Archiv der Kategorie: Agitation

Paris, Frankreich: Anti-Knast Aktion an der Universität Sorbonne

übersetzt von sans attendre demain

Ein runder Tisch rund um die „Menschenrechte im Gefängnis“ fand am Donnerstag, 24. November in der Sorbonne statt. Organisiert wurde der Anlass von der Vereinigung Farapej. Ein dutzend Personen haben ihren „Dialog“ gestört, an dem u.a. Patrice Bourdaret, Direktor des Gefängnisses von Villenauxe-la-Grande (Aube), teilgenommen hat.

Unterbrechungen, Slogans, Transparente, Flyer (siehe unten) und Stinkbomben trafen auf einige komplizenhafte Schmunzler im Publikum und auf eine gegenseitige Feindschaft mit den Organisatoren und ihren Verteidigern.

Während der Staat seine Inhaftierungsmaschine perfektioniert und 33 neue Knäste bauen wird, vermehren wir die Sandkörner in seinen Getrieben.

Solidarität mit allen, die sich im Alltag gegen die Bullen, die Justiz und die Einsperrung auflehnen.

Der verteilte Flyer:

Das Gefängnis ist nicht zu denken, nicht zu verbessern, nicht zu ersetzen, aber zu zerstören!!!

Wir befinden uns heute im Rahmen der „nationalen Tage des Gefängnisses“, eine Woche, die unter anderen von den zentralen Institutionen organisiert wurde, die in den Käfigen des Staates arbeiten. All diese Organisationen, die Seite an Seite mit den Behörden zusammen arbeiten, die für ihr „humanitäres“ Engagement bekannt sind und die uns von der „Solidarität“ und der „Unterstützung“ von Ausgeschlossenen, Vergessenen, Marginalisierten berichten. Scheinbar voll mit edlen Absichten. Unter diesen Institutionen befindet sich beispielsweise das Rote Kreuz, stets an der Seite des Staates, des Militärs, stets zugegen, wenn es darum geht, die Bevölkerung zu „verwalten“, wie zum Beispiel in den zones d‘attente (ZA, z.dt.: Wartebereich), sprich in den Gefängnissen, in denen der Staat die Ausländer und Ausländerinnen einsperrt, denen die Einreise auf das französische Hoheitsgebiet verweigert wurde. Seit 2003 ist das Rote Kreuz darin als Hilfskraft für die Polizei involviert und mit den medizinischen Aspekten sowie der Verwaltung der Inhaftierung beauftragt. Das Rote Kreuz beteiligt sich ebenfalls an der Organisation der Abschiebeflüge und hat sogar (2004 in Amiens) ihre Lokalitäten zur Verfügung gestellt, sodass sie im Anschluss einer Massenverhaftung von dutzenden rumänischen Sans-Papiers als LRA (Locaux de Rétention Administrative, Anm.d.Ü. Kurze Administrativhaft vor der Verlegung in die CRAs oder der Abschiebung) genutzt werden konnten!

Das gleiche gilt für la CIMADE, „association militante depuis 1939“ (z.dt. etwa: aktive Vereinigung seit 1939), die seit den frühen 80er-Jahren „einen Einsatz der Begleitung von Ausländern in den administrativen Haftzentren“ leitet. Wenn man die Unterlagen der Gefangenen betrachtet, sieht man, dass sie die Arbeiten ausführt, die der Staat seit Beginn an loszuwerden versuchte: Während sich der Staat nur noch um die Bewachung der CRAs kümmern muss, führt la CIMADE die Arbeiten des administrativen Dienstes aus, indem sie die guten und die schlechten Akten sortiert.

Mit dem Gefängnis zu arbeiten, um das Gefängnis zu verbessern, sind so auch die expliziten Ziele dieser „Gefängnisberatungsgruppe“ und einer Organisation wie la FARAPEJ, die eine „tiefgreifende Transformation des Gefängnislebens“ vorschlägt und erklärt, „die Funktionsweise der Justiz verbessern“ zu wollen. Dass es allen klar ist; das Problem für all diese Institutionen liegt keinesfalls in der Existenz eines auf kapitalistischer Ausbeutung gestützten Systems, der Grenzen, der staatlichen Herrschaft durch die Uniformen, der brutalen Auferlegung der Autorität über das Leben der Individuen, der Repression von all denen, die nicht den richtigen Weg gehen oder gegen die Ordnung rebellieren. Nein, im Gegenteil, diese vermeintlich humanitären oder aktivistischen Institutionen kollaborieren mit der Verwaltung der Ordnung und sind unabdingbar für sein Funktionieren. Auch wenn sie von der „Abschaffung der Gefängnisse“ sprechen, meinen sie damit ein alternatives Bestrafungs- und Kontrollsystem, wie der Verwendung von elektronischen Fussfesseln oder der Wiedereingliederung durch die Arbeit. Gleichermassen wie die Bullen sind sie Teil der Funktionsfähigkeit und der Kontrolle eines Systems mit den Imperativen: Arbeite! Achte das Gesetz! Respektiere die Autorität der Familie, des Chefs und des Bullen!

Wir wissen natürlich, dass sich unter euch, unter den Leuten, die sich für den Ablauf dieses Events interessieren und ihm folgen, auch solche befinden, die ab der Einsperrung von menschlichen Wesen wirklich angewidert sind und vielleicht sogar solche, die diese Welt des Geldes, der Bullen, der Gitter und der Stacheldrähte verabscheuen. Und dennoch erweist uns hier, direkt vor uns, ein Widerling wie Patrice Bourdaret die Ehre, der Direktor der Haftanstalt Villenauxe-la-Grande. Ein Direktor, der, nach uns, genauso wie seine Gefängnisaufseher, nichts als Verachtung und Hass verdient hat, da genau sie die Direktverantwortlichen für hunderte Suizide in den Knästen, Prügel, Isolierung, Leid, zerstörte Leben von tausenden in den Käfigen des Staates eingesperrten Männern und Frauen sind.

