Haute-Durance, Frankreich: Bilanz der Repression nach einem Wochenende gegen die Grenzen und diejenigen, die sie beschützen

übersetzt von sans attendre

Mehrer Zeitungsartikel berichteten nochmals über den „solidarischen Karneval gegen die Grenzen“. An über 80 verschiedenen Orten kam es zu Tags. Ausserdem erfuhr man mehr über den eifrigen Knastwärter, der dazwischengehen wollte, als mehrere „wilde Kinder“ die morbide Fassade der Justizvollzugsanstalt in der Innenstadt anmalten: Als er vom Umzug weggedrückt wurde, musste er mehrere Schläge einstecken und leidet nun anscheinend unter „mehreren Frakturen und einem Bluterguss“. Es wird ihm eine Lehre sein…

Am folgenden Tag kam es zu einer grossen Demonstration zwischen Clavière und Briançon gegen die Jagd auf Sans-Papiers, ob diese von der Armee oder von Faschisten der „Génération Identitaire“ ausgeführt wird. Die Demo ermöglichte es mehreren Sans-Papiers die italienisch-französische Grenze zu überqueren. Am Ende des Tages wurden sechs Personen verhaftet. Der Staatsanwalt von Gap hat über die Presse angekündigt, dass „mehrere Untersuchungen am Laufen sind, um die Täterschaft des Wochenendes ausfindig zu machen“.

Drei Personen (zwei Schweizer und eine Italienerin) werden bis zum Urteil, das am 31. Mai gesprochen werden soll, in Untersuchungshaft behalten. Die drei haben die sofortige Vorführung vor dem Strafgericht verweigert, um ihre Verteidigung vorzubereiten. Der Staatsanwalt der Republik Gap, Raphaël Balland, rechtfertigt diese Entscheidung mit mangelnden Garantien der Vertretung vor Gericht und der Verhütung von Widerholungstaten. Der untenstehende Text, der mehr ins Detail über die Repression an diesem Wochenende geht, wurde auf Vallée en Lutte veröffentlicht:

Drei Freund*innen im Gefängnis

Seit Monaten organisieren sich vom Tal Haute Durance bis nach Italien Menschen in Solidarität mit Migrant*innen und gegen die Grenzen.

Nach einem Treffen mit Debatten über die Grenzen in Italien wurde am Sonntag (22. April 2018) spontan ein Marsch von Clavière nach Briançon organisiert. Das Ziel war es, etwa 30 Exilierten den Gang über die Grenze zu ermöglichen. Es war auch eine Reaktion auf den zunehmenden Ausbau des polizeilichen und militärischen Dispositivs und auf die Präsenz der faschistischen Gruppe „Génération Identitaire“ am gleichen Wochenende.

Die Demo verlief bis zur solidarischen Unterkunft ohne Zwischenfälle ab. Am Nachmittag wurden dann aber willkürlich sechs Personen verhaftet und in Untersuchungshaft gesteckt, ein Gefährte wurde geschlagen und mehrere Personen bekamen Tränengas ab. Der Grund der U-Haft: „Beihilfe zur Einreise von Ausländer*innen ohne gültige Papiere“ mit dem erschwerenden Umstand des organisert begangenen Delikts.

Drei wurden wieder freigelassen. Doch bei den anderen drei wurde die U-Haft verlängert. Am Dienstag wurden sie vor den Strafrichter vorgeführt. Diese sofortige Vorführung vor den Strafrichter wiesen sie allerdings zurück und forderten eine Anhörung, die auf den 31. Mai terminiert wurde. Das Gericht entschied darauf, sie in Untersuchungshaft zu behalten.

Wir waren etwa 30 Personen, um der Anhörung, die unter hoher Bewachung stand, beizuwohnen: 8 Wagen der CRS vor dem Gericht, PSIG (pelotons de surveillance et d’intervention de la Gendarmerie) und Polizei im Saal. Eintritt zum Gericht war nur unter Vorführung und Aufnahme eines Ausweises gestattet.

(…) Der Staatsanwalt baute sein absurde Anklagerede auf dem lokalen politischen Kontext auf. Er versuchte tatsächlich den Beschuldigten alle Ereignisse des Wochenendes anzulasten (zitierte den Text des wilden Karnevals gegen die Grenzen, ein Kommuniqué von Migranten und natürich der Marsch vom Sonntag). Der Karneval von Gap und der Marsch am Sonntag sind zwei unterschiedliche Ereignisse und falls es das Ziel ist, die Teilnehmer*innen zu verurteilen, warum sind wir dann nicht 600 im Gefängnis???? Der Staatsanwalt drückte anschliessend seine Besorgnis über weitere Verbrechen aus, falls die Personen nicht verurteilt werden würden. Es schien ihm besser, die Gefährt*innen einzusperren, als ihnen die Möglichkeit zu lassen, weitere Vergehen der Solidarität zu begehen. Er forderte die Untersuchungshaft, liess aber die Türe für eine einfache juristische Kontrolle offen, um sicherzustellen, dass sich die Angeklagten nicht aus dem Staub machen.

(…) Vor dem Urteilsspruch war eine gewisse Gelassenheit im Saal spürbar. Doch ein paar Minuten später kam das Urteil: Anordnung der vorläufigen Untersuchungshaft. In Gap für unsere Freunde (der Staatsanwalt musste sogar eingestehen, dass der Knast bereits übervoll ist) und in Marseille für unsere Freundin. Wir sind geschockt.

Von nun an ist klar: Für die Teilnahme an einer Demo, die es 30 Personen ermöglicht, die Grenze zu passieren, kannst du in den Knast kommen.

(…) Ohne Verwunderung stellen wir fest, dass die Polizei, die Justiz und der Staat an den drei Personen ein Exempel statuieren und die Solidarität stoppen wollen. Wir lassen uns nichts vormachen. Gehen wir nicht auf die Einschüchteruns- und Spaltungsversuche der Macht ein. Lasst uns alle solidarische Delinquent*innen sein! Wir rufen zu massiven Aufmärschen auf. Mehr denn je brauchen wir physische Unterstützung! (…)