„Feuer allen Knästen, ob mit oder ohne Mauern!“ Den Aufruf zum Subversiven Mai, als Ausweitung des Vorschlages für einen anarchistischen 1. Mai in Berlin, verstehen wir als Aufruf zur Verdichtung des Angriffs auf verschiedenen Ebenen. Wir stimmen mit dem Anstoß überein, uns nicht auf einen Tag zu beschränken sondern unberechenbar und ständig die Funktionsweisen der bestehenden Gesellschaft zu attackieren und ihre Sicherheit als Illusion offen zu legen.
Zu den Werkzeugen der Macht gehören nicht nur die staatlichen Mörder*innen, sondern auch die Söldner*innen privater Sicherheitsfirmen. Wo einmal Karren von Securitas unbehelligt parkten, ist die Firma in einer Siedlung der Wohnungsgesellschaft GESOBAG als Wachschutz installiert, um ein Einschreiten der Bullen bei Konflikten unter Mieter*innen oder Spannungen mit der Hausverwaltung, gar nicht erst nötig zu machen. Zudem ist Securitas weltweit mit Bewachungsaufgaben in Knästen und öffentlichen Räumen beschäftigt.
„Recognizing the degenerative metamorphosis of the once „revolutionary subject“, today diluted in that imprecise legion of consumers / citizens, is the inevitable starting point to consolidate a community in conscious war, which contributes vigorously to extend the attack against the system of domination in our century. If we are not able to notice the feeling of participation in which the „mass“ dives happily; that is to say, if we do not perceive the accelerated integration of this alienated caterva of „oppressed“ and „excluded“, we are not apt to develop anarchic war in our days. For that reason, it is urgent to renew our ship-replace one rotten wood with the erosion of time-and that will only be possible from a critical balance.“ (aus dem Interview mit Alfredo Cospito)
Zu den Werkzeugen der Macht gehören auch die einst von der Teilhabe an der Gesellschaft Ausgeschlossenen, die in der Phase der technoindustriellen Gesellschaft systematisch in Herrschaftsmechanismen eingefügt werden und so zu ihrer eigenen Unterdrückung durch Kontrolle beitragen. Die soziale Isolierung durch die Technologie nimmt denen, die ihr verfallen sind, die klare Sicht auf diese Funktionsweise. Mit fehlendem gemeinsamen Bewusstsein über den Klassenkonflikt richtet sich die Wut über die Perspektivlosigkeit nicht gegen den Staat und die Herrschenden sondern gegen den Menschen nebenan. Derartige Entwicklungen wie in Frankreich, wo tausende von Menschen in den letzten sechs Monaten ihre Emotionen in direkte Konfrontationen mit den Bullen und Zerstörungen der kapitalistischen Symbole kontinuierlich umsetzen, sehen wir hier, auf von deutschem Staat kontrollierten Territorium, nicht. Zu groß ist bei sozialen Themen das Vertrauen in demokratische Mechanismen, in linke Organisationen, Gewerkschaften und Parteien (oder es materialisiert sich im Rassismus und Nationalchauvinismus).
Was wir, als Anarchist*innen, tun müssen, ist, diese demokratischen Mechanismen anzugreifen, um ihre herrschaftliche Position durch die Propaganda der Tat zu entlarven. Es ist dabei nicht einfach denen, selbst Anarchist*innen, die unerschütterlich an den behutsamen Reformismus glauben, zu erklären, dass die Zerstörung des Bestehenden auch bedeutet, die Illusion der Sicherheit durch herrschaftliche Mechanismen in den Menschen zu zerstören. In jener Nacht des 13. auf den 14. Mai haben wir uns deswegen mit derinformellen Kampagne weltweit verstreuter Zellen verbunden, die Träger der Repression, der sozialen und staatlichen Kontrolle ausfindig zu machen und anzugreifen. Dieses Mal haben wir Brandsätze gewählt, an einem anderen Tag kann es ein Text, ein Plakat, eine Diskussion oder eine Demonstration sein, die die Pfade des Gewohnten verlässt. Die Subversion ist durch die klare Verfolgung unserer Ideen gegeben.
