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Werden wir gefährlich

gefunden in Fernweh – Anarchistische Strassenzeitung

39Wer kennt die Wut nicht? Und wer kennt nicht die tiefe Befriedigung seiner Zerstörungswut freien Lauf zu lassen? Wer kennt nicht die Wut auf den geldgierigen Chef und den stinkreichen Vermieter? Auf die gaffenden Blicke und Anmachen der Macker und Machos? Auf die erniedrigende „verdachtsunabhängige Kontrolle“ des Bullen und seine unverhohlene Begierde „Unerlaubtes“ festzustellen und in fremden Taschen und Wohnungen zu wühlen? Auf den Zwang um alles permanent kämpfen und konkurrieren zu müssen, sich ständig vor anderen zu behaupten und zu beweisen? Die Wut auf die vier Wände der einen umgebenden Zelle und den Wärter mit dem Schlüssel, der die Tür hinter einem verriegelt? Auf den Richter, der sich anmaßt über einen zu urteilen und denkt er wüsste, was das Beste für einen ist? Auf Spielkonsolen, Computer und Fernseher, die einen nur einlullen und abstumpfen, aber vor die man sich doch immer wieder setzt? Die Wut auf den immer gleichen routinierten Alltag und all die kleinen Entwürdigungen und Pflichten, die man sich gefallen lassen muss? Wer kennt die Wut nicht?

Doch es wird uns eingebläut, dass wir uns mit der Befriedigung unserer Wut nur ins eigene Fleisch schneiden würden und nur Tadel und Bestrafung, Sanktionen und Vorschriften ernten würden… da aber nichts so blind macht wie ständige Belehrungen und Verbote, da nichts so wilde Wut schürt wie gehemmte Wut, kurz: Da sich die Wut doch immer irgendein Ventil sucht, entlädt sie sich meistens bei denen, die weniger bewaffnet und einflussreich als die Belehrenden und Verbietenden sind. Und so kommt es, dass nach unten geschlagen und gespuckt wird, zum Beispiel auf Flüchtlinge und Migranten. Als würden die Grenzzäune um Europa ohnehin nicht sekündlich wachsen und als wäre deren Überquerung nicht tödlich genug, wird wie eh und je gegen alles „Fremde“ gehetzt, legen Rassisten Brände an Flüchtlingsunterkünften und versammeln sich zur „Verteidigung des Vaterlandes“ vor diesen. Es wird auf diejenigen geschlagen, die nichts haben, da man Angst hat, man müsste mit ihnen teilen. Es werden Brände gelegt, weil die Neuankömmlinge als Gefahr für die gewohnte „Normalität“, für den eigenen Staat und den „inneren Frieden“ empfunden werden. Es wird aus Angst gehetzt, dass es nicht genauso bleibt wie es ist…

… aber sind grenzen-überquerende Flüchtende eine Gefahr für uns oder für den Staat auf seiner Suche nach totaler Kontrolle? Benötigen wir Abschiebelager, Papiere und Kategorisierungen in „politische Flüchtlinge“ mit Bleibeerlaubnis und „Wirtschaftsflüchtlinge“ ohne Bleibeerlaubnis – oder der Staat und seine Politik und Wirtschaft?

Beschützen Grenzen Menschen, oder schützen Grenzen Staaten?

Und wäre es nicht an der Zeit unsere Wut an eben diesen Staaten, ihren Grenzen, Befehlsempfängern und ihrem todbringenden Kapitalismus zu entladen, anstatt an den Flüchtlingen, die von den Kriegen, der Armut und dem Elend desselben Kapitalismus zur Flucht getrieben werden?

Einige Gesetz- und Grenzenlose mit gehörig viel Wut im Bauch

Im Grunde der Augen

übersetzt von non-fides – Base de données anarchistes
aus dem italienischen von informa-azione

Zwei Drähte, unlösbar und antithetisch, durch scheinbar ferne Tatsachen und Personen gebunden: der Krieg und die Freiheit. Eine somalische Frau, Tod bei ihrer Ankunft im Süden von Salento, ist das x-te Opfer des totalen Krieges, der das Kapital der Menschheit erklärt hat, diesem Teil der Menschheit auf deren Ausbeutung und Leiden er sein Akkumulationsprozess gründet. Aufgebrochen, um zu versuchen, den Konditionen der Misere zu entfliehen, ist diese Frau, wie viele Millionen andere Menschen, auf die Sucher nach ihrer Freiheit gegangen, die sie meint, in diesen Regionen der Welt, in denen die grössten Verantwortlichen der Ursachen leben, die sie zur Flucht gezwungen haben, finden zu können.

Während sie im Moment denkt, eine Möglichkeit zu erblicken, wird sie von den Bedingungen des Krieges in den Gewässern nur einige Kilometer vor der Küste wieder eingeholt. Andere hatten mehr Glück, scheinbar wenigstens… Gesund und wohlbehalten auf dem Festland angekommen, meinen sie, ihr Verlangen nach Freihei befriedigen zu können, um dann zu erkennen, dass sie im reichen Westen nur Elend und ähnliche Ausbeutungsverhältnisse gefunden haben, die sie zurückgelassen hatten; brutale Ausbeutung, Diskrimierung, Repression… Einige unter ihnen, die Ärmsten unter den Armen, sind, nachdem sie nicht einmal die nötigen Eigenschaften besitzen, um ein Stück Papier zu erhalten, das ihnen erlaubt, sich ohne verstecken zu müssen, bewegen zu können, den Lagern der modernen westlichen Demokratie begegnet: Das CIE, Zentrum zur Identifikation und Abschiebung. Nur eine Sprache, um neutral zu erscheinen, um die Brutalität ihrer Bedeutung, in Italien Internierungszentren genannt, zu verstecken.

Als schädliches Ergebnis aller Kriege haben diese Lager nie das Streben nach Freiheit der interneirten Personen beseitigt, die seit dem Moment ihrer Eröffnung 1998 bis heute eine unzählige Reihe von Ausbrüchen, Revolten und Zerstörungen, bis zur Herausforderung ihrer Existenz und Funktion, verursacht haben. Die Aufgabe, diese Orte der Abscheulichkeit zu zerstören, ist allerdings nicht nur die der dort Eingesperrten, sondern die von jedem, der die Kriege hasst und die Freiheit liebt. Dies ist der Grund, der drei Demonstranten vor einigen Tagen dazu veranlasst hat, vor die Mauern des CIE von Brindisi-Restinco zu gehen, wofür sie zuerst unter Hausarrest und später und Aufenthaltspflicht gestellt wurden.

Der Kampf für die Freiheit betrifft alle, die Opfer des vom Kapital und den ihm dienenden Staaten geführten Krieges sind, ein Krieg, damit alle Ausgebeuteten jeden Tag auf ihrem Zahnfleisch gehen, gezwungen, die Orte, an denen sie leben, zu verlassen oder dazu verdammt, in den reichen Teilen der Welt, die von einem Reichtum lebt, der von immer weniger Menschen auf Kosten der Vielen angehäuft wird, unter Konditionen der Misere und Ausbeutung zu überleben. Das Elend der kleinen Privilegien, die uns von denen unterscheiden, die noch ärmer sind als wir, zu verteidigen, ist eine der bittersten Pillen, die der Kapitalismus uns schlucken lassen will, die nicht nur die Solidarität verleugnet, sondern auch das menschliche Bewusstsein.

In den Augen derer, die das Meer überqueren, dürfen wir nicht – wie das die Presse und die Politiker wollen – den Feind sehen, von dem wir uns verteidigen müssen, oder den Konkurrenten, vor dem wir uns beschützen müssen, sondern vielmehr die Ausgebeuteten, in denen wir uns wiedererkennen können. Dies ist die wahre Angst, die der Immigrant, der Sans-Papiers, das „andere“ im allgemeinen in uns auslöst: Die Angst, in ihnen die gleichen Bedingungen der Ausbeutung, in denen wir Tag für Tag leben, zu erkennen. Sich der Sache bewusst zu sein bedeutet schlichtweg, einen gemeinsamen Feind zu erkennen und dies ist der erste Schritt, um zu verstehen, auf welche Seite man sicht stellt. Das ist die grösste Angst von denen, die uns regieren, die den Krieg unter den Armen nähren.

Einige Feinde aller Grenzen
15. Januar 2016

Wenn die Feind_innen der Freiheit einen Gang zulegen…

per Mail:

Gleich von zwei neuen Lagern oder Knästen musste man in den letzten Tagen hören, die in oder um Basel realisiert werden sollen. Zum einen ein Registrierzentrum für Migrant_innen in Muttenz, das bereits ab Anfang 2016 in Betrieb genommen werden soll und Platz für bis zu 900 Migrant_innen schafft, was somit das grösste Zentrum der Schweiz sein wird. Die Personen sollen höchstens 3 Wochen im Zentrum zur ordentlichen Registrierung verweilen, bevor sie an die Kantone zur Prüfung ihrer Gesuche verteilt werden. Zum anderen soll das Bässlergut, das momentan Platz für Abschiebe- sowie Vollzugshaft bietet, bis 2019 mit einem Neubau erweitert werden. Der neue Knast wird 78 neue Haftplätze bieten. Die 43 Plätze im schon bestehenden Bässlergut, die momentan noch als Zellen für kurze Vollzugshaftstrafen dienen, werden dann wieder als Abschiebehaft genutzt. Zusätzlich wird in Zukunft ein Bundesasylzentrum, das durch Zentralisierung der zuständigen Behörden eine Beschleunigung der Anfragen und effizientere Abschiebungen ermöglicht, in der Region errichtet. Seit Anfang 2014 wird diese neue Form der Lagerpolitik in Zürich getestet. In ganz Europa werden sich solche Lager oder Abschiebeknäste weiter ausbreiten.

