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„Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! Denn das allein unterscheidet ihn von allen Wesen, die wir kennen.“ Doch unsere Realität sieht auch am heutigen Weltflüchtlingstag anders aus: dass die Stacheldrahtzäune an den EU-Außengrenzen weder edel, hilfreich, noch gut sind, muss wohl kaum erklärt werden. Trotz der wachsenden Berichterstattung zu den Toten der europäischen Abschottung fehlt ein Bewusstsein dafür, wie viel Verantwortung wir für Flüchtlingskatastrophen tragen. Und so genau wollen wir das vielleicht auch gar nicht wissen – die Verantwortung klebt uns aber an den Sohlen, begleitet uns auf Schritt und Tritt. Wir tragen sie durch die Stadt bis nach Hause. Es hilft nichts, sie zu ignorieren.
Inmitten des verdrängenden Alltags auf dem Theaterplatz steht in Weimar das Goethe-Schiller-Denkmal als viel fotografiertes Motiv inhaltsloser Urlaubsbilder. Aber was nützt dieses Weltkulturerbe, wenn es nur hübsch anzusehen ist, aber nichts aussagt? Im Welterbe-Handbuch der UNESCO wird die Welterbekonvention zuallererst als »Instrument für die kulturelle Verständigung zwischen den Völkern« gesehen. Wie viele Geflüchtete jedoch werden es jemals bis zu diesem Denkmal schaffen?
Am frühen Morgen entschlossen sich einige helfende Hände, daran zu erinnern, was der Mensch denn nun nach Goethe sein sollte: „Edel, hilfreich und gut“, was sie auf einem an der Statue besfestigten Transparent formulierten. Um das Denkmal herum färbten sie die Verantwortung mit Kohlenstaub schwarz und verteilten sie auf dem Platz. Denn Realität sind die politisch gewollten, menschenverachtenden Praktiken an den EU-Außengrenzen. Ein Blick an die Ränder der westlichen Gesellschaft sind notwendig, denn sie lassen das humanistische Selbstbild brüchig werden. Sie entlarven betroffene Worte als zynische Heuchelei.
Auch wenn die Steine wieder reingewaschen sind — die Verantwortung bleibt.