Sprüche beim Bahnhof von Balerna
Bericht vom Umzug vom 02. März 2017 in Chiasso
Gegen 17.30 Uhr versammelten sich die Leute an der Piazza Indipendenza, hängten Transparente auf und verteilten Flugblätter an Passant_innen. Nach einigen Ansprachen übers Megaphon formierte sich ein kleiner, spontaner Umzug ohne irgendwelche Parteien oder Organisationen in Richtung Bahnhof und skandierte Slogans gegen die Grenzen, den Rassismus und die Polizei. Nachdem der Verkehr für einige Minuten blockiert wurde, zogen die Demonstrant_innen zum Gleis 4, wo die Züge aus Italien ankommen und dann von der Grenzwache mit ihrer rassistischen Selektion durchsucht werden.
Als die Demonstrat_innen auf dem Gleis eintrafen, wurden sie bereits von einem immensen Aufgebot der Kantonspolizei in Kampfmontur empfangen, die es mit Schubsern und Schlägen verunmöglichte, auf die Gleise zu kommen. Nach etwa 10 Minuten der Gegenüberstellung mit den Bullen, entschied man sich, den Umzug fortzuführen und unserer Solidarität per Megaphon und Spruchbändern Ausdruck zu verleihen. Zurück an der Piazza Indipendenza löste sich die kleine Menge dann langsam auf.
Mindestens vier Kastenwagen der Anti-Riot-Kantonspolizei, Stadtpolizei und Bahnpolizei waren um den Bahnhof und beim Zoll präsent. Klar, dass es den Bossen eines Systems, das Tag für Tag ausbeutet, misshandelt, bedroht und abschiebt nicht gefällt, wenn man von der Person spricht, die am 27. Februar gestorben ist.
So war dann auch in den Tagen nach dem 27. Februar eine Patrouille am Bahnhof von Balerna präsent, um die Menschen einzuschüchtern, die Blumen, Briefe oder andere Zeichen der Verbundenheit und der Solidarität vorbeibrigen wollten.
Ein paar Anmerkungen über die Journalist_innen…
Von Anfang an waren verschiedene Journalist_innen vor Ort, deren einziges Ziel es war, kleine, reisserische Artikel zu schreiben, die die im aktuellen sozialen und politischen Kontext schon bestehenden xenophoben und rassistischen Meinungen weiter nähren. Auf der Jagd nach „Nachrichten“, berichten sie nicht einmal über die tatsächlichen Fakten. Es genügt, die oberflächlichen News zu lesen, die permanent auf den tessiner Onlinemedien erscheinen: Es war noch nie im Interesse dieser Personen, die Mechanismen, die hinter den Nachrichten, über die sie berichten, stehen, zu analysieren und/oder zu kritisieren.
Mit dieser Versammlung wollten wir nicht im Rampenlicht der guten demokratischen Bürger_innen erscheinen, die nach einer Realität verlangen, in der die Freiheit eine reine Illusion ist, in der das Resultat dieser Demokratie genau diese Tode und Abschiebungen sind, gestützt auf den gleichen Mechanismen, die das Leben auch hier unterdrücken.
Deshalb wird es nie eine Zusammenarbeit und Verbundenheit mit diesem Journalismus geben. Antiautoritäre Praktiken haben nichts zu tun mit der Unterwürfigkeit und den Interessen der Institutionen und der Macht.
Die Solidarität, die sich in diesem Moment auf der Piazza gezeigt hat, darf allerdings nicht bei diesem Todesfall, der sich vor unseren Augen abgespielt hat, stehen bleiben, denn das Monster aus Krieg und Verwüstung fordert jeden Tag ihre Opfer, weit weg von den Blicken unseres Gewissens.
Feindinnen und Feinde der Grenzen