Diese Ausweitung der Kontrolle und Inhaftierung auf lokaler Ebene kann in grösserem Umfang genauso auf internationaler Ebene beobachtet werden: In Italien und Griechenland wurden Hotspots eingerrichtet, damit die als Problem verstanden Migrant_innen schon an den Aussengrenzen bearbeitet werden können. Die von verschiedenen europäischen Grenzschutz- und Polizeibehörden koordinierten Hotspots stellen einen weiteren Schritt in der repressiven Verwaltung und Steuerung der Migrationsströme dar; so findet die Registrierung (ein enorm wichtiger Schritt im europäischen Migrationsregime) durch Abnahme von Fingerabdrücken und Fotos und Erfassung in der Datenbank EURODAC bereits dort statt und diejenigen, die keine Chance auf Asyl haben, da sie nicht vom Status des Flüchtlings profitieren, werden durch Massendeportationen schonmal aussortiert. Die systematische Erfassung in den Karteien sowie das Sortieren verschiedener Menschen ist hierbei – genaugleich wie im Registrierzentrun in Muttenz – das Ziel solcher Massnahmen. Die Hotspots an den europäischen Aussengrenzen werden durch sogenannte „Tampons“ in den angrenzenden Ländern ergänzt, die die Migrant_innen durch Grenzschutz und Massenlager an der Weiterreise nach Europa hindern sollen. Im Gegenzug wird Europa neben Geldzahlungen eine gewisse Anzahl Migrant_innen aus diesen Ländern aufnehmen. Ein Abkommen mit der Türkei, diesem Drecksstaat, der fortschrittliche Bewegungen bekämpft und Widerständige aller Richtungen verfolgt und die Fanatiker des IS unterstützt, wurde dafür bereits unterschrieben, eines mit Libyen soll folgen. In den Gewässern vor Libyen lief im September wiederum die zweite Phase des Programms EU NAVFOR Med an, das die Zerstörung von Schleuserbooten ermöglicht und für das bereits sechs Militärboote und 1200 Soldaten mobilisiert wurden. In der dritten Phase sollen die Soldaten dann auch Boote und Infrastruktur auf libyschen Boden bekriegen können.

Die Liste ist bereits lang und ohne weiteres wäre es möglich, weitere Beispiele des gegen Migrant_innen geführten Kriegs aufzuführen, der bereits tausenden Menschen den Tod brachte. Leider ist dieser im noch jungen 21. Jahrhundert geführte Krieg nicht der einzige, und so reihen sich die verschiedenen Überwachungsgesetze in den verschiedenen Ländern, die militärischen und polizeilichen Aufrüstungen, die Bauten von verschiedenen Knästen in ganz Europa und die sich in Knäste unter offenem Himmel verwandelnden Städte, die zunehmende Repression gegen Widerständige in die gleiche Offensive der Mächtigen ein. Ein Krieg, der so normal geworden ist, das er nicht mehr erklärt werden muss und, die Maschen der Kontrollgesesellschaft enger schnallend, auf allen Ebenen die bestehende Privilegienherrschaft sichern soll; alle auf ihren Plätzen, registriert und durchleuchtet, um schon beim kleinsten Anzeichen eines Kontrollverlusts oder eines Ausbruchs aus diesen Reihen genügend Mittel zur Verfügung zu haben, um möglichst schnell und effizient die Ordnung wieder herzustellen oder die störenden Elemente unschädlich zu machen.

Das Erwähnte plus die erstarkenden nationalistischen Tendenzen überall, und die militärische Niederschlagung von Krawallen in den Vororten der US-Städte in den letzten Jahren, und die bis ins unermessliche anwachsende Kontrolle, und der Ausnahmezustand in Frankreich, und der Zustand eines zutiefst verseuchten Planeten, und der wachsende Eingriff der Technologien in unsere Körper und Leben und die so schrecklich weit verbreitete Ignoranz und Akzeptanz all dessen… ein kleiner Vorgeschmack auf dunkle Zeiten. Vielleicht. Die Pfade in diese Richtung wurden bereits verlegt, doch bleibt nur das Gegenwärtige gewiss. Die Zukunft jedoch, wenn nicht unbeschrieben, denn hierfür hat der Kapitalismus seine giftigen Finger bereits zu weit ausgestreckt, so aber dennoch offen. Vielleicht ist dies, wenn es die reisserischen Leidenschaften nach freiem Leben und der feurige Drang nach Aufstand vermögen, diese eiskalte Welt aus Krieg und Lebensverachtung, Trauer und Hass, hinwegzufegen und einer Welt aus Solidarität und gegenseitiger Hilfe, Respekt und Würde Platz zu schaffen, aber auch der Anfang vom Ende dieser kapitalistischen Zivilisation, die diesem Planeten nebst Entfremdung und künstlich-virtuellen Absurditäten nicht viel mehr als Elend und Vernichtung gebracht hat.

Wenn also die Feind_innen der Freiheit einen Gang zulegen und erneut ein Gewitter am ohnehin schon mit düsteren Wolken bedeckten Horizont aufzieht, gilt es umso lauter zu bekräftigen und herauszuschreien, dass die Lager und Knäste, der Rassismus und die Kriege, die Verfolgung und Unterdrückung fester Bestandteil einer auf Autorität aufbauenden Welt sind, dass der Staat schon immer der Feind derer war, die die Verantwortung für ihr Leben selbst übernehmen und nicht an Wahnsinnige delegieren wollten. Es gilt zu bekräftigen, dass diese Maschine gestoppt werden soll, dass nur ein tiefer Bruch mit der heutigen Gesellschaft uns die Möglichkeit eröffnet, mit Freiheit und Selbstbestimmung zu experimentieren, die einzige Möglichkeit auf wirklichen Frieden.

Einige sich im Konflikt mit jeglicher Herrschaft befindende Anarchist_innen.

Solidarität mit dem Angriff auf Siemens in Basel:
Der Tod der einen ist der Profit der anderen. Während der Krieg auf allen Ebenen vorbereitet und intensiviert wird, bedeutet dies auch, dass Unternehmen und Institutionen Gewinne und Vorteile wittern. Genau hier eröffnen sich allerdings auch Ansatzpunkte, wie diese Misere bekämpft werden kann: Die verschiedenen Verantwortlichen und Profiteure der Lager- und Abschiebepolitik (Migrationsamt, Bullen, ORS AG, Securitas, ISS, Swiss) können direkt angegangen werden, der Bau von neuen Lagern und Knästen, wie eben dem Bässlergut II in Basel, verhindert und sabotiert werden. Denn es scheint wie ein schlechter Witz, sich an den demokratischen Strukturen zu beteiligen, konform und unterwürfig, wenn diese Kriegsmaschine hier und jetzt zerstört werden soll, wenn der Widerstand auf Freiheit und nicht auf scheinbare Mitbestimmung innerhalb dieser Maschine abzielt.
Und so wurde in der schönen Nacht des 07. Dezembers ein Auto von Siemens den Flammen übergeben. Ein Unternehmen, auf verschiedenen Kriegsschauplätzen in der ganzen Welt präsent, so auch an der Abschottung Europas beteiligt. Die Unbekannten rufen dazu auf, diesen „Krieg der Herrschenden zu sabotieren“.

Einige Überlegungen für ein Projekt gegen Grenzen

gefunden auf linksunten

Weg von jeglichem politischen Opportunismus soll unser Eingriff in einem sozialen Kampf nach unseren eigenen Regeln passieren: wir kämpfen nicht, damit “Geflüchtete ihre Dokumente bekommen”, sondern gegen die Herrschaft der Staaten über alle Menschen. Auf die Strasse zu gehen heisst nicht, dass wir sie dirigieren, auch nicht dass wir jemandem einen Gefallen tun, vor allem wenn wir uns nicht über unsere Ideen im klaren sind, oder wenn wir sie je nach Bedarf mal runterspielen oder überhöhen. Im Gegenteil, aufständische Ideen und Praxen zu verbreiten bedeutet, weiter auf dem Weg der sozialen Revolution zu kommen…

Während diese Masse von Menschen ihr Leben riskiert, den Grenzen trotzt und alles aufs Spiel setzt, wenn sie vor den Wachhunden Europas stehen, prahlen die Politiker*innen mit ihren demokratischen Werten und erklären die Notwendigkeit, einen Teil von ihnen zu legalisieren, indem man Aussortierungskriterien einführt, die gute Ware auswählt und die verdorbene zurückweist. Sie erlassen gemeinsame Gesetze, bauen grosse Zentrale Aufnahmestellen, stärken die Verwaltungs- und Militärapparate, sowie die Überwachung der Grenzen. Diese Grenzen sind nicht nur Markierungen zwischen den Staaten, sondern sie werden nun auch durch Kontrollen und Razzien in den Verkehrsmittlen und Bahnhöfen materialisiert, an den Arbeitsplätzen und innerhalb der Machtbeziehungen, in Banken und Verwaltungen, in den Abschiebeknästen und durch die Arbeit der humanitären Hilfsorganisationen.

Die letzten Monate spürten tausende von Menschen auf den Pariser Strassen den Empfang des französischen Staats an Leib und Seele. Sie wurden aus jeglichen Parks, Strassen, Grünanlagen, Brücken, unter den sie versuchten, Zuflucht zu finden, rausgeschmissen. Sie wurden von den Bullen zusammengeschlagen und mit Tränengas zurückgedrängt, weil sie zusammen bleiben wollten. Unterstützungsgruppen unterschiedlicher Prägungen sind rasch entstanden. Unter ihnen befinden sich aufrichtige Menschen, für die das Helfen an sich der Zweck ist, die durch ihre Wut oder ihre Empörung motiviert sind. Andere vertreten Parteien oder humanitäre Organisationen, für die die Geflüchteten ein Mittel sind, mehr Sichtbarkeit auf den Strassen und in den Medien, mehr politische Macht und mehr private und öffentliche Finanzierungen zu bekommen. Insgesamt versuchten sie, sie materiell zu unterstützen und ihre Forderungen politisch zu begleiten, welche die Mehrheit dieser Menschen stellen: den Erfolg ihrer Asylanträge und das Finden einer Bleibe. Diese Forderungen berufen sich auf die Menschenrechte und nehmen den Staat als Ansprechpartner wahr. Diesen Staat, der mehr oder minder direkt an blutigen Angelegenheiten in ihren Herkunftsländern beteiligt ist, der sie an den Grenzen niedermetzelt, der sie verfolgt weil sie auf der Strasse schlafen, und der sie mit Tränengas und Schlagstöcken empfängt, da er darum besorgt ist, das touristische Schaufenster Paris von dieser Plage zu säubern.

