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Archiv der Kategorie: Lager
Steenokkerzeel, Belgien: Kleiner Aufruhr im Centre 127 bis für Ausländer
übersetzt von rtbf.be
Ein kleiner Aufruhr ist am 25. August im geschlossenen Zentrum für Ausländer 127 bis in Steenokkerzeel ausgebrochen. Etwa ein dutzend Personen verursachten Schäden im Speisesaal, zerschlugen den Fernseher, Heizungen und andere Gegenstände.
Gemäss der Ausländerbehörde handelte es sich um Personen, deren Aufenthalt im 127 bis kürzlich verlängert wurde, diese allerdings mit ihre Freilassung gerechnet hatten. Die Situation sei unter Kontrolle. Eine Person wurde in Isolation verlegt.
Eine Frist von 8 Monaten, erneurbar im Falle von Rebellion
Die im geschlossenen Zentrum Eingesperrten sind abgewiesene Asylbewerber. Am Ende des Verfahrens bekommen sie eine Anordnung, dass sie das Territorium verlassen müssen. Die illegalen Ausländer werden, wenn ihre Personalien überpüft werden (meistens in der Folge einer Polizeikontrolle), in ein geschlossenes Zentrum gebracht, wo sie auf die Abschiebung in ihr Herkunftsland warten. Das Gesetz legt eine Maximaldauer der Haft in einem geschlossenem Zentrum von 8 Monaten fest. Wenn ein Ausländer aber angesichts einer Rückführung rebelliert, beginnt diese Periode wieder von Neuem. Nach unseren Information ist der Krawall ausgebrochen, als ein Marokkaner in den Kerker gebracht werden sollte und dieser dann anfing, den Speisesaal zu plündern. Der Mann möchte seit Tagen zurückgeschafft werden, um dem Begräbnis seines Bruders und Vaters, die vor kurzem verstorben sind, beizuwohnen. Als er erfuhr, dass sein Aufenthalt im Zentrum verlängert wurde, sind ihm „die Sicherungen durchgebrannt“ und hat sich am Speisesaal zu schaffen gemacht. Andere Häftlinge haben dann ebenfalls angefangen zu rebellieren. Einige haben beschlossen, einen Hungerstreik zu machen.Die Polizei vor Ort
Gegen 14 Uhr sind Anti-Riot-Cops mit Hunden ins Zentrum eingedrungen. Gemäss einem Zeugen haben die Polizisten einen der „Randalierer“ geschlagen und verhaftet. Dieser war gegenüber der Direktion ein Sprecher der Gruppe und klagte die prekären Bedingungen an: schlechtes und zu wenig Essen, übelriechende Toiletten, etc. Die Polizei konnte die drei Personen, die als Anführer des Krawalls ausgemacht wurden, isolieren und in andere geschlossene Zentren verlegen.
Italien: versuchte Brandstiftung im CPR von Caltanissetta, Ausbrüche in Brindisi
übersetzt von hurriya
CPR di Pian del Lago – Caltanissetta
Einige Migranten zündeten gestern (31.08.17) kurz vor Mitternacht im CPR, centro per i rimpatri (Abschiebezentrum, ehemals CIE) Pian del Lago Kleider und Bettwäsche an, um gegen ihre bevorstehende Abschiebung zu protestieren.Zwei oder drei Insassen versuchten auch die Matratzen in Brand zu setzen, doch aufgrund früherer Vorfälle ist das ganze Material im Zentrum, einschliesslich der Matratzen, feuerfest. Der angerichtete Schaden belief sich also lediglich auf eine angeschwärtzte Mauer.
Das Personal von Auxilium, die das Lager betreiben, konnten den Betrieb am nächsten Morgen normal weiterführen.
Ausbrüche aus dem CPR von Brindisi-Restinco
Vier Migranten konnten in der Nacht des 12. Augusts aus dem CPR von Brindisi-Restinco entkommen, nachdem sie ein Loch in den Zaun schneiden konnten.Auf der Flucht in die Freiheit hatten sie genug Zeit, damit sich ihre Spuren verlieren. Das Sicherheitspersonal im Lager bemerkte den Vorfall erst am nächsten Morgen.
Seit das Zentrum im Oktober 2015 den Betrieb wieder aufgenommen hat, gab es zahlreiche Berichte über die harten Bedingungen, denen die Eingesperrten ausgesetzt sind (schlechtes Essen, schlechte Hygiene, Bedrohungen durch Aufseher und Personal…). In einigen Fällen versuchten verärgerte Häftlinge sich selbst zu verletzen oder umzubringen. Erst am 16. August versuchte ein marokkanischer Gefangener sich aufgrund der schrecklichen Bedingungen sein Leben zu nehmen.
