Archiv der Kategorie: Texte

Technologie und Krieg

übersetzt von round robin

Folgendes Plakat tauchte in den Strassen Ghedis (eine Gemeinde in der italienischen Region Lombardei) auf.

Der Krieg beginnt hier. Rwm Italia produziert mit der Komplizenschaft der Banca Valsabbina S.C.p.A. Bomben, die von Italien und Europa auf verschiedenen Kriegsschauplätzen eingesetzt werden.

Rwm Italia, eine Tochtergesellschaft der deutschen Rheinmetall Defence, ist Teil der italienischen und europäischen Aufrüstung; ein Schritt, der unmöglich wäre ohne den Fortschritt der technologischen Forschung, der zugleich über allem Leben schwebt und die Beziehungen entfremdet. Die Unterscheidung zwischen technologischer Forschung für zivile und militärische Zwecke verliert ihre eigene Glaubwürdigkeit angesichts der pausenlosen Entwicklung der Werkzeuge des Massakers, welche die Produkte dieses Unternehmens in erster Linie ausmachen. Es genügt, die Desaster zu betrachten, die von der sogenannten zivilen Nukleartechnologie 1986 in Tschernobyl und 2011 in Fukushima ausgelöst wurden.

Der Krieg treibt die „ökonomische Entwicklung“ an: Den Kapitalisten von überall dient er, um Absatzmärkte zu erobern, verursacht dadurch Tod, Verwüstung und die Abschiebung derer, die von den kolonisierten Gebieten flüchten.

Wirtschaft, Krieg, technologische Forschung und Konzentrationslager, wie es das vorgesehene CPR in Montichiari sein wird, sind ein untrennbares Ganzes.
Angesichts des anhaltenden italiensichen Eingriffs in Libyen und der von ENI verursachten Umweltzerstörung, möchten wir mit Nachdruch wiederholen, dass sich die wahren Feinde unentwegt in unserem Alltag befinden. Es liegt an jedem Individuum, sie zu erkennen und seine eigene Entscheidung zu treffen. Hören wir auf zuzuschauen, stoppen wir diejenigen, die den Krieg hervorbringen.

TECHNOLOGIE UND KRIEG: DER SOZIALE FRIEDE IST EINE WAHRE BOMBE!

Folterknechte der Meere und der Wüste – Die Politik der italienischen Regierung in Libyen

übersetzt von act for freedom und round robin

Was sich vor der Küste und innerhalb des libyschen Territoriums abspielt, ist wahrlich exemplarisch für die abscheulichen Zeiten, in denen wir leben.

Mit dem unverschämten Vorwand des „Kampfes gegen den Menschenhandel“ finanziert der italienische Staat grosszügig Kriegsherren, Wärter und Milizen (die völlig unbeholfen als die „libysche Regierung“ hingestellt werden) zwecks der Kontrolle und massenhaften Internierung der Armen auf der Flucht. Patrouillen und Zurückweisungen an den Küsten des Mittelmeers, die Inhaftierung von ungefähr 600‘000 Menschen in den libyschen Konzentrationslagern, der Bau einer Mauer in der Wüste entlang den Grenzen mit Niger, Mali und dem Chad. Die gleichen Milizen, die sich über Monate mit den Reisen der Verzweiflung bereichert haben, werden nun dafür bezahlt, dies zu verhindern. Die gleichen Milizen, die von ENI mit der bewaffneten Verteidigung ihrer Ölfelder beauftragt werden. In den 34 Konzentrationslagern kommt es tagtäglich zu Folter, Gewalt, Vergewaltigungen. Wichtig ist, dass die unerwünschte menschliche Ware die Träume nach Ordnung und Sicherheit in Italien und Europa nicht stören kommt. Das Übrige ist nicht unsere Angelegenheit, nicht wahr? Wurden auf der anderen Seite nicht auch die gleichen Vereinbarungen mit Erdogans Türkei getroffen?

Der ‚Wiederaufbau‘ in Libyen, den die Demokraten nun im Gegenzug zu den Mauern gegen Migranten ankündigen, ist die Fortführung dessen, was mit ihren Bomben begann. Die verschiedenen libyschen Herrschaften nutzen die Waffe der Migranten, um um Geld und internationale Anerkennung zu streiten. Was jede Macht als „Regierung“ anerkennt, ist schlicht die rüchsichtsloseste und zuverlässigste Mörderbande.