Wahrscheinlich werden viele von ihnen es schaffen, Dokumente zu bekommen und durch die legalen Wege des wirtschaftlichen Ausbeutungssystems von Frankreich ausgesaugt zu werden. Dank der mehr oder minder sozial engagierten Mobilisierung. Viele wiederum werden weiterhin an den Grenzen sterben, oder werden weiterhin die Masse der Unerwünschten bleiben, die Markt und Staat nicht sehen wollen, und die zu Not und Repression verdammt sind.

Solange es Staaten und Grenzen gibt, wird es unerwünschte illegale Menschen geben, solange es Kriege gibt und solange das kapitalistische Plündern weitergeht, werden Millionen von Menschen keine andere Wahl haben als die Flucht zu ergreifen, wenn sie überleben wollen. Solange es Papiere gibt, die nur existieren, damit man das menschliche Vieh kontrollieren kann, damit man Eingeschlossene und Ausgeschlossene verwalten kann, werden einige die “richtigen” haben, andere die “falschen” und noch andere gar keine, da die Staaten ihre eigenen Kriterien festlegen, um menschliche Leben zu hierarchisieren. Aus diesem Grund bevorzugen wir statt “Dokumente für alle” die unvernünftige Parole “Weder Dokumente, noch Grenzen”, die den Staat um nichts bittet, sondern seine Zerstörung wünscht. Weil wir nie frei sein werden, solange jeder Mensch nicht so leben kann, wie er es möchte, und nicht dorthin gehen kann, wo seine Entscheidungen ihn hinführen.

Jedoch kann niemand dem Kapitalismus entgehen, überall werden die Ausgebeuteten der Gewalt der Wirtschaft und des Staats ausgesetzt. Und unsere Körper wie auch unsere Geister werden durch diese Logik des Überlebens und dessen Vereinzelung nach und nach zerstört. Aus diesem Grund wollen wir diese Grenzen sprengen (und dabei ist die Sprache selbst die deutlichste Spitze dieses gefährlichen Eisbergs), die zwischen einem imaginären “wir” und “Flüchtlingen” errichtet wurden. Wir wollen endgültig aus der Unterstützungslogik rauskommen, die dem Subjekt assistiert, welches auf der Basis einer “positiven” Diskriminierung erschaffen wurde, weil es das unterdrückte Subjekt par excellence ist. Gerade weil man aus einer Vielfalt von Männern und Frauen ein homogenes Ganzes macht, wird vergessen, dass es sich um Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Ideen handelt. Nur auf der Basis dieser Unterschiede können wir vertrauliche Momente und Kämpfe teilen, da ein “Flüchtling” wie jede*r Unterdrückte sowohl gegen seine Situation rebellieren, als auch seinen Ausbeuter*innen treu dienen kann, um bestimmte Vorteile zu erwerben.

Wir schätzen die spontane gegenseitige Hilfe, die wir als Elan verstehen. Diese Form von Solidarität kann aber in einer Befreiungsperspektive die Notwendigkeit der Auseinandersetzung nicht ersetzen, die wir gegen Staatspolitiker*innen und -Strukturen, Polizei und Kontrolle führen. Sie kann sich mit dem demokratischen Apparat nicht abfinden. Und selbst im Notfall kann sie letzendlich etliche, vielfältige Aktionen die einen Bruch mit der bestehenden Ordnung auslösen – oder zumindest versuchen auszulösen – nicht auf die Seite schieben. Sonst würde das heissen, dass wir dem Staat in seiner Verwaltungsaufgabe helfen, dass wir ihn in seiner Abwesenheit vertreten und daran hindern, dass die Situation wirklich eskaliert. Denn genau das befürchtet der Staat (aus guten Gründen).

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Was uns bewegt, ist die Idee einer Welt ohne Staat und Herrschaft und daher konkret ihrer Zerstörung, die Idee einer Welt ohne Kapitalismus und daher konkret des Umsturzes der bestehenden Beziehungen. Diese scheinbar untervertretenen Ideen sind kein Bündel, in dem man gelegentlich vorbeischaut um sich zu beruhigen oder im Chaos des Alltags Mut zu fassen. Sie sind unser Kompass. Was die Revolte, die Wut, den Widerstand, die Ungehorsamkeit betrifft, wissen wir, dass sie vielfâltig und weit verbreitet sind. Es sind bewusste Reaktionen, die sich in zahlreichen Antagonismen unserer Gesellschaft in welcher Form auch immer einbringen. Diese zwei Seiten sind untrennbar: wir werden unsere Ideen nicht verleumden, damit wir z.B. zu einem kollektiven Kampf beitragen. Auf der gleichen Art und Weise sträuben wir uns aber nicht vor unserem Anteil an einem Kampf, dessen ganzen Inhalt oder Mittel wir nicht unbedingt teilen. “Ich suche nach einer Kraft, da die Idee bloss ihre Aufgabe erfüllt. Und wenn die Idee etwas vorschlägt, entscheidet die Kraft”, sagte einmal ein Revolutionär. Unserer Meinung nach ist diese -schlecht formulierte- Kraft die soziale Konfliktualität selbst. Daher stellt sich die Frage unseres Eingriffs innerhalb dieser Konfliktualität, die uns im Alltag begleitet.

Wir suchen gar keine Legitimität, da die Macht selbst durch Umwege die entscheidende Instanz zwischen dem ist, was legitim ist, und was nicht. Die Legitimität ist also die Widerspiegelung einer Unterwerfung unter die Autorität, wobei diejenige Autorität der Mehrheit (der sogenannten “Öffentlichkeit”) dabei nicht die schwächste ist. Die Legitimität und die “Öffentlichkeit” stehen in gleicher Beziehung wie die Legalität und der Staat, d.h. die Negierung der Selbstbestimmung unserer Leben. Eine legitime Revolte ist unfähig, die Grundlagen der Gesellschaft zu erschütten. Sie schlägt bloss eine neue Definition der Gesellschaft vor, die auf dem Mythos von “menschlicheren” Staaten und Gesetzen beruht, auf einer “gerechteren” Justiz, auf einer “gleichberechtigteren” Wirtschaft. Sie wartet auf die Anerkennung der “Öffentlichkeit”.

Weg von jeglichem politischen Opportunismus soll unser Eingriff in einem sozialen Kampf nach unseren eigenen Regeln passieren: wir kämpfen nicht, damit “Geflüchtete ihre Dokumente bekommen”, sondern gegen die Herrschaft der Staaten über alle Menschen. Auf die Strasse zu gehen heisst nicht, dass wir sie dirigieren, auch nicht dass wir jemandem einen Gefallen tun, vor allem wenn wir uns nicht über unsere Ideen im klaren sind, oder wenn wir sie je nach Bedarf mal runterspielen oder überhöhen. Im Gegenteil, aufständische Ideen und Praxen zu verbreiten bedeutet, weiter auf dem Weg der sozialen Revolution zu kommen.

Um zu regieren, muss jede Machtinstanz ihr zugunsten Kategorien und Aufteilungen erschaffen und jeder*m Rollen zuweisen, die wie Ketten ihre Fesselung und  erleichtern. Wie gesagt, wir wollen die Grenzen sprengen die die Herrschenden errichtet haben. Deshalb prägt nicht die willkürliche Zugehörigkeit eines Individuums zu einer beliebigen Gemeinschaft -sei sie national, kulturell oder ethnisch- oder zu einer beliebigen Kategorie (Geflüchtete*r, Illegale*r, mit Ausweis, Migrant*in, Aussenseiter*in, Gesetzlose*r, Arbeiter*in, Arbeitslose*r, Akademiker*in…) unsere Beziehungen mit ihnen, sondern die Art und Weise, wie sie zu dieser Gehörigkeit stehen. Für uns wichtig ist das Engagement, die Positionierung, die Entscheidungen und die Ablehnungen, die reelle Menschen in bestimmten Situationen vertreten, wie auch die Gründe die sie bewegen.

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Vor einigen Jahren hatte der “Kampf gegen die Abschiebemaschinerie” einen Vorteil, und zwar denjenigen den der Verstand uns heute traurigerweise als obsolet erklärt: den Vorteil der Klarheit. Die Brandanschläge gegen die Abschiebeknäste (die von Vincennes, Mesnil-Amelot, Nantes, Plaisir, Bordeaux, Toulouse), die Ausbrüche, die Demos, die Unterstützung gegenüber den Verurteilten der Branstiftung von Vincennes, die Flugblätter, Plakate und zahlreiche Angriffe… das alles war kristallklar, wie man in einem damaligen Bericht lesen kann: ” Wie ein Teil der Geflüchteten es aus ihrer konkreten Situation erfahren haben, kämpft man entweder gegen die Abschiebeknäste und für nichts anderes als ihre Abschaffung, oder man ist für ihre Instandhaltung”. Die gewollte Zerstörung des Abschiebeknastes von Vincennes hat “ihren humanitären Glanz mit sich genommen: die Gefangenen haben praktisch für ihre reine und pure “Befreiung” gekämpft, und nicht für eine Verbesserung dieses Käfigs, der zwischen einer Polizeischule und einer Rennbahn stand.”

Die Frage der Solidarität konnte nicht nur über die einfache Behauptung hinausgehen, sondern sie konnte auch einen anderen Weg vorschlagen: den der Unterstützung. Indem sie auf die ganze Abschiebemaschinerie und nicht nur einzig auf die Abschiebeknäste abzielten, und indem sie klare Inhalte vermittelten die nicht etwa von ausserhalb kamen, konnten die in dem breiten Antagonismus einbezogenen Aktionen einer entschlossen offensiven Solidarität den Weg bahnen. Zur Zeit oder zumindest die letzten Monate haben unsere Ideen in Frankreich nicht genügend Auswirkungen, und wir haben nicht genug dazu beigetragen durch Handeln eine Situation zu kippen, was viele Möglichkeiten geöffnet hätte. Uns ist es nicht gelungen Einfluss auszuüben, damit die Revolte gegen die Logik der Unterstützung gewinnt. Andererseits -im Gegensatz zu den oben zusammengefassten Jahren- sind gerade die Akte der Revolte durch die wir eine offensive, konkrete Solidarität ausdrücken wollen, selten.