Ein Brand vor einem Jahr, der nach starken Protesten ausgebrochen ist, hinterliess ein Teil des CPR (damals noch CIE genannt) unbrauchbar, was die Kapazität des Staates zur Einsperrung und Deportation erheblich einschränkte.
Mit der Flucht von einigen Unbeugsamen zur Eroberung der Freiheit.
Perpignan und Nîmes, Frankreich: Mehrere Ausbrüche aus den Internierungslagern
übersetzt und zusammengefasst von attaque
Perpignan: Die Vorfälle gehen auf den 26. März zurück. An diesem Tag konnten vier Personen mit der Hilfe des Abwasserkanals aus dem Internierngslager von Perpignan entkommen. Beim Ausgang wartete ein Komplize mit einem Auto auf sie. Eine Flucht, die durch die Komplizenschaft von mehreren Mitgefangenen ermöglicht wurde, die eine menschliche Mauer im Hof bildeten und so die Aufmerksamkeit der Wärter und Kameras auf sich richteten. Eine Tat, die die Komplizen mit vier Monaten Haft und fünf Jahren Landesverbot bezahlen müssen.
Während drei der Geflüchteten nach Spanien gelangten, blieb einer ohne Papiere in Frankreich, wo er am 23. Juli in Nîmes verhaftet wurde. Er wurde zu sechs Monaten Haft und ebenfalls fünf Jahren Landesverbot verurteilt.
Nîmes: Mehrere Personen sind am Wochenende (29./30.07.17) aus dem administrativen Internierungslager in Nîmes ausgebrochen.
Die Identifizierungen sind im Gange, um verstehen zu können, unter welchen Umständen es zu diesen Vorfällen kommen konnte.
Bisher wurden aber keine exakten Informationen zu den Ausbrüchen veröffentlicht.
Lesbos, Griechenland: Migranten legen Feuer und werfen Steine auf die Polizei
übersetzt von greekreporter.com
Migranten haben als Reaktion auf die Ausschaffung eines Asylsuchenden, der in die Türkei zurück gebracht werden soll, rund um das Moria Camp auf Lesbos Feuer gelegt und Steine auf die Polizei geworfen.
Gemäss Lesvosnews.gr protestierten Migranten am Dienstag Nachmittag (18.07.17) beim Aufnahme- und Identifikationszentrum auf Lesbos gegen die Ausschaffung eines Asylsuchenden in die Türkei. Sie verliessen das Camp und blockierten die Strasse, indem sie Abfalleimer in Brand setzten, während sie gleichzeitig der Feuerwehr den Weg versperrten.
Einige Migranten zündeten nahegelegene Olivenbäume an, um die Polizei und die Feuerwehr abzulenken. Sie beschädigten auch rund ums Camp parkierte Autos. Als die Polizei eintraf, warfen die Migranten Steine auf sie, bevor sie sich ins Lager zurückzogen.
Lesbos, Griechenland: Zusammenstösse und Feuer
übersetzt von ekathimerini.com
Ein Protest gegen die Bedingungen im überfüllten Auffanglager Moria auf Lesbos eskalierte am Montag Nachmittag (10. 07).
Die Unruhen begannen, als eine Gruppe von Migranten vor einem Lager demonstrierten, das sich im Moria Camp selbst befindet und in dem die Migranten auf ihre Ausschaffung in die Türkei warten, um auf die minderwertigen Bedingungen aufmerksam zu machen.
Die Polizei versuchte, das Lager zu beschützen, wurde aber mit Steinen beworfen, woraufhin Tränengas eingesetzt wurde.
Gemäss der Athen-Mazedonien Nachrichtenagentur wurden zwei grosse Zelte und zwei Gebäude angezündet, während die Migranten die Feuerwehr blockierte.
Es gab keine Berichte von Verhaftungen.
Genf: Erneute Ausbruchsversuche aus der Haftanstalt Favra
übersetzt von renversé
Die Tribune de Genève von Gestern (21.06) berichtet von drei versuchten Ausbrüchen aus dem Gefängnis Favra, ein administratives Internierungslager (A.d.Ü. = Ausschaffungsgefängnis) neben dem Knast von Champ-Dollon.