Wir sind für die Zerstörung des Gefängnisses und wir sind solidarisch mit den Revoltierenden inner- wie ausserhalb der Knäste, nicht nur, weil wir gegen den Horror der Inhaftierung sind, sondern weil wir glauben, dass der Knast, genauso wie die Arbeit, einer der Grundpfeiler einer Welt ist, die strukturell auf der Herrschaft, der Gewalt und der Exklusion gründet. Wir sind für die Zerstörung des Gefängnisses, aber auch der Gerichte, der Armee und der Polizei, denn wir tragen eine Welt in unseren Herzen, eine Welt von freien Wesen, eine horizontal organisierte und auf gegenseitiger Hilfe aufgebaute Welt. Unsere Freiheit lässt sich nicht messen, nicht kontrollieren, passt nicht in die Gesetzesartikel des sogenannten „Rechts“, das immer von dem beschlossen und gestaltet wird, der die Macht hat. Wenn es wirklich stimmt, dass wir Träumer sind, dann weil wir nicht auf den Tag einer hypothetischen Revolution warten werden, um die Autorität, seine Käfige, seine Schergen und seine Erziehung zu bekämpfen.

Es lebe die Revolte, es leben die Meutereien, es leben die Ausbrüche!

12. Ausgabe der „Avalanche – Anarchistische Korrespondenz“ erschienen

gefunden auf avalanche

Avalanche-DE-12 (PDF)

Ausgabe Nr. 12 der Avalanche ist da! Zum Lesen, Drucken und Verbreiten kann das PDF im Anhabg oder auf avalanche.noblogs.org gefunden werden (auf deutsch, englisch und französich).

Inhalt:

  • Portugal: Erlebnispark und Freiluftlabor – die Zukunft zweier Städte
  • Italien – Gegen TAP, alles blockieren!
  • USA – Ein Jahr voller Lärm
  • Argentinien – Für den anarchistischen Gefährten Santiago Maldonado
  • Chile – Den Feind im Visier
  • Spanien – Der Unsinn der Privatasphäre und die Notwendigkeit zu Handeln

Die nächste Ausgabe wird im Februar 2018 veröffentlicht.

Bis zum 1. Februar 2018 können Texte an correspondance@riseup.net eingeschickt werden.

Für Bestellung der deutschen Ausgaben, schreibt an: avalanche-de@riseup.net

Editorial:

Um unsere Projekte zu entwickeln, um eine internationale Korrespondenz zu schaffen, brauchen wir unter anderem Beharrlichkeit. Etwas, das oft untergeht oder dem selten Beachtung geschenkt wird. Einem Schmetterling gleich, ist für viele heute dieses interessant und morgen jenes und übermorgen ist es schon wieder etwas Neues und was davor interessant war, ist wieder vergessen. Diese Haltung hat nichts damit zu tun, was die Marxisten so oft als die revolutionäre Ungeduld der Anarchisten verleumdet haben. Nämlich dem Beharren, dass der Angriff auf die bestehende Ordnung möglich und notwendig ist, so schlecht die „objektiven“ Bedingungen auch sein mögen.

Sondern es hat damit zu tun, ob man eine Projektualität entwickelt oder ob man Opfer der Umständen ist, von denen man, wie ein aufgeschrecktes Huhn, mal in die eine und mal in die andere Richtung getrieben wird. Machen wir uns keine Illusionen. Die Schlinge um unsere Hälse zieht sich enger und enger oder, wem diese Metapher besser gefällt, wir werden, gemeinsam mit ganz vielen anderen Menschen, immer weiter an die Ränder gedrückt. Werden wir auf unseren Ideen beharren? Und in der Konsequenz Mittel und Wege suchen, um die digitale Restrukturierung des Kapitalismus, die momentan unermüdlich in Universitäten, Parlamenten, Forschungslaboren,… vorangetrieben wird, anzugreifen, mit dem Ziel sie zu zerstören? Oder vielleicht doch kritischen Gefallen finden, an der tollen, ökologischen Möglichkeiten der Smart City und der Industrie 4.0 und uns arrangieren? Eine ähnliche Frage lässt sich im Bezug auf das Erstarken der Neofaschisten formulieren: Werden wir darauf beharren, dass der Faschismus lediglich eine Modalität zur Führung des Staates und Verwaltung des Kapitals ist und in der Konsequenz nicht nur auf den Faschismus abzielen, sondern auch darin fortfahren die Demokratie und die Politik an sich anzugreifen, mit dem Ziel sie zu zerstören? Oder begnügen wir uns auf einmal damit die „beste aller möglichen Welten“ oder „das geringere
Übel“ gemeinsam mit Kirchen, Gewerkschaften und Liberalen zu verteidigen?

Vielleicht hänge ich mich bei diesen Fragen zu sehr an der Beharrlichkeit auf, das mag sein, sicherlich muss eine aufständische Projektualität auch in der Lage sein, zu erkennen, wann etwas aufgegeben werden muss oder sich etwas nicht mehr lohnt, weiter verfolgt zu werden. Es mag an den sich verschärfenden Bedingungen liegen, aber in letzter Zeit erlebe ich immer mehr Dammbrüche.
Vormalige Gefährten, die mit Stolz erzählen, dass sie wählen gewesen sind und so weiter. Auf einmal werden die eigenen Verstricktheiten, die eigenen Widersprüche, die Male, in denen man den eigenen Ansprüchen an die eigene Kohärenz nicht gerecht wird, zu allgemeinen Ausreden. Natürlich müssen die eigenen Widersprüche reflektiert werden, aber es muss auch festgehalten werden, dass die Subversion der bestehenden Ordnung kein leichtes Unterfangen ist, welches sich von heute auf morgen realisieren lässt.