Die Revolte jedoch schwelt, manchmal bricht sie aus, und sie kennt keine Grenzen: am Samstag den 22. August kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen der mazedonischen Polizei und Geflüchteten, die von Griechenland aus die Grenze zwischen beiden Ländern kreuzen wollen. Obwohl zwei Tage vorher der Notstand ausgerufen wurde, waren die Armee und die Spezialeinheiten der Polizei vor Ort überfordert. Diejenigen die durchkommen konnten, stürzten zum Bahnhof Gevgelija, um mit dem Zug nach Serbien weiterzufahren. In der Nacht vom 31. August, nach dem Besuch des Premiers, rannten 200 Menschen in Calais auf die Autobahn die zum Eurotunnel führt, und errichteten eine Blockade. Aktivist*innen blockierten am 3. September den Eingang vom Heim Jules-Ferry (das von der Organisation Vie Active verwaltet ist), wo die Mahlzeiten ausgeteilt werden. Sie protestierten gegen die humanitäre Hilfe und die Lebensbedingungen, unter denen sie leben müssen. Einige Tage später häuften Gefangene des Abschiebeknastes Saint-Exupéry in der Nähe von Lyons cFlughafen ihre Matrazen und Bettlacken auf und zündeten sie an. Sie drängten die Polizei zurück, während Möbel und Fenster kaputt gemacht wurden und zwei Menschen auf das Dach kletterten, um auszubrechen. Einige Tage später drangen knapp tausend Geflüchtete in Roszke in Ungarn durch eine Polizeiabsperrung, damit sie nicht zur Zentralen Aufnahmestelle gebracht werden konnten. Einige von ihnen kletterten über den Zaun zur Autobahn nach Budapest, um ihren Weg zu Fuss weiterzuführen. In Bicske verhinderten Geflüchtete ihre Abschiebung als sie verstanden, dass sie die Züge in die sie gestiegen waren zur Zentralen Aufnahmestelle bringen sollten, und nicht nach Deutschland, wie sie dachten. Am 5. September stellten sich Geflüchtete auf der grieschichen Insel Lesbos zum zweiten Tag in Folge der Polizei entgegen. Einige Stunden davor waren tausend von ihnen aus der Zentralen Aufnahmestelle rausgekommen und hatten eine Strasse der Insel gesperrt. Ebenso auf Lesbos sammelten sich tausend Geflüchtete und versuchten, mit Gewalt auf ein Boot Richtung Athen zu steigen. Am 6. September rebellierten in Valencia (Spanien) ca. vierzig Gefangene des Abschiebeknastes gegen die Bullen und stahlen ihnen die Schlüssel. Eine Gruppe versuchte auszubrechen, während Matrazen in Brand gesetzt, Gegenstände beschädigt und ca. fünf Bullen verletzt wurden. Am 7. besetzten gefangene Frauen des Abschiebeknastes Yarl’s Wood in Bedford in England den Hof und erklärten: “Wir sind im Hof und protestieren. [..] Wir fordern unsere Befreiung. Wir singen für unsere Freiheit. Wir schreien. […] Wir wollen ihr Essen nicht. Wir wollen ihre Aktivitäten nicht. Wir wollen einfach nur unsere Freiheit.”

Jede Woche bringt neue Tote mit sich, die uns bedrücken und berühren. Unsere Wut gegen diesen Horror, dem Tausende von Menschen ausgesetzt sind, gegen diesen alltäglichen Krieg des Kapitalismus, gegen diese insgesamt ungerechte Welt und das uns versprochene zweitklassige Leben wächst von Tag zu Tag weiter. Aber wie schon in der Vergangenheit gesagt wurde, sind wir nicht mit der Armut solidarisch, sondern mit dem Schwung, mit dem sich Menschen dagegen erklären: gegen die Solidarität mit der Unterwerfung wollen wir die Vertraulichkeit in der Revolte stellen. Es fällt uns zwar schwer uns offensive, konkrete Perspektiven vorzustellen, mit denen wir eine besondere Solidarität ausdrücken können. Aber wir wollen glauben, dass es möglich ist, sich eine vorzustellen, um eine Wut auszudrücken (sie muss allerdings nicht auf solche “Perspektiven” warten, um sich auszudrücken), die gewiss schon verbreitet ist, und den Anstoss zu Auseinandersetzungen und Brüchen mit der existierenden Ordnung geben könnte. Auf diesem Weg, weit weg von politischer Erpressung, von humanitärem Glanz, von dieser stinkenden Empörung der Bürger*innen “die sich beschweren, aber das System bewahren wollen” – das ist der eigentliche Schlüsselpunkt der demokratischen Unterwerfung- werden sich Gelegeheiten finden, bei denen sich die Solidarität verbreitern kann. “Sagen, dass man nichts verändern kann, dass man sich dem Schicksal nicht stellen kann, ist die Belohnung all unserer Mutlosigkeiten”.
“Es existieren keine gemachten Sachen, keine vorbereiteten Wege, es existiert keine vollendete Mode oder Arbeit, durch die du das Leben erreichen kannst.” Es existieren keine Wörter, die dir die Freiheit geben: da das Leben genau darin besteht, alles selbst zu erschaffen, sich keiner Bahn zu biegen: die Sprache existiert nicht, du musst sie erschaffen, du musst ihre Welt erschaffen, du musst jede Sache erschaffen: damit dein Leben deins wird.”

Es gibt keinen guten Grund zu warten um das durchzuziehen, was unser Herz und unser Verstand uns vorschlagen, so wie es keine soziale Bewegung und kein Treffen mit der Geschichte gibt. Selbst wenn wir uns geweigert haben, die Verbreitung unserer Ideen und die darauf folgenden Praxen bis auf das hypothetisch bessere Morgen zu verzögern, fühlen wir trotzdem die Notwendigkeit neue Bedingungen zu erschaffen, die das Umkippen der sozialen Ordnung ermöglichen, bzw. einen sozialen Fakt, der uns noch nicht bekannt ist, nicht vorhersehbar ist, aber zerstörerisch sein wird.

non fides, Paris, Freitag, 13. September 2015

Text zur Bundeszentrumbesetzung in Bern

gefunden auf indymedia

Hier nachträglich der Text, welcher in der Nacht der Besetzung des künftigen Bundeszentrum in Bern in den Briefkästen des Quartiers verteilt wurde.

Wir haben gestern, am 11.12.2015 ein Gebäude des ehemaligen Zieglerspitals besetzt! Wie ihr als Anwohner_innen erfahren habt, soll hier ein neues Bundeszentrum für Asylsuchende entstehen. Wir wollen eine solche Entwicklung nicht akzeptieren. Nicht weil wir Menschen, die hierher migrieren, als Problem betrachten, sondern weil wir die Art und Weise, wie sie behandelt werden, ablehnen.
Wir weigern uns, diese Menschen als Problem oder als bedrohende Masse zu betrachten, wie sie in den Medien und von Politiker_innen oft dargestellt werden. Wir wollen nicht an der Debatte über die beste Form der Verwaltung von Migrant_innen teilnehmen. Denn dies sind Menschen, die sich sehr wohl selbst organisieren können, wenn sie nicht davon abgehalten werden. Raum um zu leben wäre an vielen Orten vorhanden. Die Migrationspolitik richtet sich jedoch nicht nach den Bedürfnissen der Menschen, sondern nach den Interessen von Staat und Wirtschaft. Weil Gesetzesverstösse für Migrant_innen weitreichendere Konsequenzen haben, besetzten wir dieses Gebäude in Solidarität. Hier könnte ein selbstorganisiertes Zuhause entstehen für Menschen, die hierher migriert sind.

Stell dir vor, du wirst an einen Ort gebracht, wo dir verboten wird, dich frei zu bewegen, alles pesönliche wird dir weggenommen. Wann du zum Arzt gehst, was und wann du isst, mit wem du dir ein Zimmer teilst, wann du schläfst, alles wird dir diktiert. Du wirst rund um die Uhr bewacht, den Ort verlassen darfst du nur am Tag und nur zu bestimmten Zeiten. Es besteht Meldepflicht. Du hast keine Möglichkeit, legal für deinen Lebensunterhalt zu sorgen und musst entweder mit ein paar Franken pro Tag auskommen oder illegal Geld beschaffen. Zudem droht dir ständig die Deportation in ein Land, in dem du nicht leben willst und unter Umständen gefährdet bist.

In Bundeszentren herrschen gefängnisähnliche Strukturen. Den Bewohner_innen der Lager werden jegliche Freiheit und Selbstbestimmung entzogen. Sie müssen sich an lagerspezifische Regeln halten, für die es keine rechtlichen Grundlagen gibt. Die Durchsetzung dieser Regeln basiert auf der Erpressung, dass diejenigen, welche sich nicht fügen, keine Chancen auf eine Aufenhaltsbewilligung erhalten. Wer sich trotzdem widersetzt, wird als renitent eingestuft, eingesperrt und nach Möglichkeit ausgeschafft.

Bei der Entwicklung der Lagerstrukturen geht es darum, Migrant_innen noch effizienter in Kategorien einteilen, kontrollieren und ausschaffen zu können. Möglichst viele in möglichst wenigen, dafür umso grösseren Lagern, so lautet die Strategie, welche nicht nur in der Schweiz, sondern in allen sogenannten Aufnahmeländern verfolgt wird. Für die Menschen im Asylverfahren bedeutet die Zentralisierung noch mehr Kontrolle und Fremdbestimmung im Alltag und noch mehr Abschottung von Menschen ausserhalb der Lager. Jeder Schritt der Asylverfahren soll in den Bundeszentren ablaufen, von der ersten Befragung über die Unterbringung bis zum richterlichen Entscheid und der wahrscheinlichen Ausschaffung. Die Asylgesuche sollen in einem Schnellverfahren möglichst rasch bearbeitet werden, um die Menschen sobald als möglich wieder auszuschaffen. Bei 60% der Asylgesuche soll innerhalb von 140 Tagen ein Negativentscheid vorliegen. Die Betroffenen verbringen somit die ganze Dauer ihres Asylprozesses im Bundeslager.