Vor wenigen Wochen gelang es zwei Gefangenen von diesem gleichen Ort zu flüchten: Nachdem sie ein Schloss sabotierten und eine Türe mit einem Stuhl blockierten, haben sie die Scheibe des Speisesaals mit einer Billardkugel eingeworfen, um aus dem Gebäude zu kommen. Danach passierten sie den Stacheldrahtzaun mit der Hilfe von Decken und unter Jubelrufen von anderen Insassen.
Nach Philippe Bertschy, Generaldirektor des Amtes für Justizvollzug, ist das Problem mit Favra „die überalterte Struktur“. Nun wissen wir aber sehr genau, dass das Problem mit Favra dasjenige ist, dass man dort Menschen einsperrt, bloss weil sie über keine Aufenthaltsbewilligung verfügen. Die gute Nachricht ist, dass „diese Einrichtung innerhalb der nächsten vier Jahre eingerissen werden soll. Wir können keine Millionen verlangen, um sie zu renovieren.“ Die schlechte Nachricht hingegen ist, dass sie durch die Anstalt Brenaz 2 ersetzt werden soll – wo insbesondere Zellen für Familien vorgesehen sind – sobald das Gefängnis Les Dardelles fertig gebaut ist. (A.d.Ü. Les Dardelles soll bis 2022 450 neue Haftplätze schaffen.)
Die drei Männer, die versuchten auszubrechen, wurden in Einzelzellen in Favra und Champ-Dollon platziert. Nach dem schweizer Recht stellt die Flucht kein Verbrechen dar. Auf welcher Basis kann also ein Gefangener von einem Internierungslager in ein Gefängis verlegt werden? Wenn die Kinder in den Familienzellen von Brenaz nicht folgsam sind, werden sie dann ebenfalls nach Champ-Dollon versetzt?
Paris, Frankreich: Affäre „machine à expulser“- 4 Personen am 23. Juni 2017 vor Gericht
übersetzt von sans attendre demain
Nach siebeneinhalb Jahren der Beweisaufnahme, tausenden Seiten an Unterlagen, fünfzehn Personen, deren Wohnungen durchsucht, die verhaftet, beschattet, abgehört, gefilmt, angeklagt, eingesperrt, unter Hausarrest gestellt und unter verschiedenen juristischen Massnahmen gehalten wurden, die über mehr als sieben Jahre aufrechterhalten wurden, bringt der Staat und die Justiz am 23. Juni schliesslich vier Personen vor Gericht in Paris. Die schlimmsten Anklagen haben nur dazu gedient, die Intensität der Repression zu rechtfertigen, nun aber alle fallen gelassen werden mussten, um kleineren Anschuldigungen Platz zu machen (Tags, kleinere Beschädigungen, Verweigerung der Entnahme von DNA und anderen erkennungsdienstlichen Massnahmen, etc.). Lasst uns also zahlreich sein an diesem 23. Juni, um unsere Solidarität gegen die Grenzen und allen Formen der Einsperrung auszudrücken, in der Verweigerung der Kategorien der Herrschaft wie „unschuldig“ und „schuldig“, in der Verweigerung der Justiz.
Es ist schon eine Weile her, als im Juni 2008 im CRA von Vincennes, nachdem Salem Souli an einem Herzanfall verstarb, Hungerstreiks, Zusammenstösse mit den Bullen und unterschiedlich intensive Phasen des Kampfes ausbrechen. Am 22. Juni, ein Tag nach dem Tod, bricht im CRA eine generelle Meuterei aus. Das CRA brennt vollständig aus, die Sans-Papiers werden evakuiert. Zehn Personen werden angeklagt und bekommen bei einem vorauszusehenden Prozess zwischen acht Monaten und drei Jahren Haft in der ersten Instanz. In Solidarität mit den Angeklagten finden in ganz Frankreich (und darüber hinaus) zahlreiche, offensive Initiativen statt, wie zum Beispiel zahlreiche Sabotagen an Bankomaten von Banken, die die Sans-Papiers bei den Bullen denunzieren. Zwei Hausdurchsungswellen werden am 15. Februar und 8. Juni 2010 gegen zwölf Kameraden und Gefährten durchgeführt, unter ihnen Dan, Olivier und Camille, die im Januar 2011 zwischen einer Woche und drei Monaten eingesperrt werden, dann François, der eine Woche eingesperrt wird.