Aus diesem Grund richten wir uns weiterhin an alle Anarchistinnen und Anarchisten, die ein Interesse daran haben, ihre Projektualitäten, Analysen, Reflexionen, Erfahrungen und Kampfvorschläge zu teilen und die sich in einem autonomen und offensiven Anarchismus wiedererkennen, der versucht eine informelle Internationale aufleben zu lassen, ohne Zentrum und ohne Hegemonie. Weil wir weiterhin darauf beharren, dass ein internationaler Austausch notwendig ist, um zu versuchen, die eigene Beschränktheit zu überwinden und eigenen Qualitäten zu potenzieren. Ausgehend von lokalen Kämpfen, die versuchen Brüche mit der herrschenden Ordnung zu provozieren; von Interventionsvorschlägen, wie eine aufständische anarchistische Präsenz in einem sozialen Aufruhr aussehen kann oder individuellen Pfaden der verstreuten Attacke, ist die Avalanche ein kollektiver Versuch, unsere Perspektiven und Praktiken zu schärfen, indem wir sie miteinander konfrontieren.

Ein Staatsfeind, der sich die meiste Zeit im Territorium aufhält, das vom österreichischen Staat kontrolliert wird.

Info Lora: Interview über den Online-Blog ausdemherzenderfestung

gefunden auf info lora Freitag

Ihr hört ein Interview über den Online-Blog ausdemherzenderfestung.noblogs.org. Der Blog berichtet über Interventionen gegen das Migrationsregime, es werden Texte auf Deutsch übersetzt und der Blog begleitet ein Kampf gegen das Migrationsregime schon seit vier Jahren.

Kurznews: Deutschland – Aufruf des Hambacherforst, Italien – Brandanschlag in Genua, Australien – Angriff gegen Serco, Griechenland – Situation auf Lesbos


Die aktuelle sowie ein Archiv mit vergangenen Sendungen  findet ihr hier

Info Lora: Interview mit der Zeitschrift Fiasko

gefunden auf Info Lora Freitag

Wir haben ein Interview mit zwei Mitwirkenden von der kritischen Zeitschrift gegen das Migrationsregime, Fiasko, gemacht. Sie erzählen über die Entstehung der Zeitschrift, was sie unter dem Migrationsregime verstehen und vieles mehr.

Kurznews: Zürich – Queerfeministisches Kommuniqué zur Demo Oisi Quartier Oisi Stadt, Bern – Streik im Gefängnis Thorberg, England – Solidarität & Unterstützung für die anarchistische Gefangene Sam!, Hamburg – Brandanschlag auf Telekom


Die aktuelle sowie ein Archiv mit vergangenen Sendungen  findet ihr hier

Info Lora: Besuch im Ausschaffungsknast

gefunden auf Info Lora Freitag

Wir besuchten Menschen, die im Ausschaffungsgefängnis Bässlergut eingesperrt sind. Da es nicht möglich ist, die Gefangenen direkt zu interviewen, haben wir zwei Menschen, die schon länger Gefangenenbesuche machen, getroffen um ein Interview zu machen. Sie erzählen von ihren Eindrücken und geben uns einen Einblick durch ein von ihnen schriftlich geführtes Interview mit den Gefangenen. Es geht um den Alltag, um das Verhältniss zu den Wärter*innen, die Knastarbeit sowie den Einfluss von Medikamenten.

Kurznews: Hambacherforst – Bevorstehende Räumung!, Basel – Brandanschlag gegen SBB Ticketautomat, Zürich – Farbanschlag auf den Polizeiposten, Luzern – Farbanschlag gegen Trafigura


Die aktuelle sowie ein Archiv mit vergangenen Sendungen  findet ihr hier,

Info Lora: Interview mit einem ausgeschafften Freund

gefunden auf info lora freitag

Wir haben ein Interview mit einem Freund von uns gemacht, der im August 2017 nach Marokko ausgeschafft wurde. Er erzählt über seine Erlebnisse und Erfahrungen, über die Situation in der Schweiz, über seine Ausschaffung und wie er seine momentane Situation sieht. Über seine Ausschaffung hat er schon mal einen Text geschrieben, den ihr hier lesen könnt und der Text wurde in der Sendung vom 6. Oktober vorgelesen oder ihr findet es auch in unserem Archiv unter Migration.

Kurznews: Athen Griechenland – Krawall nach Attacke auf Exarchia – Oujda Marokko – Strassenschlachten in Oujda, Bern Schweiz – Implenia Firmenautos brannten, Murcia Spanien – Revolte und Ausbrüche aus dem Lager von Sangonera


Die aktuelle sowie ein Archiv mit vergangenen Sendungen  findet ihr hier,

Info Lora am Freitag: Migration, Ausschaffungen und Knäste als Thema im November

gefunden auf barrikade

Wir sind ein anarchistisches Info Radio und senden jeden Freitag von 18:00 bis 19:00 live auf Radio Lora (97.5MHz) oder ihr findet unsere Sendung auch auf unserem Blog: infolorafr.noblogs.org

Wir berichten den ganzen Monat November über das Thema Migration, Ausschaffungen und Knäste. In der heutigen Sendung hört ihr die Geschichte eines Illegalisierten und sein Kampf für die Freiheit. Von Asylzentren zu unterirdischen Bunkern, vom Migrationsamt in die Gefängniszelle.