Obwohl die Grenzen immer lückenloser mit militärischen Mitteln kontrolliert werden und die meisten Menschen, die es trotzdem schaffen, nach Europa zu gelangen, gleich wieder ausgeschafft werden, liegt es nicht im Interesse der Staaten, die Einwanderung ganz zu stoppen. Das Ziel ist vielmehr, die Wirtschaft mit der Menge an Arbeiter_innen aus dem Ausland zu bedienen, die benötigt wird. Die einen sind ’nützlich‘, weil sie hochqualifiziert sind, die anderen, weil sie sich in einer so prekären Lage befinden, dass sie gezwungen sind, Billigstjobs anzunehmen. Ist der Bedarf an Billigarbeitskräften gedeckt, bleibt der Rest, die ‚Überflüssigen‘, die ‚Unerwünschten‘. Um die Zahl der positiven Asylentscheide nach Bedarf regulieren zu können, werden neue Gesetze erlassen und Kategorien erfunden wie ‚Wirtschaftflüchtlinge‘, ‚Sans Papiers‘, ‚vorläufig Aufgenommene‘ und ‚Abgewiesene‘ in Abgrenzung zu den ‚echten Flüchtlingen‘.

Die Politik der Lager und der Ausgrenzung ist nicht neu, die Bundeszentren sind nur eine weitere Verschärfung. An dieser Stelle ist es uns wichtig zu betonen, dass wir nicht das alte System der Asylzentren erhalten wollen, nicht einfach nur eine nettere Form der Verwaltung fordern. Die Frage ist für uns nicht, wie der Staat mit Migrant_innen umgehen soll, da wir sie nicht als ein zu lösendes Problem sehen. Das Problem ist vielmehr der Staat an sich mit seinen Gesetzen, welche es den einen ermöglicht, die ganze Welt auszubeuten und den anderen nicht einmal erlaubt, dorthin zu gehen wo sie wollen.

Wir sind solidarisch mit allen Menschen und Gruppen, welche die Grenzen bekämpfen und überqueren wollen. Es gibt keine falschen Gründe, seine Heimat zu verlassen. Lasst uns Ausschaffungen verhindern und Orte schaffen, an denen Menschen, welche hier ein zu Hause suchen, selbstorganisiert leben können.

Kämpfen wir für eine Welt ohne Ausbeutung und ohne Staaten mit ihren Grenzen, Lagern und Knästen!
Es liegt an uns allen!

Genf: Nein zur Ausschaffung von unserem Freund und Kameraden! Khaled bleibt!

übersetzt und gekürzt von renversé

Etwa 40 Personen versammelten sich am 04. Dezember 2015 beim Verwaltungsgericht, um ihre Solidarität mit Khaled zu zeigen. Bei der Anhörung im Gericht wurde er zu 60 Tagen Administrativhaft verurteilt.

Khaled ist ein abgewiesener Asylant aus Tunesien aber auch und vor allem ein Freund und Kamerad, der Teil der No Bunkers Bewegung, der Besetzung des Grütlis und der Besetzung von Faubourg in diesem Sommer war. Im Laufe des Kampfes wurde Khaled erneut in ein Heim gesteckt, wo ihm mitgeteilt wurde, dass er nach Tunesien zurückgeschafft werden wird. Trotz dieser Enttäuschung und der Repression, beteiligte er sich weiterhin aktiv an den Versammlungen der Bewegung.

Khaled verbrachte bereits 8 Monate in Haft, da er gegen das „Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer“ verstiess.

2014 wurden 8590 Menschen aus der Schweiz in ihre vermeintlichen Herkunftsländer abgeschoben (6000 unter ihnen durch Zwangsrückführungen und 252 durch Sonderflüge). Alleine im Oktober diesen Jahres wurden 726 im Rahmen des Ausländergesetzes abgeschoben und 2051 Menschen im Rahmen der Dublinvereinbarungen in einen Drittstaat überführt.

Das Kooperationsabkommen zwischen der Schweiz und Tunesien, das 2014 in Kraft trat, besagt, dass lediglich junge, gut ausgebildete Arbeiter_innen aus Tunesien für maximal 12 Monate in die Schweiz immigrieren dürfen.

Menschen in Knäste zu stecken, weil sie Ausländer_innen sind, ihnen verbieten zu arbeiten, sie in widerlichen, unterirdischen Zimmern oder in überfüllten Heimen schlafen zu lassen, die Nothilfe als Fessel zu benutzen, ihre Körperteile anzuketten, um sie in Flugzeuge zu laden… derart schmutziger Praktiken machen sich der Staat, das Einwohneramt, das Hospice Général (A.d.Ü. Sozialamt in Genf) und ihr Personal, die Richter_innen, die Bullen, Gefängniswärter_innen, die Sozialarbeiter_innen, die Sicherheitsbeamten, die Ärtzt_innen, die Flugunternehmen regelmässig schuldig. Es sind sie, die verbannt werden sollten!

Stoppt die Rückschaffungen (ob Dublin oder nicht)!

Stoppt den staatlichen Rassismus!

Stoppt die Maschine der Diskreditierung, Unsichtbarmachung, Rückführung, die vom Bundesamt für Migration und seinen Schergen eingerichtet wurde!!!

Freiheit für Kahled!

Festung Europa sabotieren – wir schaffen das

gefunden auf linksunten

Die Unordnung der einen ist der Freiraum der anderen: Dem Staat mag einiges entglitten sein, die Registrierung der Flüchtlinge, die Kontrolle ihrer Wege und Ziele, der selbstorganisiert helfende Aktivismus eines Teils seiner eigenen BürgerInnen. Darauf reagieren der Staat und die WohlstandschauvinistInnen mit Repression, Angriffen und Militarisierung. Wir rufen auf zu Anschlägen auf Infrastruktureinrichtungen, die den Zusammenhalt und das Funktionieren der Festung Europa nach innen und außen garantieren. Die Festung Europa ist in ihrer wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit zu sabotieren!

Noch während die Flüchtenden von freiwilligen HelferInnen, von mitfühlenden AktivistInnen, von solidarischen Menschen an den Bahnhöfen begrüßt wurden, verschärften die MachthaberInnen die rechtlichen Hürden für Flucht und Migration beinahe täglich. Dabei geht es nicht um reine Abschottung, sondern um Sortierung – in „gute“, „verwertbare“ und „weniger gute“, kaum zu „verwertende“ Geflüchtete. Führende Vertreter der Wirtschaftseliten wünschen sich ein begrenztes Potential an gut ausgebildeten Billigarbeitskräften. Menschen, die die Bereitschaft und Motivation mitbringen, jeden Strohhalm zu ergreifen, um den Kriegsverhältnissen zu entkommen, vor denen sie geflüchtet sind, sollen integriert werden – falls ihre Arbeitskraft für den Fortbestand des Standortes Deutschlands nützlich sein könnte. So ermöglichen Krieg, wirtschaftliche Not und Flucht den Unternehmen und dem Standort eine neue Runde der Lohndrückerei, unter dem Vorwand, ein vermeintliches demographisches Problem auszugleichen.

Angesichts dieses Selektionsziels – wir benutzen die Vokabeln bewusst, da wir widerliche Verhältnisse nicht durch politisch korrekte Bezeichnungen auch noch schönreden wollen – leuchtet es uns ein, warum die politisch Verantwortlichen in Kauf nehmen, dass Familien bei Kälte, Regen und mittlerweile Schnee im Freien vor dem „Landesamt für Gesundheit und Soziales“ in Berlin, dem „LaGeSo“, die Nächte und Wochen hindurch für ihre Termine anstehen müssen. Das so entstehende öffentliche Bild ist durchschaubar: Die „unhaltbaren Zustände“, die „Überforderung“ kann dann Thema in der öffentlichen Propaganda werden. Den WohlstandschauvinistInnen aller Färbungen und Parteien dient es als Zunder für ihre geistige Brandstifterei. Aktivistisch orientierte Nazis setzen die so erzeugte Stimmung in Brand- und Mordanschläge um. Der Verfassungsschutz wird sie – wie gewohnt (Stichwort: NSU) – gewähren lassen, steuern und bereitwillig Aufbauhilfe leisten, siehe Hogesa: Ein V-Mann des Verfassungsschutzes hatte die „Hooligens gegen Salafismus“ gegründet, die bekannt wurden durch ihren Innenstadt-Terror in Köln mit mehreren tausend Beteiligten.

Nicht nur die Nazis greifen Flüchtende und ihre Orte an: Die Polizei räumte das selbstorganisierte Camp kämpfender Refugees am Oranienplatz in Berlin. Sie überfiel das von Refugees besetzte Schulgebäude in der Ohlauerstraße und verhängten einen mehrtägigen Ausnahmezustand über das Viertel. Auf die Besetzung eines Hostels in der Friedrichshainer Gürtelstrasse antwortete sie mit der Abriegelung des Wohnblocks und einer Strategie des Aushungerns. Im Kleinen wie im Großen zeigt sich: Die Festung Europa kann nicht anders als militärisch gegen die Menschen in der Migration, die sie die „Flüchtlingskrise“ nennen, vorgehen. Wer das alles überlebt und erträgt, darf vielleicht bleiben und sich integrieren, so die Logik dieses buchhalterisch Kosten und Nutzen verrechnenden „Migrationsregimes“.

Allerdings haben sich Mitmenschlichkeit und Empathie eines Teils der Bevölkerung in Deutschland und in vielen anderen Ländern in solidarisches Handeln verwandelt und damit diese Festung durchbrochen. Und das ganz ohne staatliche Steuerung und regierungsamtliche Lichterketten – auch als praktische Antwort von Unten auf den Hass der Vertreter der rassistischen weißen Herrenrasse mit ihren Brandanschlägen. Gleichzeitig haben die Herrschenden kein anderes Problem als „die Ordnung wieder herzustellen“, sprich: die unkontrollierten Unterstützungsbewegungen wieder einzufangen und selbstbewusste, selbstorganisierte Flüchtende zu stoppen, die die Grenzen notfalls auch zu Fuß und quer über die Felder schaffen.

Der institutionelle Rassismus, wie er im abschiebungsorientierten Streben nach Wiederherstellung der Ordnung zum Ausdruck kommt, hängt mit Nazimorden und -brandstiftungen und der geheimdienstlichen Unterstützung beim Aufbau faschistischer Organisationen zusammen. Die vom Verfassungsschutz aufgebauten und teilweise durch V-Leute sogar geführten Zusammenhänge (Stichwort: Hogesa) bilden eine terroristische Reservearmee in diesem Land, die den kolonialen und rassistischen Chauvinismus als Leitkultur absichern soll, wenn es „eng“ wird. „Eng“ wird es dann, wenn soziale Konfliktlinien aufbrechen und revolutionäre Kämpfe daraus entstehen könnten – z.B. aus der Zusammenarbeit von Refugees und anderen verarmten oder empathischen  Bevölkerungsteilen.

