Montreal, Kanada: Zum ersten Mai gegen die Grenzen

übersetzt von montréal contre-information

Am 1. Mai fanden in Montreal über die Stadt verteilt vier unterschiedliche Demonstrationen zu unterschiedlichen Zeiten statt. Die CLAC (Convergence des Luttes Anti-Capitalistes) rufte zur jährlichen antikapitalistischen Demo unter dem Motto “No Border” auf. Dieses Thema steht im Kontext einer erstarkenden extremen Rechten in Québec und dem Bauprojekt eines neuen Gefängnisses für Migrant*innen in Laval. Wir nahmen an dieser Demo teil, die sich um 18.30 Uhr am Square Cabot versammelte.

Mehrere hundert Personen demonstrierten über die Atwater Avenue in Richtung St-Henri, ein Schwarzer Block formierte sich hinter der Demo und einem Transparent mit der Aufschrift “All Bosses are Bastards”. Bauzäune und anderes Baustellenmaterial wurden auf die Strasse gezogen, um einen Abstand zwischen der Demo und den folgenden Bullen zu schaffen. Bereits beim Treffpunkt wurden Flugblätter verteilt, die die Leute dazu animierten, sich beide Strassenseiten und das Trottoir zu nehmen, um die Bullen daran zu hindern, die Demo einzukesseln. Dies hat super geklappt; den Bullen gelang es nicht, sich in Position zu bringen.

Die Demo zog auf der Notre-Dame und dann auf der Greene Avenue nach Norden, zu den Büros von Lemay, ein Architekturbüro, das die Pläne für das Gefängnis für Migrant*innen entwirft. Als sich die Demo dem Gebäude näherte, wurde eine Mülltonne angezündet und zu den hinterherfahrenden Velobullen gestossen, was eine Distanz für die kommenden Taten schaffte. Das Büro wurde angegriffen. Die grossen Scheiben vorne und auf der Seite des Gebäudes wurden mittels Steinen, Billardkugeln und improvisierten Rammböcken eingeschlagen, zwei Fassadenseiten mit Farbbomben beworfen. Zusätzlich wurden Flugblätter verteilt, um zu erklären, welche Rolle Lemay im Bau des erwähnten Gefängnisses spielt.

Einsatzbullen stellten sich – allerdings zu spät – vor die Büros, wo sie mit Steinen empfangen wurden. Sie antworteten mit Tränengas und drängten die Demo in die rue Saint-Jacques. Auch wenn der Umzug aufgrund des Gases aufgesplittet wurde, trafen zwei grössere Gruppen kurze Zeit später auf der Hauptverkehrsachse Saint-Antoine wieder zusammen – der Auflösungsversuch schlug fehl! Die motivierte Gruppe suchte sich einen Weg durch den Verkehr, zog Abfalltonnen auf die Strassen und zündete ein paar davon an. Auch wenn die Gruppe immer kleiner wurde, zog eine ansehnliche Menge weiter Richtung Osten, hinterliess auf dem Weg einige Graffitis und verteidigte sich mit Feuerwerk gegen die Bullen.

Dieser 1. Mai markiert somit eine grosse Verbesserung im Vergleich zum letzten Jahr, als die Konfrontation mit den auf den Trottoirs laufenden Bullen und dem Schwarzen Block an der Spitze der Demo nach nur zwei Minuten ausbrach und den Block somit vom Rest der Demo trennte. Seit dieser Konfrontation bewahrt die Polizei stets ihre Distanz zu grösseren Demonstrationen, was den Vorteil einer kämpferischen Demokultur aufzeigt. Heute stellen sie sich allerdings so auf, dass sie nach erfolgten Angriffen sehr schnell eingreifen können. Wir müssen versuchen, Antworten auf diesen Strategiewechsel zu finden.

Die Verteilung über die ganze Demo von unterschiedlichen Banden mit einem Willen zur Konfrontation, hat uns dieses Jahr erlaubt, die Isolierung des Schwarzen Blockes vom Rest der Demo zu verhindern. Dies hat auch geholfen, den Auflösungsversuchen der Bullen zu trotzen. An mehreren Orten in der Demo verschiedene Gruppen und Personen zu haben, die trotz des Gases zusammen bleiben, zeigt, dass auch viele andere das für die Reproduktion solcher Akte notwendige Vertrauen gewinnen können. Die Erfahrung dieses Jahres mit der Aufsplittung und des erneuten Zusammentreffens sowie der Dauer der Demo auch nach dem Angriff auf Lemay ist ein gutes Beispiel dafür!

*** Wir haben ebenfalls festgestellt, dass dieses Jahr viele Leute eine Kamera bei sich hatten oder mit ihrem Telefon gefilmt haben. Fotos oder Filme, ob von den Massenmedien aufgenommen oder nicht, können Menschen in Gefahr bringen. Auch wenn ihr eure Aufnahmen nicht den Bullen geben wollt, oder wenn ihr die Absicht habt, diese vor der Verbreitung zu bearbeiten, bleibt die Gefahr weiter bestehen, dass ihr mit Informationen verhaftet werdet, die andere belasten könnten. Filmt also keine Gesichter in der Demo und seid nicht überrascht, wenn ihr aus der Demo gedrängt werdet, wenn ihr dies tut.

Der erfolgreiche Angriff auf Lemay ist eine ermutigende Entwicklung im Kampf gegen das Gefängnis für Migrant*innen. Lemay wurde in den letzten Jahren bereits mehrfach angegriffen: seine Luxusneubauten wurden eingeschlagen, in ihrem Geschäftssitz wurden Heuschrecken ausgesetzt und kürzlich alle Schlösser sabotiert. Diese Angriffe waren allerdings nicht so öffentlich wie derjenige während der Demo und wurden von eher kleineren Gruppen ausgeführt. Wir waren wirklich berührt von der Stärke und der Solidität hunderter Personen, die währenddem dieses hässliche Architekturbüro demoliert wird, vor Ort bleiben und zusammenstehen. Dies ist die kollektive Kraft und Entschlossenheit, die unserer Meinung nach notwendig sind in der Fortführung des Kampfes gegen das Gefängnis für Migrant*innen.

Lang leben die unkontrollierbaren Demos! Lang lebe der Kampf gegen die Gefängnisse für Migrant*innen!

Zerstören wir die Gefängnisse und die Grenzen!

Fuck Lemay, schöner erster Mai an alle!