Kurznews: Uruguay, Montevideo – Brandanschlag auf das Gebäude des Militäratachés, Griechenland, Athen – Solidarität mit Kostantino G., Schweiz, Basel – „Zombietown voll sauen“,
Schweiz, Lausanne – Ein undokumentierter Migrant stirbt

Spanien: Start einer antinationalistischen Kampagne

gefunden auf contra info

Der folgende Text ist als Flugblatt, zusammen mit dem hier gezeigten Poster sowie Aufklebern, Teil einer offenen Kampagne gegen Nationalismus in all ihren Ausdruckformen. Das Material soll spanienweit verteilt werden. Die Seite ContraMadriz stellt Druckvorlagen im PDF Format zur Verfügung und im Freiraum “Local Anarquista Motín” in Madrid liegt alles, bereits ausgedruckt, zum Abholen bereit. 

Gegen den Staat und das Kapital, Der Kampf ist der einzige Weg. Der Kampf findet auf der Straße statt.Keine Nationen oder Grenzen

Gegen den Staat und das Kapital, Der Kampf ist der einzige Weg. Der Kampf findet auf der Straße statt. Keine Nationen oder Grenzen

KEIN STAAT WIRD UNS BEFREIEN

Kein Staat, ob spanisch oder katalanisch, wird uns irgendeine Art von Freiheit geben. Denn jeder Staat hat den Daseinszweck, die Ausgebeuteten zu unterwerfen und die Privilegien der herrschenden Klassen zu garantieren. Der Staat regelt die Ausbeutung durch das Gesetz und kümmert sich darum sicherzustellen, dass die Unterdrückten sich niemals gegen eine Ordnung erheben, die uns auf dem ganzen Planeten ausbeutet, erniedrigt, räumt, betrübt, bestiehlt und ermordet.

Keine Polizei, ob Mossos, Zivil- oder Nationalgarde schützt uns. Sie sind Spezialeinheiten des Staates, die das Privateigentum schützen und sind die Beauftragten für die Unterdrückung und Verfolgung von all denen, die nicht niederknien und sich dafür entscheiden gegen ihre verdorbene Welt zu kämpfen. Es gibt keine gute oder schlechte Polizei, alle repressiven Körper gehorchen einer ganz bestimmten Logik: Aufrechterhaltung der Ordnung. Lasst uns die Handlungen der Polizei bei Generalstreiks, Demonstrationen, Razzien in Vierteln, rassistische Kontrollen, Überwachung von Gefängnissen, bei Zwangsräumungen und Vertreibungen und sogar als Fremdbesatzungsmacht (hier sein an die hohe Zahl zu internationalen Missionen entsandter Polizeikräfte erinnert.) nicht vergessen. Sie gehorchen und dienen ihren Meistern.

Die Demokratie, parlamentarische Institutionen und Politiker*innen kümmern sich nicht um unsere Interessen, sondern nur um ihre eigenen. Um diese sollte sich niemand außer uns selbst kümmtern. Unsere Herrscher zu wählen, sich Mehrheiten / Minderheiten zu unterwerfen, sich im demokratischen Rahmen zu bewegen, lässt uns zu Handlanger*innen unserer eigenen Beherrschung werden und begründet in uns den Geist der Delegation an Professionelle. Wir haben unser Leben in ihre Hände gelegt. Wir vertrauen Politiker*innen, die nur versuchen (wie alle) von unseren Kämpfen und unseren Gefühlen zu profitieren, so lange wir uns unterwerfen oder nach Unterwerfung streben und uns zu einer kriecherischen Masse werden lassen, die sich nach Wahlinteressen und Machkämpfen entsprechend, mobilisieren oder demobilisieren lässt.

Kein Nationalismus oder keine Flagge sollte uns vertreten. Als Unterdrückte und Ausgebeutete sollten wir verstehen, dass wir mehr mit anderen Ausgebeuteten und Unterdrückten gemeinsam haben, als mit Unternehmer*in oder Politiker*innen, die am selben Ort, wie wir geboren sind. Nationalismus und Patriotismus sind Werkzeuge der Macht, mit denen sie die Unterdrückten infizieren und manipulieren und erreichen, dass sie mit vor ihren UnterdrückerInnen von selbst kuschen, um uns mit unseren Klassenfeinden und ihren ständig wechselnden Projekten und Bedürfnissen zu verbinden. Die Zuneigung für die Erde , auf der wir leben oder unsere Sprache wird hergenommen, um die Schaffung neuer Staaten zu rechtfertigen. Dabei wird übersehen, dass Kultur etwas lebendiges sein sollte, in ständiger Evolution und freier Entwicklung zwischen Individuen und Gemeinschaft. Der Staat ist der Tod aller freien Entwicklung, in dem er Grenzen errichtet und die Saat von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit keimen lässt.

Unter dem Kapitalismus, dem Staat und jeder Form von Autorität werden wir niemals frei sein. Lasst uns eine neue Welt auf den Ruinen der autoritären und staatlichen Gesellschaft aufbauen. Wir bauen und kämpfen für Anarchie, als ständiger Kampf gegen alle Formen der Unterdrückung und Ausbeutung, der Solidarität und der gegenseitigen Unterstützung mit unseren Gefährt*innen, egal woher sie kommen.

KEINE NATIONEN ODER GRENZEN

Fiasko-Magazin N°2

gefunden auf barrikade

Vor kurzem ist die zweite Ausgabe des antirassistischen Fiasko-Magazin aus Basel veröffentlicht worden. Darin finden sich etliche sehr lesenwerte Artikel zum Thema Migration und Antirassismus in Originalsprache und in englischer Übersetzung. Die ganze Zeitung kann auf fiasko-magazin.ch als .pdf heruntergeladen werden.