Die Unordnung der einen ist der Freiraum der anderen: Dem Staat mag einiges entglitten sein, die Registrierung der Flüchtlinge, die Kontrolle ihrer Wege und Ziele, der selbstorganisiert helfende Aktivismus eines Teils seiner eigenen BürgerInnen. Die Menschen auf der Flucht haben die Unordnung durchgesetzt mit ihrer Mobilität, Kreativität, ihren Ideen und Strukturen, sei es in Deutschland, an den Grenzen der Balkanstaaten oder sonstwo unterwegs. Für sie ist die Unordnung eine Chance: Sie nutzen die Situation, indem sie sich ihr eigenes Zielland suchen, sich selbst entscheiden, welchen Zug sie nehmen und wo sie aussteigen und dabei weiter die ordnende, registrierende, sortierende und letztlich abschiebende Behördentätigkeit unterlaufen. Daher das krampfhafte Bemühen um die „Wiederherstellung der Ordnung“. Würden in einer solchen Situation viele Menschen im Inneren der Festung Europa zu Sabotageaktionen übergehen, dann wäre das auch nicht gerade ein Beitrag zur Wiederherstellung der Ordnung.
Wenn es keine Reisefreiheit für Flüchtlinge in Europa gibt und solange die Grenzen nur für jene offen sind, die den richtigen Pass besitzen, die richtige Sprache sprechen, die richtige Hautfarbe haben, solange ernsthaft erwogen wird, in als „sicher“ deklarierte Zonen innerhalb von Kriegsgebieten abzuschieben, darf es innerhalb der Festung Europa keine Ruhe und Ordnung geben.

Die Herrenmänner und -frauen, diese „Blut und Boden“-Hetzer und die Patrioten, eingewickelt in ihre Deutschlandfahnen mit ihren tagtäglichen Angriffen auf Flüchtlinge, deren UnterstützerInnen und alle die sich nicht in ihre Deutschwelt einfügen wollen, fordern ein Signal heraus, dass ihnen jede weitere Lust auf Übergriffe nachhaltig vergeht. Diese Kälte, dieser Hass auf Fremde, diese kühle rationale Denkweise über Nützlichkeit und Verwertung durchzieht die Geschichte von Herrschaft.

Wenn Flüchtlinge auf Demonstrationen rufen: „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört!“, dann weil Ressourcenraub, Waffenexporte, koloniale Unterdrückung über Jahrhunderte hinweg, jetzt dorthin zurückwirken, wo sie ihren Ausgang nahmen und nehmen. Deutschland ist, historisch wie aktuell, an der Zerstörung der Lebensbedingungen in vielen Ländern mitverantwortlich. Es hat durch Raubbau, durch Freihandel und Ausbeutung in Billiglohnverhältnissen, durch Waffenlieferungen, durch die Kumpanei mit korrupten Autokraten, Öl- und Gas-Diktatoren, durch Export zweifelhaften Industrieschrotts und der demokratischen Herrschaftsform, durch eigennützige Entwicklungshilfe und andere fragwürdige zivilisatorische Errungenschaften andere Länder dominiert, diese an sich gebunden, abhängig gemacht, ausgesaugt, wieder fallen gelassen und zerstört. Das Land, in dem wir leben und in dem sich fast alle über die „Flüchtlinge“ als „Krise“ einig sind, ist aber nicht etwa Opfer einer Krise. Dieser Staat mit seiner Wirtschaft und allen, die ihn stützen, ist Täter und Profiteur im globalen Krieg, der immer neue Grenzen überschreitet, schnell wechselnde Fronten und Bündnisse hervorbringt und über den in den privaten und staatlichen Medien berichtet wird, als ob nichts anderes möglich wäre.

Wer zum Beispiel aus Paris nicht die Lehre zieht, jegliche Waffenproduktionen und den Handeln damit international zu ächten, wird noch mehr Waffen bauen um diese auch einzusetzen. Soziale Konflikte werden nur noch militarisiert gedacht und ausgetragen. Eine Frage der Zeit, wann die nächste Asylrechtsverschärfung die aktuelle überflügelt, die nächsten Sicherheitsgesetze die Luft zum Atmen weiter abschnüren, wann die Festung Europa rein militärisch gesichert wird, wann an den Grenzen auf Flüchtlinge auch offiziell geschossen werden darf (ge- und erschossen wurde bereits) und wann der Einsatz deutscher Bodentruppen in Kampfhandlungen alltäglich wird. Alles wird Krieg und Deutschland als einer der weltgrößten Waffenexporteure verdient daran.

„Für freies Fluten“ war die Parole militanter Gruppen im letzten Jahrhundert als Antwort auf die „Flüchtlingsflut“ (neuerdings auch gerne „-orkan“), das paranoide Bild, mit dem gegen Menschen auf der Flucht und in der Migration gehetzt und schließlich das Asylrecht durch eine große Koalition schon damals, 1992, de facto abgeschafft wurde. „Für freies Fluten“ setzen diese Menschen jetzt ohne nennenswerten Anteil militanter Gruppen in die Wirklichkeit um. Mit all den Chancen und Widersprüchen.
Wir sehen unseren Platz an der Seite derer, die in dieses Land wollen und ihr Lebensrecht einfordern: Refugees welcome! Bring your families and comrades!

Die chauvinistische Mobilmachung gegen Refugees braucht ein starkes Kontra. Es gilt den Preis und den Schaden für die menschenverachtende Politik in absehbarer Zeit so hochzutreiben, dass ein Zwang zur Kursänderung entsteht.  Wie sonst könnte die gesellschaftliche Möglichkeit eröffnet werden, dass alle Geflohenen ins Land kommen können, die hier her wollen.

Wir rufen dazu auf, alle Strukturen unkontrollierter, selbstorganisierter Bewegung und der „Willkommenskultur“ selbstbewusst auszubauen und staatliche und polizeiliche Vereinnahmungsversuche zurückzuweisen.
Wir rufen zur subversiven Unterstützung für nachfolgende Aktivitäten und Solidarität im Falle der Repression auf:
Wir rufen zur aktiven Fluchthilfe und Unterbringung illegalisierter Flüchtlinge auf.
Wir rufen zu Sabotage aller Formen von militärischer Ausrüstung und aller Produktion fürs Militär auf.
Wir rufen zum Hacken aller militärischer Kommunikationen weltweit auf.
Wir rufen dazu auf, durch gezielte Anschläge auf Nazis und deren Strukturen deren Kräfte zu binden und dadurch Flüchtlingen und deren UnterstützerInnen den Rücken freizuhalten.
Wir rufen auf zu Anschlägen auf alle Behörden, deren Zweck es ist, Menschen nach ihrer Verwendbarkeit im Kapitalismus zu sortieren und alle Überflüssigen abzuschieben.
Wir rufen allerorten auf zu Anschlägen auf Infrastruktureinrichtungen aller Art, die dazu dienen, die Normalität und Ordnung aufrecht zu erhalten, die den Zusammenhalt und das Funktionieren der Festung Europa nach innen und außen garantieren. Die Festung Europa ist in ihrer wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit zu erschüttern und zu sabotieren!

Wir werden Geflüchtete verstecken und gemeinsam neue Orte schaffen, wir werden lernen diese Orte entschieden zu verteidigen, wir werden Löcher in die Zäune schneiden – konkret und im übertragenen Sinne.

Vulkangruppe: Festung Europa sabotieren – wir schaffen das

Bis zu seinem Tod, der Staat bleibt unser Feind!

übersetzt aus Séditions Nr.5 – Journal anarchiste apériodique de Besancon et de ses environs
(erschienen am 04.11.15)

Tag für Tag perfektioniert der Staat seine Mittel zur Kontrolle und Überwachung der Bevölkerung (wachsende Anzahl Kameras, Inbetriebnahme von neuen biometrischen und mit Chip versehenen Papieren, Drohnen, DNA-Erfassung…). Die technologischen Mittel, die der Staat auf uns alle anwendet, sind eine Illustration seiner Angst von Revolten, die das friedsame Leben der Dominierenden erschüttern könnte. Zu allen Zeiten in der Geschichte hat die Herrschaft mit dem Schreckgespenst des inneren Feindes gedroht – das sie benutzt, um den Bürgern Angst zu machen und ihre Unterstützung zu gewinnen – mit dem Ziel, seine eigene Sicherheit auszubauen, anders gesagt der Schutz der sozialen Ordnung. Heute ist es der „bärtige Islamist“ (auch als Einzelner), der ihr als Schreckensbild dient, um niederträchtige Gesetze in Windeseile zu erlassen. Man kann daher seit anfang Januar und dem Attentat auf „Charlie Hebdo“ (das bereits in der 2. Ausgabe von „Séditions“ angeführt wurde) von antiterroristischen Gesetzen sprechen. Am 18. September zahlte ein Betrüger, der sich auf einem Zug auf der Toilette einsperrte, um nach Paris zu gelangen, den Preis für den Staatsterrorismus: Hunderte Bullen mit einem Helikopter griffen ein, um den Bahnhof von Rotterdam zu evakuieren. Der Zugverkehr wurde ebenfalls blockiert. Das verübte Verbrechen: Der Wille gratis zu reisen, ohne durch den Schalter zu gehen! Anders gesagt ist dies ein perfektes Abbild dieses Krieges gegen die Armen. Mitte Oktober weitete der Staat – im rechtlichen Rahmen – die Befugnisse der Bullen und den Milizen des Transports (SNCF, RATP) aus: Gepäckkontrollen, „Sicherheitsabtastungen“, Durchsuchungen werden für sie leider möglich. Bis anhin konnten Polizisten und Gendarmen Gepäck von Passagieren nur im Falle eines erwiesenen „Delikts“ durchsuchen und auch dies nur mit der Einwilligung der Passagiere. Und wenn du dich den Befehlen der Ordnungshüter nicht beugst, wird dir der Zugang zum Zug verwehrt. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Repressionsorganen wird ausgebaut, wie dies die Übungen bezeugen, bei der Sicherheitsagenten der SNCF bei den Soldaten lernten, wie Widerspenstige besser gebändigt werden können. Bald wird der Staat die Nutzung von Drohnen ausbauen, um die Überwachung sogenannt „sensibler“ Infrastruktur zu vergrössern (die Gendarmerie wird die erste sein, der dies zur Verfügung gestellt wird). Die SNCF plant bereits dessen Nutzung in der Nacht ein, um gegen die Sabotagen auf den tausenden Kilometern der Bahnstrecken anzukämpfen, die derart neuralgische Punkte für das reibungslose Funktionieren des Warenverkehrs, sowohl menschlich wie materiell, darstellen.

