übersetzt von sanspapiersnifrontieres
Am Morgen des 04. Oktober 2015 demonstrierten 150 im Hotspot von Lampedusa gefangene Migrant_innen gegen ihre Einsperrung. Diese Demonstration war nicht die erste und die, in diesem europäischen Knast eingesperrten Migrant_innen fordern, auf den Kontinent ohne Idenzifizierung (Fingerabdrücke, Identität und Foto) zu gelangen und ihre Freiheit. „We don’t want Lampedusa!“ „We don’t want prison!“ schrien die Migrant_innen. Am 07. Oktober 2015 kam es unter den Parolen „Freedom“, „no finger prints“ und „al jazeera contact us“ zu einer erneuten Demonstration auf der Insel.
Seit dem 21. September 2015 fungiert das sogenannte „Empfangszentrum“ (CPSA) als Hotspot. Der Name hat sich geändert, doch die Funktion bleibt die Gleiche: Die Migrant_innen bei ihrer Ankunft in Lampedusa zu sortieren und sie anschliessend entsprechend ihrer Situation in andere Camps zu verlegen. Das Zentrum wird von der katholischen Vereinigung Misericordia geführt, welche die Einsperrung von Migrant_innen und Sans-Papiers zu ihrer wichtigsten Einahmequelle gemacht hat. Neben Misericordia sind auch italienische Bullen, kriminaltechnische Bullen, Vertreter des UN-Hochkomissariats für Flüchtlinge (UNHCR), der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und von Frontex im Zentrum präsent. Immer wieder, seitdem dieses Zentrum exisitiert und sich die Migrant_innen nach ihrer Ankunft in Lampedusa als Gefangene wiederfinden, wurde es durch Revolten vollständig zerstört.
Die Hotspots (ein Term, der impliziert, dass man sich in einer Ausnahmesituation befindet) genannten Einsperrungscamps sind ein neues Mittel der EU, um an ihren Grenzen ihre repressive Politik der „Verwaltung der Migrationsströme“ durchzuführen. Koordiniert von den europäischen Agenturen Frotex (Überwachung und Sperrung der Grenzen), Europol (Koordination der europäischen Polizeibehörden), Eurojust (Einheit für justizielle Zusammenarbeit der EU) und EASO (Euopäische Unterstützungsbüro für Asylfragen) werden sie der Trennung zwischen den „guten Flüchtlingen“, die ein Recht auf Asyl haben, und den „bösen Migrant_innen“, die in ihr Herkunfs- oder Einreiseland abgeschoben werden sollen, dienen. Jegliche Prozeduren der Identifikation und der Verwaltung der Migrant_innen werden dort durchgeführt: Entnahme der Fingerabdrücke, Erfassung in der europäischen Datenbank (EURODAC), Befragung betreffend den Verbindungsnetzwerken der Schleuser, kollektive Abschiebungen. Die Fotos und die Entnahme der Fingerabdrücke sind fundamental in diesem System mit dem Ziel der Registrierung und Sortierung. Es ist klar, dass sich die Migrant_innen verweigern, sich dem unterzuordnen, angesichts der Zwangsmassnahmen. Die Anwendung dieser Massnahmen ist noch in Diskussion und besteht aktuell darin, diejenigen, die die Identifizierung akzeptieren, schnellstmöglich zu überstellen und diejenigen, die sich dem widersetzen, im Camp zu halten.
Die EU will durch die Schaffung dieser Camps, die Migrant_innen an den Pforten von Europa zurückhalten, sie an der Weiterreise hindern und Abschiebungen vereinfachen.
Die Aufteilung der Migrant_innen auf die verschiedenen europäischen Länder wird ebenfalls von diesen Camps ausgeführt, genaugleich wie die Massenabschiebungen, die von der EU vorgesehen sind. Früher oder später möchte die EU Hotspots in den Grenzländern, sogenannte „Tampons“, wie der Türkei oder Libyen errichten.
Bisher wurden solche Camps in Italien (Lampedusa, Porto Empedocolo, Pozzallo, Trapani) mit der Kapazität von 6000 Plätzen geöffnet. Weitere sind in Griechenland geplant.
Gleichzeitig wird das CIE (Centro di identificazione ed espulsione) von Restinco in Brindisi von der italienischen Regierung wiedereröffnet, um die Arbeit der Teilung, die sich in der ganzen EU abzeichnet, zwischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigrant_innen zu vereinfachen. Das Zentrum war aufgrund mehrerer Revolten über längere Zeit geschlossen. Die Wiederinbetriebnahme der CIE, dessen Führung dem Verein Auxilium anvertraut wurde, wurde mit der Einsperrung von 15 Migrant_innen aus Lampedusa eröffnet.
Am 10. Oktober gingen die Demonstrationen in den Strassen Lampedusas unter den Rufen nach Freiheit und gegen den Zwang, seine Fingerabdrücke geben zu müssen, weiter.