Editorial

Fiasko against fiasko

In der Schweiz, in Europa und vielerorts auf der Welt werden Migrant*innen als unerwünscht bewertet. Ankommende Menschen werden abgewiesen, isoliert, verwaltet und eingesperrt. Wer sich dem entgegensetzen will und zuverlässige Informationen sucht, steht vor einem undurchdringlichen Dschungel aus Gesetzen, Verordnungen und behördlicher Willkür. Die Medien sind voll von oberflächlichen Berichten aus der immer gleichen anmassenden Perspektive. An den Strukturen der Verhältnisse soll nicht gerüttelt werden – ganz anders der Anspruch dieser Zeitung!

face it: mehr als informieren und kommentieren

Hier sollen kritische und selbstbestimmte Texte Platz finden von Menschen, die nicht länger ein Migrationsregime mittragen wollen, das kategorisiert, unterdrückt und ausbeutet. Von Menschen, die genug haben von einer privilegierenden und ausgrenzenden Gesellschaft und ihre Stimme erheben wollen – leise und bedacht, laut und wütend. Von Menschen, die frei wählen wollen, mit wem sie wie zusammenleben, wo sich ihr Leben abspielen soll und dies für alle fordern – offen und solidarisch.

deal with it: mitdenken, austauschen und eingreifen

Diese Zeitung soll Bewusstsein stärken und Aktion gegen jegliche Praxis der Illegalisierung, Diskriminierung und Ausgrenzung befördern. Bring dich mit eigenen Texten ein, um grundsätzliche Kritik an den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen, die das Migrationsregime stützen, zu üben. Die Formen sind vielfältig – neben Berichten und Artikeln sollen auch gestalterische Inputs wie Fotografien, Zeichnungen, Comics und Gedichte Platz finden. Alle Texte erscheinen in Originalsprache und in englischer Übersetzung.

go further: nutzen wir (das) Fiasko

Auf der letzten Seite: Orte als reale Treffpunkte, um sich auszutauschen, zu verbinden und sich zu organisieren. Und auf jede Ausgabe folgt ein Treffen, an dem anhand der Beiträge diskutiert wird. Zusammen möchten wir nach Wegen suchen, die Kontroll- und Sortiermaschine zu stören und solidarisch Alternativen zu Bunkeressen, Behördengängen und Bewusstlosigkeit zu entwickeln.

Zur Erweiterung des Bässlerguts

gefunden auf Fiasko – critical intervention against migration regimes Nr. 2

Das Straf- und Ausschaffungsgefängnis Bässlergut soll um einen zweiten Bau erweitert werden. Der Neubau wird 78 Plätze für den regulären Strafvollzug bieten, wodurch im „alten“ Gebäude neu 73 Plätze der Ausschaffungshaft zur Verfügung stehen. Mit der Erweiterung des Bässlerguts zeigen sich die Entwicklungen zunehmender Kontrolle, Überwachung und Kategorisierung von Menschen.

Geschichte des Bässlerguts

Das Ausschaffungsgefängnis Bässlergut verdankt seinen Namen der Familie Bässler, die bis 1962 das Grundstück als Hofgut Otterbach bewirtschaftete. Nachdem der Boden durch den Staat erworben wurde, entstand darauf 1972 eine Empfangsstelle für Asylbewerber*innen und im Jahr 2000 der heutige Ausschaffungsknast Bässlergut I (Der Einfachheit halber nennen wir den alten Gebäudekomplex Bässlergut I und die Erweiterung Bässlergut II), mit 48 Haftplätzen. Folglich ist die Geschichte rund ums Bässlergut relativ jung und soll hier als Produkt einer Politik verstanden werden, welche nicht der Norm entsprechende Menschen ausgrenzt und kriminalisiert. Dies wird im steigenden politischen Willen der Schweiz ersichtlich, Menschen – in diesem Fall Migrant*innen – konsequenter in erwünscht (nützlich) und unerwünscht (unnützlich) zu kategorisieren und Letztere schnell loszuwerden. Diese Kategorisierung von Migrant*innen geht mit deren Kriminalisierung einher, welche mit der Ausländergesetzrevision 1994 weiter vorangetrieben wurde. Damals befürwortete eine Mehrheit der abstimmenden Bevölkerung die Integration von Zwangsmassnahmen im Ausländergesetz, wodurch die Freiheitsstrafe zur Vorbereitung der Ausschaffung (Administrativhaft) legalisiert wurde. Diese Entwicklung ist nicht nur in der Schweiz, sondern auch international zu beobachten. So festigten Rückübernahmeabkommen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Bekämpfung von Menschen ohne Bewilligung. Während die rechtlichen Grundlagen für den Ausbau der Freiheitsstrafe geschaffen wurden, stieg aber der bürokratische Aufwand der Durchführung von Wegweisungen. Folglich dauerte die Vorbereitungszeit zur Ausschaffung länger, während die politische Agenda auch die Anzahl auszuschaffender Menschen ansteigen liess. Die für Ausschaffungen reservierten Plätze in den Knästen des Strafvollzugs Schallenmätteli für Männer und Waaghof für Frauen – wurden der neuen Situation nicht mehr gerecht: neue Plätze mussten geschaffen werden. Die Forderungen nach dem Ausbau der Knäste ging mit der (räumlichen) Trennung von Gefangenen einher. Da Menschen in Ausschaffungshaft sich in Adminstrativhaft be nden (also nicht auf Grund von einer Straftat der Freiheit entzogen werden), sollten sich die Haftbedingungen von jenen im Strafvollzug oder der Untersuchungshaft unterscheiden, so die Argumentation. Um diese Unterscheidung von Gefangenen zu realisieren, eignete sich der Neubau von separaten Knästen. Auch wenn sich in Realität die Haftbedingungen kaum unterscheiden (siehe unten), wurde diese Kritik der Ausschaffungshaft zur Legitimation von neuen Knästen genutzt. Dennoch kam es im Jahr 2011 mangels Haftplätzen im Gefängnis Waaghof, zur Umnutzung einer Station für den regulären Strafvollzug im Bässlergut I. 2012 und 2013 wurde je noch eine weitere Station für den Strafvollzug in Betrieb genommen. Das Bässlergut I bietet seitdem Platz für 30 Häftlinge in Ausschaffungshaft und 43 Häftlinge im Strafvollzug. Parallel dazu wurde aus der ursprünglichen, angrenzenden Empfangsstelle für Asylbewerber*innen das heutige Empfangs – und Verfahrenszentrum (EVZ), welches Platz für bis zu 500 Menschen bietet. Diese beiden Entwicklungen gingen mit einer vermehrten Privatisierung einher. Die Privatfirma Securitas ist für die Sicherheit im EVZ sowie im Bässlergut zuständig. Im EVZ experimentiert zudem die Aktiengesellschaft ORS mit profitorientierter Betreuung. Dies zeigt sich etwa in der faktischen Zwangsarbeit zu 6.50CHF/2h der Insassen für private Firmen und deren Profit. Seit dem Frühjahr 2017 wird an der Erweiterung des Bässlergut I gebaut, welche Platz für 78 Häftlinge des Strafvollzugs bieten wird und Ende 2020 in Betrieb genommen werden soll. Die jetzigen Strafhaftplätze werden dann wieder zur Ausschaffungshaft genutzt, womit der Trennung und Kategorisierung der Häftlinge wieder nachgegangen wird. Es sind folglich momentan neue Knastzellen in Entstehung, welche in Zukunft mit Menschen gefüllt werden müssen und die repressiven Entwicklungen der vergangenen zwei Jahrzehnte weiter präzisieren.