All die unzähligen Mittel zur Überwachung sind eng mit dem Krieg verbunden, den der Staat gegen die Migranten führt.

Am letzten 12. September ruften internationalistische Aktivisten zu einer Versmmlung zum Empfang von Flüchtlingen in Besançon auf (ausgerechnet unter dem Slogan „Flüchtlinge willkommen“). Zuerst ist es wichtig sich zu erinnern, dass derjenige, der als „Flüchtling“ anerkannt ist, von einem Kriegsland kommt, das der („Aufnahme-“) Staat als solches anerkennt. Er ist es, der entscheidet, ob dieser oder jener Migrant den Status („des politisches Asyls“ oder „des Flüchtlings“) verdient hat oder eben nicht. Und diese Mission der Sortierung wird, unter anderen, den karitativen Organisationen (Emmaüs, Rotes Kreuz, etc…) überlassen. Diese Status, die von vorne bis hinten vom Staat konstruiert sind, versuchen zwischen den Migranten bei ihrer Suche nach diesem verdammten Stück Papier, Spaltungen hervorzurufen. Der Erhalt dieses Passierscheins („laissez-passer“) kann nicht als ein Ziel an sich verstanden werden. Als Anarchisten sind wir für das Ende mit allen Staaten und ihren Papieren, ihren fiktiven und realen Schranken, die die Dominierenden zwischen den Menschen auf der ganzen Welt errichten.

Die Angst des Staates liegt im Übrigen im unkontrollierbarem Aspekt der Immigration: Die Mission der Registrierung von Migranten durch die uniformierten Militärs und Humanitären, ihre europäische Koordination durch die Agentur FRONTEX sind da, um dem zu begnegen.

So ist es auch keine Überraschung, dass dieser Aufruf zur Versammlung leicht von der lokalen Macht rekuperiert werden konnte (in ihrer Zeitung nimmt der Bürgermeister der PS (Parti Socialiste) diese Mobilisierung mit einer Prise Chauvinismus auf sein Konto). Was gibt es letztendlich normaleres, als die „Aktivisten“, die sich auf das gleiche Spielfeld wie die Macht begeben. Der Staat und die Bürgermeisterämter gehen noch weiter, indem sie verkünden, eine limitierte Anzahl Migranten, Opfer des vom IS auferlegten Terrors, aufzunehmen. Der Staat ruft die Bürger zur Wohltätigkeit auf und verwandelt sie so in karitative Freiwilligenarbeiter. Der Migrant wird als Opfer und abhängiges Wesen betrachtet, den es in die Gesellschaft zu integrieren und produktiv zu machen gilt. Diese Quoten sind offensichtlich nichts anderes als selektive Immigration: Sie stellen sich den Plänen der Staaten bei, denn es handelt sich um die Suche nach Arbeitskräften im technischen Sektor wie der Informatik (in Deutschland hat die Regierung bereits angekündigt, syrische Migranten für ihre grossen Kompetenzen und Kenntnisse in diesem Bereich zu regularisieren). Dennoch hat die Abschiebemaschine des Staates noch nie so gut funktioniert: Razzien in Zusammenarbeit zwischen Kontrolleuren und Sicherheitsbeamten der SNCF, Grenzpolizei, etc… ; Sans-Papiers, die mit Gewalt in die Charterflüge von Air France gepresst werden; Abschiebeverfahren gegen Familien und ihre Kinder (eingeschult oder nicht, wen kümmerts!) sind hierbei alltägliche Vorführungen. Die Bullen und Funktionäre bekämpfen diejenigen, die sich auf irgendeine Art über den Staat und seine Gesetzen hinwegsetzen; die, wie viele andere – immer mehr, mit oder ohne Papiere – keine andere Wahl haben als die Illegalität, um zu überleben…

Die Sans-Papiers durch das Sammeln von Kleidern, Nahrung und kleinen Geldbeiträgen während den Konzertabenden zu unterstützen, ist gewiss lobenswert, doch was ist unsere Haltung gegenüber den Institutionen, die an ihrer Sortierung, ihren Abschiebungen, ihrer Einsperrung mitwirken? Lässt man sie weiter im Frieden oder nimmt man das Problem in die Hände und greift sie an? Hier tuen sich die unerschütterlichen Gräben zwischen jenen auf, die die Fundamente dieser Welt in einer revolutionären Perspektive durchbrechen wollen und denen, die das Existierende erträglicher machen wollen und es somit erhalten. Die Selbstorganisation unter den Beherrschten (Unterkunft, Nahrung, das alltägliche Durchschlagen betreffend) ist sicherlich mehr als notwendig, doch macht sie nur Sinn, wenn sie gleichzeitig von offensiven Praktiken gegen die Strukturen der Macht, die unterdrücken, einsperren, abschieben und mit allen aufräumt, die als schädlich oder überflüssig für den Vormarsch des Kapitalismus und die Stabilität des Staats betrachtet werden, begleitet ist.

Um auf diese Versammlung zurückzukommen, einige Anarchisten waren dennoch anwesend, um einen Flyer mit dem Titel „Weder Staat noch Wohltätigkeit – aktive Solidarität mit allen Sans-Papiers“ zu verteilen, um einen anderen Klang als derjenige der Organisationen der extremen Linken, die ihre politischen Programme verteilten, beizusteuern.

Der verteilte Flyer auf französisch und englisch

Die “Flüchtlingskrise”

übernommen von Fernweh Nr. 16 – Anarchistische Strassenzeitung

Nachdem das Thema „Grexit“ nun erst mal vom Tisch und die Situation in Griechenland für die nach Einschaltquoten und Verkaufszahlen kreischenden Mediengeier somit uninteressant geworden ist wurde ein neues Thema auf den Plan gerufen, das täglich für Schlagzeilen sorgt. So werden wir seit geraumer Zeit von immer neuen Rekord-Ankunfts-Zahlen, Berichten über das x-te „Unglück“ mit dutzenden oder hunderten von Toten und rührigen Bildern vom „hellen Deutschland“ der Hilfsbereitschaft gegenüber denen vom „dunklen Deutschland“ der brennenden Asylunterkünfte bombardiert.

Für ein paar Wochen können jetzt die Medien den Hals gar nicht voll bekommen vom „Flüchtlingsproblem“, solange, bis die Politik auch dafür eine „Lösung“ gefunden hat, die zwar in keinster Weise die Probleme der Betroffenen löst oder deren Leid mindert, dafür aber die Schar aufgeregter Bürger soweit zufrieden stellt, dass sie das Interesse dafür, was mit flüchtenden Menschen in und um Deutschland bzw. Europa passiert, wieder verlieren. Dann geht alles wieder seinen gewohnten Gang: die, die sterben, tun es von weniger Kameras begleitet, Asylverfahren oder Sofort-Abschiebungen in „sichere Herkunftsländer“ – also Staaten, bei denen davon ausgegangen wird, dass von dort Flüchtende nicht von Krieg oder politischer Verfolgung bedroht sind, sondern „nur“ ein Leben am Existenzminimum fristen und deshalb in Zukunft direkt dorthin zurück geschoben werden sollen – zerstören weiter die Hoffnungen Tausender, aber wie bis vor Kurzem wieder ohne allzu große Beachtung zu finden.

Bis es aber soweit ist, vergeht kaum ein Abend, an dem nicht in mindestens drei Polit-Talkshows und Sondersendungen zum Thema Flüchtlinge eine Hand voll Politikern und selbsternannter Expert_innen in Anzug oder Kostümchen in gewählten Worten ihre jeweiligen Standpunkte gegenüberstellen, das ganze Spektakel meist garniert von einem_r nicht weniger adrett gekleideten Repräsentant_in dessen, was in ihrem Jargon „gut integrierte Immigranten“ genannt wird, also einer – vorzugsweise jungen – Person, die bereit ist, in perfektem Deutsch ihre dramatische Geschichte und perspektivlose Situation hier zu schildern, in der sie ohne gesicherten Aufenthaltsstatus nicht arbeiten zu dieser ach so schönen deutschen bzw. europäischen Gemeinschaft in dem Maße beitragen darf, in dem sie gerne würde. Und damit – gewollt oder ungewollt – an der Konstruktion des erwünschten Bildes von arbeits- und integrationswilligen Immigranten mitwirkt, die bereit dazu sind, entweder die Drecksarbeiten zu übernehmen, für die sich deutsche Abiturient_innen zu schade sind oder als hochqualifizierte ausländische Arbeitskräfte Führungspositionen in Wirtschaft und Forschung zu übernehmen. Dieses Bild wird auch von den Befürwortern einer gelockerten Asylpolitik und einer „Willkommenskultur“ kreiert, und dem Schreckensbild des arbeitsfaulen, kriminellen Ausländers, der sich auf Kosten des deutschen Steuerzahlers ein schönes Leben macht, gegenübergestellt. Die jeweiligen Chefideologen gelangen dabei lediglich zu unterschiedlichen Einschätzungen über den Nutzen des menschlichen Materials, das da zu Tausenden über die Grenzen kommt für den (Wirtschafts-)Standort Deutschland bzw. Europa. Sie verbindet aber die Fokussierung auf ebendiesen Nutzen und ein offener oder mal besser mal schlechter versteckter Nationalismus. Die einen schmücken sich nebenbei noch mit einer gehörigen Portion demokratischem Humanismus, und begründen ihr nationales Selbstbewusstsein auf der „Weltoffenheit“ ihrer sogenannten Wertegemeinschaft, die anderen wollen bereits an den EU-Außen- bzw. Binnengrenzen in „echte“ und „falsche“ Flüchtlinge unterteilen und fordern ein härteres Vorgehen gegen „Asylmissbrauch“ sowie das weitgehende Ersetzen des erbärmlichen „Taschengeldes“ durch „Sachleistungen“. Wieder andere, die Hassparolen skandieren und Feuer legen, werden dafür wegen der angewandten Brutalität, und ihrer undemokratischen Vorgehensweise kritisiert, die dem Ansehen Deutschlands in der Welt ernsthaft schaden könnte, nicht jedoch für den ihrem Handeln zu Grunde liegenden Nationalismus. Dieser wird allenfalls für das Ausmaß verurteilt, das er in Gewaltexzessen annimmt, die nicht durch eine höhere Instanz legitimiert sind, anderes, als in von Staaten geführten Kriege oder durch die wirtschaftlichen Verhältnisse, vor denen Millionen die Flucht ergreifen und für die in einer globalisierten Welt die deutsche Wirtschaft und Politik maßgeblich mitverantwortlich sind.

