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NEUE WEGE BESCHREITEN
EDITORIALDie anhaltende Ungewissheit ähnelt einem freien Fall mit verbundenen
Augen. Die Zeit scheint mit rasendem Tempo und gleichzeitigem Stillstand
vorbeizuziehen. Ein Gefühl von hochtrabender Freiheit und tiefstürzendem
Fall zugleich. Und ehe ich mich versah, befinde ich mich plötzlich
mitten im Dschungel auf dem Boden sitzend, umgeben von Bäumen,
Gestrüppen und Ästen, welche mir die Sicht versperren, mir meine Arme
und Beine zerkratzen und hier und da sogar tiefe Wunden zufügen. Doch
ich bin umgeben von Leben, von Bewegung, und nach und nach füge ich mich
in den Rhythmus ein. Tief in mir drin weiß ich jedoch, dass ich immer
noch falle. So suche ich Halt und Orientierung im Außen. Ich greife nach
einer herunterhängenden Liane, um mich aufzurichten. Sie fühlt sich echt
an, beständig, sicher. Ich ziehe mich an ihr hoch, in der Hoffnung, noch
andere Lianen zu erblicken, mit deren Hilfe ich neue Wege beschreiten
kann.In unbeständigen Zeiten, wie wir sie erleben, verkörpert die Fantasma
für uns diese Liane, echt, beständig, sicher. Durch sie haben wir uns
die Möglichkeit geschaffen, mit Gefährt*innen von überall her in Kontakt
zu treten, um sich über das spezifische Thema der Klandestinität
auszutauschen. Über all die verschiedenen Facetten, Blickwinkel,
Betroffenheiten und Perspektiven, die eine solche Situation mit sich
bringt. Und im besten Fall kann diese Zeitung mentale Verbindungen
erschließen, kann Gefährt*innen dazu ermutigen, sich mit der Möglichkeit
des Untertauchens intensiver auseinanderzusetzen, kann eine
anonymisierte Plattform bieten, um über das Unaussprechliche zu
sprechen.Im Editorial der ersten Ausgabe schrieben wir „[wir] wollen mit diesem
Projekt einen Beitrag zum anarchistischen Projekt leisten und uns
zusammen mit ihm weiterentwickeln“. Beim erneuten Durchlesen stolperten
wir über diesen Satz, da er uns nicht mehr wirklich präzise erschien.
Die Entscheidung unterzutauchen hat an sich nichts offensives, genauso
wie dieses Zeitungsprojekt an sich nicht subversiv ist. Die Fragen sind
vielmehr, wie man damit umgeht, für was man sich darin entscheidet und
was für Potential man im Jeweiligen erkennt und folglich auch umzusetzen
vermag. Denn das anarchistische Projekt, die soziale Revolution,
benötigt eine relevante soziale Dimension an Konfliktualität
entschlossener und mutiger Individuen, welche vor unmissverständlichen
Worten nicht zurückschrecken und konkrete Taten der Subversion darauf
folgen lassen. Wir hegen immer noch das starke Bedürfnis, die soziale
Konfliktualität auf allen Ebenen zu schüren. Wir wollen immer noch mehr
sein als umherschweifende Gespenster auf dem Nebenschauplatz einer
Gesellschaft, die nicht die unsrige ist. Wir wollen immer noch, unserer
Situation zum Trotz, offensiv sein im Kampf gegen jede Herrschaft und
Unterdrückung. Wie aber können wir sozial intervenieren, uns offensiv
auf die Seite der Unterdrückten stellen und unsere freiheitlichen Ideen
unmissverständlich zum Ausdruck bringen, ohne uns dabei dem Feind auf
dem Silbertablett zu präsentieren? Es sind diese Fragen, die uns, und so
glauben wir viele andere in einer ähnlichen Situation auch, beschäftigen
und die wir in den kommenden Ausgaben vertiefen möchten.Abschließend wollen wir noch sagen, dass wir uns über die Zusendungen
von Artikeln und die schnelle deutsche Übersetzung der ersten Ausgabe
sehr gefreut haben. Wir behalten uns aus sicherheitstechnischen Gründen
vor, in den folgenden Ausgaben die uns zugesendeten Artikel nicht als
solche zu definieren. Ausgenommen davon sind historische Schriften oder
öffentlich zugängliche Publikationen wie z.B. das Inkognito, die wir
zwecks Bekanntmachung ihrerseits gerne mit einer Quellenangabe versehen
werden.———
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