Lager mit Sonderrechten

Das EVZ wird im Rahmen der Asylreform 2016 zukünftig in ein Bundeszentrum umgewandelt. Schweizweit sind 16 Bundeslager mit Platz für 5000 Personen geplant. Dabei wird zwischen Verfahrens-, Ausreiseund besonderer Zentren unterschieden. Im Ausreisezentrum wird die Ausschaffung vorbereitet, dafür sind mindestens 100 Tage vorgesehen und betroffen sind meist Menschen, welche auf Grund des Dublin-Abkommens in andere europäische Staaten abgeschoben werden sollen. Die zwei geplanten „besonderen Zentren“ sind spezi sch für sogenannte „renitente“ Asylbewerber*innen, wobei unbestimmt bleibt, ab wann unangepasstes Verhalten als renitent – also störend – betrachtet wird. In Verfahrenszentren werden Befragungen, Rechtsberatungen, Rückkehrberatungen sowie Unterbringung und Beschäftigung von Migrant*innen verwaltet. Die Zeit dieser Verfahren soll auf 140 Tage reduziert werden, allfällige Beschwerdefristen werden dadurch von 30 Tage auf 10 Tage minimiert. Durch die in der Aslygesetzrevision 2016 verankerte Konzentrierung der Asylbewerber*innen, sollen deren Anträge künftig ”effizient, kostengünstig und gerecht“ (Bundesrat) behandelt werden können. Die Effizienz, von welcher gesprochen wird, bedeutet in Realität, dass Migrant*innen in einem Lager konzentriert und isoliert werden. Durch die Beschleunigung der Verfahren wird die Kategorisierung von Migrant*innen in „erwünscht“ und „nicht-erwünscht“ radikaler und rücksichtsloser umgesetzt. Denn es wird schwerer den Kriterien zu entsprechen sowie sich einem juristischen Entscheid zur Wehr zu setzten. Hinzu werden Rückübernahmeabkommen mit Drittstaaten an Wirtschaftsabkommen gekoppelt (siehe Fiasko Nr. 1/2017), wodurch auch die Zwangsdeportationen aus dem Bässlergut I geschmeidiger ausgeführt werden können. Die kostengünstigeren Verfahren sollen durch die Zentralisierung von Personal und Infrastruktur erreicht werden. Für die Migrant*innen im Verfahren bedeutet das ein Alltag innerhalb des Lagers. Diese praktische Eingrenzung wird durch Stacheldrähte, Überwachungskameras und Ausgangskontrollen zusätzlich verstärkt. Auch die räumliche Nähe der unter-schiedlichen Bauten wiederspiegelt die Realität: Vom Verfahrenszentrum direkt in den benachbarten Ausschaffungsknast, vom Strafvollzug im Bässlergut II wegen illegalem Aufenthalt über einen eingebauten Korridor direkt ins Bässlergut I. Damit das letzte Kernkriterium der Reform der „gerechten Verfahren“ umgesetzt werden kann, wurden sogenannte unabhängige Jurist*innen hervorgehoben. Dass deren Unabhängigkeit zweifelhaft ist, wurde schon mehrmals festgestellt. Dabei sind die kurzen Beschwerdefristen, die räumliche Nähe der Jurist*innen zu Mitarbeiter*innen des Migrationsamtes und Pauschalbezahlung nur einige kritische Faktoren. Was jedoch selten angesprochen wird, sind die grundlegenderen Zusammenhänge Angefangen mit der blossen Existenz eines Ausländerrechtes. Ein Gesetz, welches seit 1934 existiert und sich nur an eine spezi sche soziale Gruppe richtet. Es ist folglich in seiner Existenz rassistisch und ausschliessend. Genau wie andere Teile des Schweizer Rechtes ist es geschaffen, um die Privilegien einzelner Personen und deren Eigentum zu schützen. Spricht man von den Rechten von Migrant*innen, werden diese immer nur dann gewährt, wenn sich ein ökonomischer Nutzen daraus ziehen lässt oder die Schweiz das Bild einer Nation, in der die Menschenrechte bedingungslos eingehalten werden, aufrechterhalten will. Hiermit beziehen wir uns auf einen häu gen Einwand, dass im Asylsystem ja die Menschenrechte berücksichtigt würden. Die Wirklichkeit ist vielmehr deren Instrumentalisierung. So unterstützen NGOs wie die Schweizerische Flüchtlingshilfe, Caritas Schweiz, Amnesty International, Heilsarmee, HEKS, Schweizerische Arbeitshilfswerk SAH und der Verband jüdischer Fürsorge diese humane Farce der Politik. Auf einer menschlichen, individuellen Ebene, können deren Unterstützungsleistungen durchaus die Situation einzelner Individuen beeinflussen und sollten dafür auch wertgeschätzt werden. Bei der Betrachtung auf einer strukturellen Ebene wird die Problematik dahinter jedoch rasch offensichtlich. Denn durch die Unterstützung, ob rechtlich oder alltäglicher Art, kann das Staatssekretariat für Migration (SEM) seine Verwaltung von Migrant*innen in eine humanitäre Farce hüllen. Wir sehen an den aktuellen Entwicklungen wie plötzlich die Freiheitsstrafe (im Verfahrenszentrum oder im Knast), der Zwang zur Arbeit in Beschäftigungsprogrammen, Isolierung und der Tod (ob auf der Flucht oder aus Ohnmacht in den Asylstrukturen) Teil einer „humanen Asylpolitik“ werden.

