gefunden auf tagesanzeiger
Die Europäische Union ist ein Club mit beschränkter Solidarität: Die Mitgliedsstaaten erreichen das Ziel, 40’000 Asylbewerber neu zu verteilen, nicht.
Das Ziel war von Anfang an bescheiden: Die EU-Staaten wollten Italien und Griechenland ursprünglich um 40’000 Asylbewerber entlasten. Weil zwingende Quoten in einigen Ländern auf heftigen Widerstand stiessen, versuchte man es mit einem freiwilligen Verteilschlüssel. Die EU-Innenminister machten aber gestern bei einem Sondertreffen im zweiten Anlauf nur Zusagen für 32’256 Flüchtlinge.
EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos versuchte, die relative Blamage als Erfolg zu verkaufen. Der Grieche sprach von einem ersten historischen Schritt in die richtige Richtung. Erstmals hätten sich die EU-Staaten überhaupt darauf geeinigt, Flüchtlinge im Rahmen einer sogenannten «Relocation» untereinander neu zu verteilen. Besser schaut es zudem beim Ziel aus, das man sich für die Neuansiedlung von Menschen direkt aus Flüchtlingslagern an der Grenze zu Syrien gesetzt hat.
Schweiz nimmt 519 Flüchtlinge
Weitere 20’000 sollen nämlich über sogenannte Resettlement-Programme in die EU geholt werden. Hier gibt es jetzt immerhin Zusagen für 22 504 Flüchtlinge, die sich nun nicht in die Hände von Schleppern begeben müssen, um Europa zu erreichen. Eingerechnet sind auch jene 519 Flüchtlinge, welche die Schweiz auf freiwilliger Basis direkt aus Krisengebieten aufnehmen will. Deutlich weniger als die 3500, die Norwegen akzeptiert. Bei der Umverteilung innerhalb der EU machen beide Schengen-Staaten vorerst aber nicht mit.Einige Mitgliedsstaaten beteiligten sich erstmals an einem solchen Programm, lobte Avramopoulos. Allerdings ist hier der Beitrag der Europäer angesichts von Millionen gestrandeter Flüchtlinge in Jordanien oder der Türkei ohnehin eher symbolisch. Einige Minister versuchten zwar, die enttäuschenden Zusagen für die Umverteilung innerhalb und die positiveren Zahlen für die Umsiedlung von ausserhalb aufzurechnen. Doch auch bei diesem Buchhaltungstrick wäre das Gesamtziel von 60’000 Flüchtlingen nicht erreicht worden.
Avramopoulos zeigte sich deshalb dann leicht enttäuscht: Ein System mit einem freiwilligen Verteilschlüssel könne eben nicht funktionieren, betonte er. Der Migrationskommissar bekräftigte den Plan, noch vor Ende Jahr einen Vorschlag für einen permanenten Notfallmechanismus mit obligatorischen Quoten zu präsentieren. Schliesslich gehöre Solidarität zu den Grundprinzipien der EU und müsse mehr als ein Slogan sein.
Ähnlich der Tenor beim Luxemburger Jean Asselborn, dessen Land derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat. Asselborn sprach von einem «respektablen Ergebnis»: Man sei nahe am Ziel. Einige Zahlen seien ermutigend, andere aber enttäuschend oder gar peinlich, sprach der Luxemburger Klartext. Verhältnismässig wenige Flüchtlinge nehmen Spanien oder Polen. Irland macht hingegen bei beiden Programmen mit, obwohl es ähnlich wie Grossbritannien und Dänemark über eine Ausnahmeklausel verfügt.
Ungarn wiederum will weder bei der Solidarität innerhalb der EU noch mit den Krisenregionen im Nahen Osten mitmachen. Österreich will sich zwar bei der Umsiedlung von ausserhalb der EU beteiligen, aber keine Asylbewerber aus Griechenland oder Italien übernehmen. Österreich sei jetzt schon Zielland Nummer eins, argumentierte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. In Österreich seien die Kapazitäten «ausgereizt». Griechenland und Italien müssten zudem zuerst einmal ihre «Hausaufgaben machen» und alle illegalen Zuwanderer sowie Asylsuchenden regelkonform registrieren.
Tatsächlich sollen Italien und Griechenland parallel zur Umverteilungsaktion Hilfe bekommen, von allen Asylsuchenden und Zuwanderern die Fingerabdrücke korrekt zu verfassen. Zu diesem Zweck sollen entlang der Aussengrenze sogenannte Hotspots mit Experten aus den Mitgliedsstaaten eingerichtet werden. In diesen Hotspots sollen sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge rasch aussortiert werden.
Als Teil des sogenannten Migrationspakets will die EU auch die Rückführung von abgewiesenen Asylbewerbern stärker koordinieren und intensivieren. Der Luxemburger Jean Asselborn sprach sich zudem dafür aus, die Staaten des Westbalkans generell zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Menschen aus dieser Region verstopften unnötig das Asylsystem.