„We do not expect the state to act differently than it does. We are not victims of anything. We do not ask or expect justice“ (aus dem Aufruf zur Solidarität mit Anahi) Die Zerstörung der zwei Securitas Fahrzeuge in Berlin-Wedding ist unser Ruf der Solidarität mit Anahi Salcedo und den, durch den argentinischen Staat, inhaftierten Anarchist*innen. Anahi wurde am 14. November 2018 verhaftet, nachdem sie bei der Platzierung einer Bombe an dem Mausoleumdes Bullen und Folterers Ramón Falcón, vor 109 Jahren von dem Anarchisten Simón Radowitzky getötet,verwundet wurde. Wir wissen nicht viel über die aktuelle Situation, jedoch vernahmen wir aus Texten, dass mit Anahi zusammen ein weiterer Gefährte, sowie nach kurz darauf stattfindenden Razzien um die 12 Anarchist*innen verhaftet wurden und angeklagt sind, sämtliche subversive Taten begangen zu haben. Kraft und Wut, Solidarität und Kompliz*innenschaft!
„I will seek at the risk of my life, the best, the authentic freedom …” (Mauricio Morales)
„This call is to take back what has never been left behind, giving life to that continuity of practice in the current scenario, contributing so that our deaths remain dangerous to the ears of the powerful, actions which are impossible to recuperate by the “progressive citizens” that separate us and rejecting any victimizing expression that seeks to impose a distorted image of our comrade.“ (aus dem Aufruf zum Schwarzen Mai) Wo wir mit der ganzen Vielfalt unserer Mittel zur Tat schreiten, können wir auch unsere Leben verlieren. Daher ist unser Angriff auch eine Erinnerung an Mauricio Morales, der vor 10 Jahren am 22. Mai 2009 auf dem Weg zu einem Ausbildungszentrum der Gendarmerie in Santiago von der eigenen Bombe getötet wurde, und eine Resonanz auf den Aufruf zum Schwarzen Mai.
Wir verfolgen die Taten und Texte aus den Winkeln der Erde, um eine Affinität zu unbekannten Freund*innen zu entdecken, unsere Ideen zu schärfen, um gemeinsame strategische Linien zu entwickeln und unsere eigene Geschichte der Pseudorealität des Systems entgegen zu stellen. Dazu gehört die Erinnerung an unsere Gefallenen und die Einbeziehung unserer Gefangenen durch Texte und Bezugnahmen in aktuelle Konflikte. Denn während wir nachts umherschweifen, sind unsere Gedanken und kämpfenden Herzen bei den Gefangenen und den Menschen, die nicht mehr bei uns sind. Und offensichtlich sind wir damit auch nicht alleine. Im subversiven Mai gab es einige Angriffe. Ein Angriff, dem wir uns in den gewählten Worten anschließen wollen, war jener, der eine solidarische Nachricht an Dimitris Koufontinas sandte und dafür ein Fahrzeug von Kötter Security auswählte. Halte durch, Dimitris!
Wenn wir unser Bewusstsein über das Risiko von Tod und Gefangenschaft schärfen, mit den Ängsten arbeiten, die selbstverständlich mit den Gedanken daran hoch kochen – dann können wir uns von dem Gefühl von Reue befreien, dass uns jeder Zeit ereilen kann. Wenn wir uns auf den Weg machen, besteht immer die Gefahr, Freiheit und Gesundheit zu verlieren. Die reuelose Entschlossenheit ist eine der Voraussetzungen, um uns den Grausamkeiten entgegen zu stellen, die der Krieg des Feindes verbreitet. Zu dieser Entschlossenheit zu kommen ist ein Prozess, der sich nur in der ständigen Auseinandersetzung, individuell und kollektiv, mit unseren Emotionen und Ideen verwirklichen lässt, sich der Höhen und Tiefen bewusst ist und sicher nie abgeschlossen sein wird.
So deklarieren wir jeden Tag aufs Neue unsere Feindschaft gegenüber Staat und Kapital und gegenüber denen, die sich zu willigen Gehilfen desselben machen, weil sie sich davon Reichtum und ihren Frieden im Krieg versprechen.
FAI / FRI „Freie Füchse“