Freiwilligenarbeit / Sozialarbeit innerhalb den vorgegeben Strukturen des Lagers werden, wenn auch gut gemeint, Teil vom Lager. Sie werden einerseits in der öffentlichen Debatte helfen, das Lager als humaner Ort zu legitimieren. Anderseits übernehmen sie eine deeskalierende Funktion, in dem sie helfen, die „Eingelagerten“ zu besänftigen und von der Realität abzulenken. Solidarität ist enorm wichtig, sowie auch individuelle Unterstützung, doch sollte dabei eine Selbstre exion über die eigene Rolle bestehen und dementsprechend Wege gefunden werden, wie die Lagerstrukturen und somit die Isolierung und Fremdbestimmung aufgebrochen werden können. NGOs wie die Schweizerische Flüchtlingshilfe sind ein Beispiel für all diejenigen Organisationen, die die grundlegenden Probleme nicht ansprechen und bei der Ausgestaltung der Verwaltung des Elends beratend zur Seite zu stehen. Die neue Strukturierung der Schweizer Migrationspolitik zielt folglich darauf ab, Migrant*innen stärker zu konzentrieren, zu isolieren und zu verwalten. Die beschreibenden Schlagwörter von ”ef zient, kostengünstig und gerecht“ versuchen somit eine Lagerpolitik als demokratisch und fair zu verkaufen; in Wirklichkeit beschreibt es jedoch ein unterdrückendes und ausbeuterisches System. Abschliessend ist wichtig festzuhalten, dass dies durchaus nicht neue Tendenzen sind. Das Neue der aktuellen Entwicklungen ist nur, dass nun auch die Infrastruktur für die bereits vorhandenen Abläufe der Migrationspolitik gebaut wird. Diese Infrastruktur wird es noch schwerer machen, sich autonom zu bewegen, zu organisieren und selbstbestimmt zu leben. Während die Aggressivität der Behörde steigt, wird die Erfüllung der Vorschriften noch schwerer – und gegen Abweichungen konsequenter vorgegangen werden.

Exkurs: Lager

Die Bundeszentren erfüllen die Eigenschaften von allen Lagern. Diese Eigenschaften beinhalten die räumliche Konzentration einer spezifischen sozialen Gruppe sowie die Unterwerfung und Kontrolle derselben, was entweder die Re-Integration in die Gesellschaft oder die definitive Ausgrenzung / Wegweisung aus dieser zum Ziel hat. Dabei beschränken sich Lager nicht nur auf Migrant*innen, sonder auf diverse soziale Gruppen. So existieren in der Schweiz Lager für Menschen mit einer Behinderung, Menschen mit psychischer Erkrankung oder ältere Menschen; mit der selben Funktion des Ausschlusses wegen geringem ökonomischem Wert.

Das Aufleben der Freiheitsstrafe

Die aktuellen Entwicklungen betreffen jedoch nicht nur Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere. Mit der Erweiterung des Bässlerguts werden auch Haftplätze für Menschen im regulären Strafvollzug erstellt. Vorgesehen sind diese Plätze für kurze Haftstrafen bis zu einem Jahr. Das neue Sanktionsrecht, welches ab Januar 2018 in Kraft treten wird, sieht eine Lockerung bei der Aussprechung von kurzen Freiheitsstrafen von unter sechs Monaten vor. Dies soll zum Tragen kommen wenn die Gefahr besteht, dass der Täter / die Täterin erneut straffällig wird oder aufgrund der finanziellen Situation einer verurteilten Person anzunehmen ist, dass sie nicht in der Lage ist, der ausgesprochenen Geldstrafe nachzukommen. Diese Umwandlung von einer Geld – zu einer Freiheitsstrafe trifft in der Praxis oft bei einer Verurteilung aufgrund eines illegalen Aufenthaltes zu. Dabei übernimmt der Knast in unserer Gesellschaft eine abschreckende Funktion ein. Für viele Menschen reicht die Drohung / Möglichkeit eines Freiheitsentzug und die damit verbundene Konsequenz, für eine vom Staat festgelegte Zeit, komplett fremd verwaltet und jeglicher Autonomie beraubt zu werden, aus, um sich nicht gegen die bestehende Ordnung zu wehren und die eigene Position und Funktion in dieser Gesellschaft zu akzeptieren. Natürlich unterscheiden sich die Konsequenzen einer Haftstrafe und die Perspektiven am Ende der Strafzeit für Menschen mit Schweizer Papieren von denjenigen von Menschen ohne Schweizer Papiere, jedoch bleibt die gesellschaftliche Funktion des Knastes dieselbe.