Der Umfang dieser Affäre, allgemein als „de la Machine à Expulser“ (z.dt.: der Abschiebemaschine) bezeichnet, die teilweise von der Section Anti Terroriste (SAT-PP) der Brigade Criminelle veranlasst wurde, ermöglichte zunächst – auf der Grundlage eines ausgebauten Dossiers, das die Konstruktion des Staates einer „anarcho-autonomen“ Identität aus der Île de France (die bekannte MAAF) bestätigte – eine Ausweitung juristischer und polizeilicher Ressourcen und führte dazu, Kameraden und Gefährten während Jahren unter der Drohung eines laufenden Verfahrens und der verstärkten Überwachung der Geheimdienste zu halten. Sein Umfang zielte aber vor allem auf die Dynamiken der autonomen Kämpfe ab, die es zu stoppen galt, indem versucht wurde, die entstandenen Verknüpfungen der Kämpfe innerhalb und ausserhalb der Internierungslager, im besonderen demjenigen von Vincennes (als grösster Knast für Ausländer in Europa), zu zerbrechen. Wie bei anderen Affären der letzten zehn Jahre in Frankreich (die sogenannte Affäre „mauvaises intentions“, die sogenannte Affäre „de Chambéry“, die sogenannte Affäre „de Tarnac“) ging es dem Staat auch darum, unsere Kämpfe, Angriffe und Verlangen hinter der utilitären Betitelung des „Terrorismus“ zu klassifizieren, um für eine Zeit einen von anderen Formen der sozialen Konfliktualität isolierten und willkürlichen inneren Feind zu kreieren – einmal als solcher kategorisiert, folgen die Mittel der Kontrolle, der Überwachung und der Repression.
Wir rufen bereits jetzt und minimal zu einer solidarischen Präsenz beim Prozess auf, der am 23. Juni um 13.30 Uhr in der 12. Kammer des tribunal de Grande instance in Paris (métro Cité) stattfinden wird, und wir rufen alle dazu auf, ihre Solidarität auf ihre Art auszudrücken, kollektiv und/oder individuell.
Lassen wir uns nicht stillschweigend verurteilen
Freiheit für alle, mit oder ohne Papiere
Feuer den Internierungslagern(Eine öffentliche Versammlung wird bald angekündigt und eine zusammenfassende Broschüre der Affäre wird in Kürze veröffentlicht. Jede andere Initiative ist wilkommen, nicht zuletzt um Geld für den Prozess zu sammeln.)
Contact: pafledab@distruzione.org
Weitere Informationen zu der Affäre und Briefe von Olivier und Dan aus dem Knast findet ihr auf an die Waisen des Existierenden.
Eine Auflistung von Aktionen, die während einer Woche der Solidarität mit den Angeklagten Rebellen des Internierungslagers stattfanden, findet ihr auf non-fides.
Italien: Karte der neuen Lager
übersetzt von NO CIE modena
Hier eine Karte mit den eingezeichneten Orten, an denen die neuen Lager CPR (Centri di permanenza per il rimpatrio), die die alten CIEs (Centri di identificazione ed espulsione) ersetzen, bis im Juli entstehen werden.
NEUE CIES = ALTE LAGER
Auf dass von den Knästen und den CPRs nur Trümmer übrigbleiben
Ich sage dir: Kämpf mit mir gegen das Lagersystem – Interview mit einem Besetzer der Klosbacherstrasse 50 in Zürich
übersetzt von ajour
In der Schweiz werden Flüchtlinge oftmals isoliert und in alten, übers ganze Land verteilten Atombunkern untergebracht. Selbstverständlich gibt es da kein Tageslicht und die Menschen sind den konstanten Schikanen der Behörden ausgesetzt. Frida Frey sprach mit einem der dreizehn illegalisierten Flüchtlingen, die es in Erwägung gezogen haben, dass es für sie wichtiger sei, raus zu gehen und ein Teil der Gesellschaft zu sein, als sich nach dem zu richten, was der Staat ihnen sagt. Er möchte nicht mit seinem richtigen Namen genannt werden, sondern bevorzugt „etwas einfaches, wie ‚illegalisierter Flüchtling‘ oder ‚Flüchtlingsaktivist‘“. Im März 2017 entschieden sie sich in ein leeres Haus im Zentrum Zürichs (Klosbachstrasse 50, 8032 Zürich) zu ziehen, das derCredit Suisse Group AG gehört.
Hey, kannst du mir etwas übers Haus erzählen?
