Zürich: Zur Kleinen Demonstration zum Knast

übernommen von: Dissonanz. Anarchistische Zeitung, Ausgabe Nr. 38, Zürich, 13. Oktober 2016, dissonanz-a [ät] riseup.net

Letzten Freitagabend gab es, ausgehend vom Bahnhof Glattbrugg, eine Demonstration zum „Flughafenknast“ Kloten. Mit Plakaten in der ganzen Stadt – und auch bestimmt über das Internet – wurde dazu aufgerufen. Demo zum (Ausschaffungs-) Knast, «Refugees Welcome».
Am Bahnhof Glattbrugg versammelten sich über hundert Leute, und die Demonstration konnte ohne polizeiliche Intervention zum Gefängnis ziehen. Vereinzelte Sixpacks der Bullen waren zwar ein paar mal sichtbar, aber immer mit 2-300 Meter Abstand. Dies lag wohl vor allem daran, dass die Teilnehmerschaft der Demo grossteils aus ziemlich jungen Leuten bestand. Die Polizei setzte also auf Abstand und Nichtintervention, da das Eingasen, -pfeffern und -schroten von Menschen, die zumindest mutmasslich grossteils gesetzlich minderjährig sind, wohl möglicherweise (erneut) zuviel Skandal auslösen könnte.

Nun: letztendlich lässt sich über die Gründe der Taktik der Bullen an diesem Abend nur spekulieren. Zumindest konnte die Demo von Anfang bis Ende unbehelligt laufen, was auch einiges ermöglichte. So wurde vor dem Untersuchungshaftteil des Gefängnisses von einigen Leuten ein Loch in den Haag geschnitten, der zum Abstellplatz direkt unter den Zellen der U-Häftlinge führte. Einige Demoteilnehmer drangen durch das kleine Loch ein, schmissen einen abgestellten Roller um, zerdepperten einen abgestellten Lieferwagen (wahrscheinlich zum Gefangenentransport), und sprühten Parolen und Anarchie-A’s auf einen Unterstand und den Boden – all dies ohne irgendeinen Bullen in Sichtweite. Die darüber eingesperrten U-Häftlinge johlten, auch wenn sie etwas verwirrt waren, dass nur Parolen für Flüchtlinge geschrien wurden, und forderten die Einbrechenden dazu auf, den Roller anzuzünden – was ihnen nicht gelang. Danach zog die Demonstration weiter, vor den Teil des Gefängnisses, wo sich die Menschen in Ausschaffungshaft befinden, wo Parolen gerufen, eine Rede gehalten und auch wieder Botschaften an den Boden gesprüht wurden. Am Rande dessen wurde die überwachende Kamera ausgeschaltet und ebenfalls ein Teil des Haags aufgeknipst – was allerdings mehr symbolische Bedeutung hatte, da dahinter ein weiteres Gitter wartete.
Danach zog die Demonstration wieder ab, und alle konnten – wie gesagt – ohne Probleme weiterziehen und ihrer Wege gehen. Im Nachhinein, so scheint es mir, dass dieses Eindringen auf den Abstellplatz viel aufzeigen könnte. Es scheint eine spontane Sache gewesen zu sein, von ein paar wenigen ausgeführt. Und viele scheinen sich solch eine Sache – das Eindringen in den Gefängnisbereich – vorher gar nicht überlegt zu haben. Ein Sache, die, wenn ihr Ansatz etwas weitergedacht würde, wohl nur zu einer logischen Schlussfolgerung verleiten könnte…

Wenn ich vor einem Gefängnis stehe, muss ich mich immer daran erinnern, dass die Frage, die ich – wie wohl so viele, ich hoffe: die Meisten – mir im Gefängnis immer wieder gestellt habe, folgende ist: wie könnte ich diese Mauern, diese Gitter, Wärter und Türen überwinden. Darüberklettern, aufbrechen, hindurchschlüpfen, mich durchschlagen. Zumeist bleibt dies eine blosse Fantasie. Man weiss, dass die Gefängnisse so gebaut sind, dass einem diese Hoffnung immer bleibt – weil die hoffnungslosen Gefangenen problematisch sind. Wenn man sich nun vor ein Gefängnis begibt, um Häftlingen Mut und Kraft zu wünschen und zu zeigen, dass sie nicht komplett alleine sind, so bleibt beim Abziehen immer das unangenehme Gefühl zurück, sie doch – letzten Endes – wieder alleine lassen zu müssen. Nicht fähig zu sein, sie da einfach rauszuholen…

Hourriya, Libertad, Liberté, Freiheit – all das sind Worte mit ein und der selben Bedeutung. All diese Worte wurden an diesem Abend oft in den Mund genommen. Man versuchte den Gefangenen zu vermitteln, dass es in diesem Land noch Menschen gibt, die sich die Freiheit für alle wünschen. Dass nicht alle gut damit schlafen können, wenn sie wissen, wie andere eingesperrt sind und dann auch noch bald ins Elend abgeschoben werden. Dies ist schon etwas. Was ich aber hoffe, ist nicht nur, dass es mehr Menschen gibt, die sich die Freiheit einfach nur wünschen, sondern vor allem, dass der Wille und die Bereitschaft, konkrete Akte der Befreiung umzusetzen, endlich um sich greift. Dazu könnten vielleicht gerade die Taten dieses Abends auch etwas Anstoss geben…?