Widerstand

Das Bässlergut wird seit seinem Bau von unterschiedlichen Personen aus dem Innern und von Aussen bekämpft. Rebellionen innerhalb des Gefängnisalltags in Form von Beleidigungen des Personals, Hungerstreiks oder Arbeitsverweigerung widersetzen sich der repressiven Praxis, während Aussen verschiedene Netzwerke die Gefängnispraxis beobachten, dokumentieren und vehement kritisieren. 2008 stifteten einige Häftlinge einen Brand und brachten damit ihre Wut zum Ausdruck. Als Folge wurden sie hart sanktioniert (z.B. mit Besuchsverbot). 2010 kam an die Öffentlichkeit, dass ein minderjähriger Mann nackt in Isolationshaft gehalten wurde. Der damalige Direktor musste seine Stelle daraufhin verlassen. Danach lief vieles „politisch korrekter“ ab, da Schikane und Unterdrückung jedoch der Freiheitsstrafe inhärent sind, nahmen diese dabei keineswegs ab. Weiterhin ermächtigen sich Häftlinge innerhalb des Bässlerguts selber, auch wenn der psychische Druck und Handlungsspielraum innerhalb der Mauern extrem stark lasten. Hungerstreiks, Drohungen, Verweigerung der Zwangsausreise und / oder der Knastarbeit sind auch heute Teil des täglichen Widerstands. Angeprangert wird dabei die Praxis der Isolationshaft (Menschen werden teilweise immer noch nackt eingesperrt), sowie die schlechte Nahrung und unzureichende medizinische Versorgung. All dies wurde durch Gespräche mit inhaftierten Menschen bekannt. Zudem ziehen seit Jahren kleine und grössere Demonstrationen vor das Bässlergut, Farbangriffe und Feuerwerke symbolisierten die Solidarität mit den Gefangenen. Das Bässlergut entwickelte sich dadurch zu einem Ort in Basel, an dem Menschen ihren Unmut gegen das bestehende System äussern, aber auch wo der Staat seinen „Freund und Helfer“ in Kampfmontur losschickt und damit seine Macht demonstriert. 2015 kam es im Rahmen einer Demonstration gegen die in Basel stattfindende Militärübung CONEX vor dem Bässlergut zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen einigen Demonstrant*innen und den Bullen, wobei Letztere entschlossen angegriffen wurden. Im Jahr 2016 gab es diverse Versuche, Ausschaffungen durch das Manipulieren des Eingangtors und das Blockieren der Einfahrt, direkt zu verhindern. Zudem gab es verschiedene Knastspaziergänge, wo sich die Menschen hinter und vor dem Gitter ihre gegenseitige Solidarität bekundeten und kurze Dialoge möglich waren. Seit dem Baubeginn von Bässlergut II im März 2017, gab es diverse Sabotageakte auf Kleinund Grossunternehmen, die sich direkt am Bau beteiligen und daran bereichern. Eine Demonstration mit dem Endziel Bässlergut, wurde von den Bullen nach einem misslungenen Kessel-Versuch aufgelöst. Doch kritische Diskussionen, Info-Veranstaltungen und praktische Aktionen werden damit nicht eingedämmt, sondern vielmehr verbreitet. Das Bässlergut wurde zu einem Ort, der viele Menschen und vielfältige Widerstandsformen vereint, um eine grundsätzliche Kritik an den aktuellen Entwicklungen und gesellschaftlichen Verhältnissen auszuüben. Denn es sind die drei ineinander verwobenen Ebenen der Verwaltung von Migrant*innen im Bundeslager und Einsperren in gesonderten Knästen, die Zunahme von Freiheitsstrafen im Strafvollzug sowie die Rolle humanitärer Organisationen, welche im Projekt Bässlergut klar ersichtlich werden. Neben dem Ort, wo Migrant*innen ankommen der Ausschaffungsknast, welcher wiederum mit einem Korridor zum Strafvollzug verbunden ist. Die Infrastruktur ist aufeinander abgestimmt, genauso wie ihre gesellschaftlichen Funktionen auch miteinander in Verbindung stehen: Menschen, die nicht der Norm entsprechen, welche nicht den ökono- mischen Nutzen erbringen oder sich gar dieser zu Wehr setzen, werden kriminalisiert, konzentriert und eingesperrt. Durch die breite Dimension der Entwicklungen um das Bässlergut, wird auch eine Palette von Widerstandsformen möglich und notwendig. Ob autonome Unterstützungsstrukturen, die Verbreitung einer grundlegenden Kritik, Druck auf ausführende Akteure oder andere Formen des Unmuts – wichtig ist, dass wir dabei laut, kreativ und störend bleiben!

Wir sind zwei Frauen, die in Basel aufgewachsen – und mit den Privilegien des Schweizer Passes grossgeworden sind. Durch persönliche Kontakte und eigene Erfahrungen sind wir wütend über die herrschenden Zustände und auf die Gesellschaft, von der wir selbst ein Teil sind.