Das Haus gibt es seit einem Monat und kann einen weiteren Monat existieren. Die derzeitige Besitzerin ist die Credit Suisse, die in einem Monat mit dem Bau von einem neuen Haus beginnen möchte. Es ist ein Wohnhaus mit 4 Stöcken und 9 Wohnungen und einer Garage für 10 Autos und 24 Räume.
Wie war die Besetzung?
Wir waren eine Gruppe Flüchtlinge und einige schweizer Aktivist_innen, die uns unterstützen wollten und die uns bei der Kommunikation mit der Besitzerin halfen. Während dieser Zeit sprachen unsere schweizer Freunde mit der Besitzerin. Der Rest von uns hatte grosse Angst, dass dort etwas schlimmes passieren könnte, was für uns ernsthafte Konsequenzen gehabt hätte. Aber überraschenderweise ging alles sehr gut aus und wir machten den Deal, dass wir für zwei Monate bleiben können. Wir machen einfach keinen Lärm und keinen Abfall und wir zahlen für Wasser und Strom. Es ist das dritte Haus, das wir versuchten zu besetzen, wir sind also sehr glücklich, dass es geklappt hat.
Wieso reissen sie das Gebäude ab?
Das Haus ist schon seit langer Zeit leer, jetzt ist eine Wohnung mit Schimmel befallen. Deshalb muss das ganze Haus abgerissen werden.
Wer lebt in dem Haus?
Wir sind alles illegalisierte Flüchlinge von verschiedenen Camps. Wir versuchten weitere Personen einzuladen, doch die meisten haben Angst, das Wenige, das sie in den Camps haben, zu verlieren. Bis jetzt sind es ungefähr 13 Personen.
Wie kam es dazu, dass die Gruppe das Haus zusammen besetzte?
Für diese Gruppe ist die Besetzung eine Reaktion auf die Repression in den Camps. Die Bedingungen in den Lagern sind nicht für Menschen. Es bringt die Menschen dazu, nach anderen Orten zu schauen, wo sie in Gesellschaft leben können. Einen Platz in der Gesellschaft zu haben ist grundlegend für einen Menschen. Wir sahen also die leeren, verlassenen und verwüsteten Häuser in Zürich und dachten, wieso nicht dort leben? Wieso nicht dort leben, anstelle der Bunkers, wo du wie in einem Gefängnis lebst, wo du keinen Raum zum Handeln und Rebellieren für unsere Freiheit hast? Besser eine Besetzung für kurze Zeit und mit Unsicherheiten zu haben, als in einem Bunker zu leben. Besser als immer von der Polizei kontrolliert zu werden und gezwungen zu sein, jeden Tag zu unterschreiben. Besser als sich immer von der Polizei dazu gedrängt fühlen, die Schweiz zu verlassen. Ein Haus zu besetzen öffnet Raum für Diskussionen mit anderen Menschen. Jetzt können sie dich sehen, mit dir sprechen, es macht dich sichtbar.
Wieso war es euch wichtig, das Haus selbst zu besetzen?
Auf der einen Seite ist es wichtig, „den Namen der Flüchtlinge“ auf die Häuser zu bringen (i.O.: it‘s important to „sign the name of the refugees“ on the houses). Es macht uns sichtbar, es macht uns präsent. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass weisse, privilegierte Schweizer_innen uns unterstützen. Menschen, die gut deutsch sprechen, die mit der Polizei und der Besitzerin des Hauses sprechen können. Manchmal denke ich auch, ein Haus alleine zu besetzen.
Wieso gibt es eine Verbindung der Squatter-Bewegung und den Flüchtlingen?
Wir haben einen gemeinsamen Feind, die gleiche Repression. Wieso also nicht zusammen kämpfen? Momentan begreifen die Leute, wie wir uns Unterstützung wünschen. Viele Menschen wollen die Flüchtllinge zum Beispiel mit Deutschunterricht, Essen, Kleidern unterstützen. Das ist auch wichtig, aber Flüchtlinge brauchen einen Ort und eine Gesellschaft. Das ist es, was wir brauchen. Ich hatte das Gefühl, dass einige anarchistische Menschen in Zürich unsere Analysen über die Repression, in der wir leben, teilten. Wir fanden die Grundlage für die Repression in den Lagerstrukturen. Die Menschen also aus den Camps zu bringen, wird zu einem Ziel, um die Repression zu bekämpfen. Es ist unmöglich zu bleiben, ohne sich zu bewegen, ohne etwas zu tun.
Was ist das Ziel der Besetzung?
