es genügt eine einzige Person, die in einem “ungefährlichen” Land verfolgt wird, um all die tausend Berichte und Einschätzungen über Bord zu schmeissen. Die Folgen dieser Einstufungen sind “Ab- und Wegweisungen”, anders gesagt, die Asylsuchenden erhalten einen negativen Asylentscheid und werden aufgefordert, das Land zu verlassen oder werden ausgeschafft.

Erleichterungen und Verschärfungen im Jahr 2006

Das Ziel dieser Praxis ist eine Selektion der Asylsuchenden: Auf der einen Seite stehen jene, die für die Ökonomie verwertbar sind und deshalb ins “Töpfchen” gelegt werden, während auf der anderen Seite die stehen, die keine wirtschaftlichen Interessen erfüllen und deshalb ins “Kröpfchen” namens Ausschaffungsknast geworfen werden. Erstere, also die sogenannt vorläufig Aufgenommenen erhalten u.a. einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt und haben die Möglichkeit, ihre Familie nach drei Jahren nachzuziehen. Zweitere, also die grosse Mehrheit der Asylsuchenden, haben da schlechtere Karten:
Seit der Asylgesetz-Revision 2006 erhalten Asylsuchende durch den Sozialhilfestopp nur noch die gesetzlich verordnete Nothilfe (3.- pro Tag). Die Möglichkeit, Asylanträge auf schweizer Botschaften im Ausland zu stellen, wurde mit einer Ausnahmeregelung weitgehend aufgehoben. Diese besagt, dass “unmittelbar bedrohte” Menschen auf Botschaften ein humanitäres Visum erhalten. Damit hätten sie das Recht, sich während drei Monaten in der Schweiz aufzuhalten und in dieser Zeit ein Asylgesuch zu stellen. Wird auf dieses jedoch nicht eingegangen, stehen diese Menschen wieder am Anfang ihres Elends.
Asylsuchende, die ohne glaubhafte Begründung keine Identitätspapiere abgeben, werden in einem beschleunigten Verfahren (Nichteintretensentscheid) abgewiesen. Wenn Asylsuchende die Schweiz nicht verlassen wollen, obwohl sie nach einem abgewiesenen Asylgesuch dazu verpflichtet wären, stehen den Behörden so genannte Zwangsmassnahmen zur Verfügung. Mit diesen soll die “Wegweisung” durchgesetzt werden. Die maximale Knastdauer zur Sicherstellung der “Wegweisung” (Ausschaffungshaft) wird von neun Monate auf 18 Monate verlängert. Zusätzlich wird eine Haft zur Durchsetzung der gesetzlichen Ausreisepflicht von höchstens 18 Monaten eingeführt. Die Dauer der beiden Massnahmen zusammen beträgt maximal 24 Monate, bei Minderjährigen zwischen 15 und 18 Jahren beträgt sie maximal 12 Monate. Ist eine Person bereit, “freiwillig” auszureisen, kann die Haft jederzeit beendet werden.

Weitere Verschärfungen im Jahr 2013

Im Jahr 2013 erfolgte dann die “dringliche Änderung des Asylgesetzes”, anders gesagt die Verschärfung des im Jahr 2006 verabschiedeten Gesetzes. Neu also haben Asylsuchende, die den Militärdienst in ihrem Heimatstaat verweigern, kein Anrecht mehr auf Asyl. Von dieser Verschärfung ausgenommen sind jedoch Asylsuchende, die man in ihrem Heimatstaat dafür unverhältnismässig schwer bestrafen würde (z.B. Eritrea). Nun stellt sich jedoch die Frage, wie sich diese “unverhältnismässig schwere Bestrafung” für Asylsuchende aus nicht so populären Regimen denn beweisen lässt…
Eine zentrale Neuerung ist die Kompetenz-Erweiterung des Bundes. Er kann in seinem Besitz liegende Anlagen und Bauten (z.B. Militärunterkünfte) künftig für maximal drei Jahre ohne Bewilligung des Kantons oder der Gemeinde als Unterkunft für Asylsuchende nutzen. Dies gilt zusätzlich nur, wenn die Unterkunft dazu nicht stark umgebaut werden muss.
Zu diesem Zeitpunkt wurde der Weg der schweizweit geplanten Bundeslager geebnet. In Zürich ist seit Januar 2014 das erste provisorisch umgesetzte Bundeslager in Betrieb. Diese
Lager kennzeichnen sich durch ihre neuen Schnellverfahren und der Zentralisierung aller nötigen Behörden in einem einzigen Komplex, um den reibungslosen Ablauf zu garantieren. Schweizweit sind sechs Standortkantone mit je mindestens einem Bundeslager mit einer Verfahrensdauer von maximal 140 Tagen und je einem “Ausreisezentrum” mit einer Verfahrensdauer von maximal 100 Tagen geplant. Hinzu kommen schweizweit zwei weitere Bundeslager für Asylsuchende, welche die “öffentliche Sicherheit” oder den “ordentlichen Betrieb” der “normalen” Empfangs- und Verfahrenszentren gefährden. Das BfM oder die kantonalen Behörden errichten und führen diese Zentren.
Der Bundesrat kann zudem neue Verfahren zeitweise testen, bevor er das Gesetz ändert. Diese Tests dürfen höchstens zwei Jahre dauern und sind für die Beurteilung von “aufwendigen Massnahmen” vorgesehen. Während dieser Testphasen kann der Bund zudem die Beschwerdefrist von 30 auf 10 Tage kürzen, wenn die Asylsuchenden einen genügenden Rechtsschutz haben. Dazu stellt der Bund ihnen eine kostenlose Rechtsberatung zur Verfügung.
Bereits vor den dringlichen Änderungen im Jahr 2013 bezeichnete der Bundesrat jene Länder als sicher, in die man Asylsuchende, ihrer Ansicht nach, ungefährdet zurückschieben kann, ohne dass sie verfolgt werden. Neu verkürzen sich die Beschwerdefristen für Asylsuchende aus diesen “sicheren” Ländern. Betroffen davon sind Personen, auf deren Asylgesuche das BfM gar nicht erst eintritt oder die es ohne weitere Abklärungen ablehnt. Gegen diese erstinstanzlichen Urteile können sie nun noch während fünf Tagen Beschwerde einlegen. Anschliessend soll das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls innert fünf Tagen über die Beschwerde entscheiden. Weiter gelten schärfere Bestimmungen, wenn ein Gesuch abgelehnt wird. Um die “Wegweisung” sicherzustellen, können abgelehnte Asylsuchende direkt in den Empfangszentren des Bundes in Haft genommen werden.

Rassismus – auch Politik genannt

Wie der abschliessende Satz der “Kernpunkte der Eidgenössichen Asylpolitik” ganz unverhüllt sagt, ist es dem Staat immer möglich, temporäre Aufenthaltsbewilligungen wieder zu entziehen, wenn sich die migrantische Person nicht an die aufgezwungenen Regeln dieser Gesellschaft hält. Würde dies mit Schweizer_innen geschehen, wäre es hier schon bald ziemlich leer…
Der Rassismus liegt dem Staat mit seiner Politik und seinem Sachzwang zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit, zu Grunde, egal wie humanitär er sich geben mag.
Mario Gattiker, Vorsteher des Bundesamtes für Migration (BfM) und einer der Hauptverantwortlichen der schweizerischen Asylpraxis, sagte kürzlich in einem Interview: « So dramatisch wie die Lage vor den Toren Europas zurzeit ist, war es wohl seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. » Ein Statement, dass durch seine Ehrlichkeit nicht weiter kommentiert werden muss.