Für eben diese Wirtschaft und Politik sind die Geflüchteten aus der liberal-demokratischen Sichtweise der bürgerlichen Mehrheit auch dann noch nützlich, wenn sie eines Tages in ihre Herkunftsländer zurückkehren, in dem sie mit ihren hier erworbenen Qualifikationen, ihren hier geknüpften wirtschaftlichen, politischen und diplomatischen Beziehungen und ihren hier geprägten Wertvorstellungen den Einfluss Deutschlands und Europas in diesen Ländern stärken.

Nützlich ist, auf einer ideologischen Ebene, auch die aktuelle Inszenierung von – oft institutionalisierter – Hilfsbereitschaft als ein weiterer der einheitsstiftenden Momente für das nationale Gefüge, die gerade bei jeder Gelegenheit gesucht werden um über die klaffenden Gegensätze innerhalb der Gesellschaft hinweg zu trügen und die demokratische Mentalität wieder zu stärken.

„Wir“ als Fußballweltmeister.

„Wir“ gegen den Terrorismus.

„Wir“ als starke Nation in der Griechenland-Krise

„Wir“ gegen das Schlepperwesen.

„Wir“ sind auch dem Flüchtlingsproblem gewachsen.

Angela Merkel, die mit ihrem „Wir-schaffen-das-wir-sind-ein-starkes-Land“- Geschwafel absurder Weise zu so was wie einer Heiligen für viele Flüchtlinge geworden zu sein scheint, hat ganz sicher nicht plötzlich ihr großes Herz entdeckt sondern wittert neue Chancen für einen wirtschaftlichen Aufschwung und dafür, das Gefühl nationalen Zusammenhalts zu stärken. Gleichzeitig werden wieder Grenzkontrollen durchgeführt, sollen „Transitzonen“ eingerichtet werden und wird versucht, mit allerlei diplomatischen Spitzfindigkeiten die Regierungen der Bundesländer und anderer (EU-) Staaten auf Kurs zu bringen um eine „gerechtere Verteilung“ – sowohl innerhalb Deutschlands bzw. der EU als auch an den EU-Außengrenzen wie z.B. durch das jetzt geplante Abkommen mit der Türkei – zu erreichen und so keinen Stabilitätsverlust zu riskieren. Dabei werden wie immer auch gerne Kompromisse mit offiziell geächteten Regimes gemacht, die im Zweifelsfall dann die unschönen aber effizienten Methoden zur „Regulierung“ der Einwanderung anwenden, mit denen sich die hochgelobten Demokratien nur ungern in Verbindung gebracht sehen.

Bei dem Gezanke von links und rechts über die angemessen Methoden und das richtige Maß dieser Regulierung spielen die Konsequenzen von Politik und Wirtschaft, von Schlepperwesen, Grenzregimes und Verfolgung durch staatliche Behörden für diejenigen, die sie täglich am eigenen Leib zu spüren bekommen, nur dann eine Rolle, wenn sie irgendjemandes Standpunkt untermauern. Zwar werden, wenn es wieder einmal Tote gibt, wie neulich die 71 Menschen in einem Kühllaster auf der Autobahn von Ungarn nach Wien, dicke Krokodilstränen vergossen, parlamentarische Schweigeminuten gehalten und Betroffenheit simuliert.

Aber egal wie sich die „Lösung“, die für die aktuelle „Eskalation“ der „Flüchtlingskriese“ gefunden wird, präsentiert, steht bereits jetzt fest, was mit denen passiert, die nicht bereit sind, sich zu integrieren, sich ausbeuten zu lassen unter sklavereiähnlichen Bedingungen oder zu Führungskräften in den Unternehmen zu werden, durch die anderswo Menschen zur Flucht getrieben werden.

Mit denjenigen, die Angela Merkel nicht als Schutzpatronin begreifen, sondern als eine derer, die für die unwürdigen Überlebensbedingungen hier so wie dort, von wo aus sie geflohen sind, verantwortlich sind, und durch den Erhalt von Grenzen und der bestehenden Verhältnisse, die überall so viel Leid verursachen, ihre Macht erlangen.

Was also mit denjenigen passiert, die für uns zu Kampfgefährt_innen werden könnten gegen diese uns gemeinsam unterdrückenden Verhältnisse, gegen Grenzen, Staaten, Politiker und die deutsche wie jede andere Wirtschaft, ist klar: Sie vegetieren in Abschiebeknästen, werden abgeschoben, ermordet, oder landen im Knast, wenn es ihnen nicht gelingt, den als offene Arme präsentierten Fängen den Staates durch ein Leben in der Illegalität zu entgehen.

Versuchen wir, Verbindungen zu knüpfen, nicht aus Mitleid und Gutmenschentum, sondern aus dem geteilten Verlangen heraus, dem, was uns zur Flucht treibt, einsperrt und fremdbestimmt, ein Ende zu bereiten!

PS: Wer von Medien oder Politik was anderes erwartet hat oder irgendwas erwartet, dem ist eh nicht zu helfen!

Für wen ist Migration ein Problem? [Anarchistisches Flugblatt]

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Für eine Welt ohne Grenzen

Folgender Text wurde als Flugblatt in den letzten Tagen und Wochen auf den Straßen Düsseldorfs verteilt, fand sich in Briefkästen, beim Büdchen oder in der Kneipe. Unten findet sich das PDF zum ausdrucken und verbreiten.

Für wen ist Migration ein Problem?

Der Staat und das Kapital stehen vor einem neuen, alten Problem: dem der unkontrollierten und massenhaften Migration. Für die Macht, die alles dafür tut den sozialen Frieden zu erhalten – und alles ist dabei wörtlich gemeint, schaut man nur auf die Millionen von Menschen die vor den Grenzen krepieren, in den Knästen dahinvegetieren, auf den Straßen verelenden,… -, stellt es eine potenzielle Gefahr dar, wenn Menschen in Massen umherziehen. Der soziale Frieden ist immer der einwandfreie Verlauf des Wirtschaftsmarktes und Staatsapparates. Darum ist Migration für die Herrschaft nur nützlich, wenn sie für den Arbeitsmarkt brauchbar und kontrolliert ist. Der soziale Frieden sieht sich durch die massenhafte und unkontrollierte Migration bedroht, da die Institutionen kollabieren und die Grenzen ihre Funktion nicht mehr zu Genüge erfüllen, kurz: die Herrschenden die Kontrolle über die Lage verlieren.

Es gibt viele Gründe für Migration. Die Frage welche Gründe legitim sind, überlassen wir den Helfern der Macht (den Politikern, Wissenschaftlern, „Flüchtlingsexperten“ und wie sie alle heißen), sie interessiert uns nicht, denn für uns als Anarchisten und Anarchistinnen – als Feinde jeglicher Macht – ist es egal warum Menschen flüchten, denn Migration ist immer berechtigt! Es ist uns z.B. egal, ob Menschen auf Grund von militärischen Kriegen flüchten, die dieses System der Ausbeutung und Herrschaft andauernd produzieren, oder weil sie für das Kapital „überflüssig“ wurden (ihre Arbeitskraft vom Markt nicht mehr benötigt wird), und statt auf den Straßen zu verelenden, auf die Suche nach was Neuem gehen – emigrieren.

Migration an sich ist kein Problem, sondern ist ein Problem für die Macht, wenn sie unkontrolliert ist. Die spontanen und selbstorganisierten Momente die gerade entstehen, wenn Flüchtlinge hier ankommen, versucht der Staat zu verdrängen oder kontrollierbar zu machen, z.B. dadurch, dass die Versorgung der Flüchtlinge von der Bundeswehr und „humanen“ Organisationen übernommen wird, die freiwilligen Helfer sich registrieren lassen müssen, Flüchtlinge in Lager gesperrt werden,… Unkontrollierte Migration als Problem drängt sich allen Feinden der Freiheit auf, all jenen, die eine Interesse daran haben, dass eine Herrschaft erhalten bleibt, von den Politkern aller Couleur über die Bosse und die braven Bürger, zu den Nazis. Sie alle unterscheiden sich nur in der Art wie sie versuchen das „Problem“ der (unkontrollierten) Migration zu lösen, bzw. zu verwalten.

Die Migration ist ein vom Staat und Kapital selbst-erschaffenes und selbst-deklariertes Problem. Jeder Versuch einer Lösung des Problems kommt dem Erhalt der Ausbeutung und Herrschaft zugute. Wenn wir keine Lösung für das Problem der (unkontrollierten) Migration vorschlagen, dann ist es, weil für uns Migration kein Problem ist. Folglich sind für uns auch alle Fragen, die mit der Lösung des Problems Migration zu tun haben, falsch. Uns interessiert nur die soziale Frage, und die einzige Antwort auf diese lautet: soziale Revolution, die Zerstörung der Macht, die Zerstörung jeglicher Herrschaft und Ausbeutung. Unser Vorschlag ist daher für alle, die diese Welt der Einsperrung, Ausbeutung und Herrschaft bekämpfen möchten: Sozialer Krieg!Angriff, Revolte und Aufstand gegen die Herrschaft, ihre Diener, Wächter und Mauern.

Für wen ist Migration ein Problem? Flyer_A5 (PDF)