Das Haus öffnet den Raum, um zu kämpfen, um Gesellschft zu bilden. Das ist wichtig. Flüchlinge suchen oft nach schnellen Lösungen, um aus ihrer Situation auszubrechen. Das ist auch verständlich. Doch für eine langfristige Lösung musst du dafür auf eine politische Art kämpfen. Wie kannst du über das, was du willst, nachdenken, wenn du dich ständig mit der Repression und der Lagermaschine, den Sanktionen und Bestrafungen herumschlagen musst.
Kannst du mir etwas über deine Situation erzählen?
Ich bin durch mehrere Länder gereist und habe mein Leben riskiert, um einen Platz zu finden, wo ich leben kann. Als atheistischer Muslim kam ich in dieses Land mit der Perspektive, frei denken zu können. Doch die Schweiz zerstörte meine Bewegungsfreiheit und versuchte meine Freiheit zu denken zu zerstören. Sie verhafteten mich überall, wo ich war, sie steckten mich in einen Bunker mit 80 anderen Personen, um mein Zimmer mit 20 anderen zu teilen. Ich muss hier jeden Tag zweimal unterschreiben, um die 8 CHF zum Leben zu bekommen. Ich muss hier jeden Tag die gleichen Gesichter der ORS sehen, die dich daran erinnern, dass die Polizei jeden Moment kommen könnte, um dich raus zu werfen. Wie kann eine Gesellschaft, die sich auf die Menschenrechte bezieht, Migrant_innen auf diese Weise isolieren und sie ihrer Würde und ihrem Respekt berauben?
Wie steht es um deine Freiheit zu denken?
Ich denke die ganze Zeit über die Bedingungen unserer Leben nach. Wie kann ich meine Freiheit zurückerlangen? Meine Freiheit in der Gesellschaft? Wie ich schon sagte, kam ich als atheistischer Muslim in dieses Land mit der Hoffnung, frei denken zu können. Ich lasse mich nicht aufhalten durch die rassistischen Gesetze, die vom Sicherheitsdepartement unter der Führung von Mario Fehr verordnet wurden. Ich weigere mich zum Beispiel, dem SEM (Staatssekretariat für Migration) zu beweisen, dass ich ein Atheist bin, um eine Bewilligung oder einen Ausweis zu bekommen, den sie mir so einfach wieder wegnehmen können, wie sie ihn mir gegeben haben.
(Anm.: Mario Fehr, Direktor des Sicherheitsdepartement von Zürich, verschärfte vor kurzem die Vorschriften für Flüchtlinge in Zürich. Seit März müssen die Flüchtlinge nun jeden Tag in den unterirdischen Bunkers übernachten, wenn sie die Nothilfe von täglich 7/8 CHF erhalten wollen)
Wie kannst du kämpfen?
Ich habe momentan keine Unterstützung ausser diesem besetzten Haus und einem starken Herz mit Mut, um meinem Weg und meiner Arbeit für eine Zukunftsperspektive weiter zu folgen. Wenn du interessiert bist, dich in einem wirklichen Kampf mit Flüchtlingen einzubringen, und nicht mit Deutschkursen (und wenn du sagst, die Sprache ist der Schlüssel, sage ich dir, meine Bewegungsfreiheit ist der Schlüssel für mich) oder Sport mit Flüchtlingen (sorry, wir rennen jeden Tag von der Polizei weg, es gibt also keine Notwendigkeit) …
Wenn Leute also fragen, was können wir tun, um euch zu unterstützen?
Ich sage dir: Kämpf mit mir gegen das Lagersystem. Meine Sorge sind die mehr als 800 Flüchtlinge, die immernoch in den verschiedenen Camps sind: Kemptthal, Uster, Kloten, Adliswil, Hinteregg und mein Scheissbunker in Urdorf. Das sind Menschen, die es hassen, in den Camps zu sein, ohne ein Recht zu arbeiten oder der ihnen zugesprochene Bereich zu verlassen. Sie wissen aber nicht, was sie tun können. Ich hoffe, dass jemand diesen Text liest und beschliest, diese Lager zu besuchen. Das wäre grossartig! Durchbrich die Isolation. Bring alles Dämliche, was du nicht mehr brauchst, zu unserem neuen Squat, denn alles ist gut für ein leeres Haus. Wir wollen fähig sein, umzuziehen, wir brauchen also die Möglichkeit, den öffentlichen Verkehr, Autos, Velos zu nutzen. Denk ausserhalb der bürokratischen Kategorien und geh für die wirklichen Bedürfnisse der Menschen. Sei Teil meines Kampfes.