Calais: Sturm auf den Tunnel

übersetzt von calaismigrantsolidarity

fence down

Gestern Nacht (02.10.15) durchbrochen etwa 200 Personen ohne Papiere den Stacheldrahtzaun und strömten in den Tunnel unter dem Ärmelkanal, um nach England zu gelangen. Nach Berichten der Autoritäten wurden einige 16 km vor dem Ausgang gestoppt (der Tunnel ist insgesamt 50.45 km lang. Immer wieder werden Menschen, denen es gelingt, durch den Tunnel zu laufen, in England verhaftet und vor Gericht gestellt). Unklar bleibt, ob es auch einige geschafft  haben.

Der Tunnel war die ganze Nacht geschlossen, was, als der Verkehr über den Hafen umgeleitet wurde, dazu führte, dass durch den verursachten Stau einige in die Lastwagen steigen konnten. Um 08.30 Uhr (03.10.15) kam es zu einem erneuten Stau, als Sans-Papiers Barrikaden auf der Schnellstrasse oberhalb des Jungles errichteten, was wiederum einigen erlaubte, in die Wagen zu gelangen. Seltsamerweise waren nur zwei Wagen der Gendarmerie vor Ort, völlig machtlos, die Sans-Papiers zu stoppen.

traffic jam

Leider führten diese gewagten Aktionen zu 100 Verhaftungen im Tunnel und sieben Verletzungen.

Die Gewerkschaft der französischen Polizei veröffentlichten unterdessen ein Statement, welches die „Anarchisten“ für die „Koordinierung“ dieser Offensive auf den Tunnel beschuldigt. Wir können nur folgendes dazu sagen:

Die kollektiven Aktionen in der letzten Nacht und am Morgen, sowie andere Offensiven in den letzten Wochen, wurden von Menschen ohne Papiere selbst organisiert. Menschen von Afrika oder Asien brauchen keine europäischen Anarchisten, um sich anzustiften oder organisieren zu lassen. Dies sind Menschen, welche Revolutionen und Kriege erlebt haben und gefährliche Wege auf sich genommen haben, was nicht nur individuellen Mut, Initiative und Ausdauer erfordert, sondern auch kollektive Solidarität und Selbstorganisation. Dies zu sagen ist also beleidigend und zu tiefst rassistisch. Wir „No Borders“, Anarchisten und andere sind stolz darauf, unsere Solidarität mit unseren Freunden ohne Papiere auszudrücken. Doch diese Aktionen sind ihre Aktionen. Sie brauchen uns nicht, um sie anzuführen oder ihnen zu zeigen, wie man kämpft.

Wieso sträuen die Autoritäten und die Medien solche Anschuldigungen? Von Menschen ohne Papiere koordnierte kollektive Aktionen gegen die Grenzen sind sehr kraftvoll. Über ganz Europa haben solche Aktionen in den letzten Wochen zugenommen und wurden intensiver. Dies erschreckt diejenigen, welche die „Festung Europa“ aufrechterhalten wollen. Doch Aktionen von Migranten alleine werden wohl nicht reichen, das mörderische Grenzeregime wirklich ins Straucheln zu bringen. Unsere Kraft wird am stärksten, wenn Menschen mit und ohne Papiere zusammen kämpfen. Es scheint, als würden die Autoritäten genau das verhindern wollen: Ihr Ziel ist es, den Kampf der Migranten zu isolieren, sie unsichtbar und fremdartig erscheinen zu lassen und sie in den Ghettos auserhalb der Stadt einzusperren. Unsere Solidarität zu dämonisieren und kriminalisieren ist ein Schachzug in diesem Spiel. Es wird ihnen nicht gelingen.

Al shab yurid iskat al-hudud. Die Menschen wollen die Grenze niederreissen.