Sowie damals der linke Napolitano zur Teilnahme am Krieg angeregt hatte, prahlt heute ein Diener der partito democratico wie Minniti mit dem Rückgang der Anfünfte von Migranten. In der Zwischenzeit hat ENI weitere neun Ölfelder auf den 30‘000 km² eröffnet, die sie auf libyschem Gebiet beherrschen. Andere itatliensche Unternehmen sind mit Sack und Pack bereit, nachzuziehen.

Städte werden im Namen des sogenannten „Antiterrorismus“ militarisiert und dann werden libysche djihadistische Milizen für ihre eigenen Interessen bezahlt. Es wird über die „demokratischen Rechte“ gefaselt, aber das einzige „Recht“, das Millionen von Armen haben, ist es zu krepieren. Der Begriff der „unterlegenen Rassen“ wird nicht mehr länger verwendet, doch das Resultat ist dasselbe.

Während soviele unserer Mitmenschen im Terror versinken, ist der Angriff auf die Herren der Ausbeutung und der Kriege die einzige Möglichkeit, nicht in der unmenschlichsten Gleichgültigkeit zu versinken.

PDF-Broschüre zur Politik der italienischen Regierung in Libyen auf italienisch

Der Feind steht Kopf

gefunden in der Revolte – anarchistische Zeitung aus Wien Nr. 25

Einige Texte wurden in dieser Zeitung schon zur neuen österreichischen Regierung geschrieben. Doch die Entwicklungen in diesem Land folgen einem Trend, der sich längst in weiten Teilen der Welt verbreitet hat. Die alte sozialdemokratische Vorherrschaft scheint sich in Auflösung zu befinden. Der ’neue Stil‘, von dem Kurz und Strache sprechen, spiegelt all die neuen Grundlagen wieder, mit der die krisenhafte kapitalistische Ausbeutung fortgesetzt werden soll. Abschottung, Nationalismus, Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen, Kontrolle der Medien, Ausbau von Militär- und Polizeistrukturen, Beschneidung von sozialen Absicherungen und Arbeitsrechten, Arbeitsflexibilisierung, Ausbau von Digitalisierung und Überwachung usw. Doch das ist nicht nur das neue Gesicht Österreichs, sondern die hässliche Fratze des Europas im 21. Jahrhundert.

Nach den Wahlsiegen von Rechten und Konservativen rund um die Welt wurde der Sieg von Alexander Van der Bellen gegen Norbert Hofer im Herbst 2016 als „Sieg der Vernunft“ gefeiert. Ein außerordentlicher Zynismus, dass gerade Van der Bellen nun eine Regierung von FPÖ und ÖVP angelobt hat. Während sich die Mehrheitsgesellschaft in Österreich selbst anlügt, dass nämlich die heutige FPÖ eine gemäßigtere sei als 2000, genau das Gegenteil ist aber der Fall! Wir wollen hier alle, die an Gedächtnisverlust über die jüngere österreichische Geschichte leiden, daran erinnern, dass die FPÖ im Jahr 2000 noch einen wirtschaftsliberalen Flügel hatte. Dieser verabschiedete sich durch den sogenannten ‚Knittelfelder Parteitag‘ im Jahre 2002 aus der FPÖ oder besser: wurde verabschiedet. Ein Teil dieser Personen wird übrigens in den letzten Jahren und auch in der aktuellen BUWOG-Affäre der Prozess wegen Korruption gemacht. Seit dem ist in der FPÖ das deutsch-nationale Lager vorherrschend.

Dass diese Regierung fast ausschließlich aus Rechtsextremisten und ManagerInnen besteht, sollte jedem klar sein, der einen letzten Funken Verstand im Schädel hat. Jene, die diese Offensichtlichkeit abstreiten, sind wohl auch nicht mehr vom Gegenteil zu überzeugen, deshalb werden wir diese Diskussion hier auch nicht mehr länger bemühen.

Über die Wahrheit

In der wirklich verkehrten Welt ist das Wahre ein Moment des Falschen.“

Die Gesellschaft des Spektakels. Guy Debord

Die Wahrheit ist im digitalen Zeitalter ein knappes Gut geworden. Sie verkauft sich schlecht. Mit ihr lässt sich kein Wahlkampf machen und niemand zur Arbeit zwingen. Während die Sozialdemokratie einem ideologischen Konstrukt von Befriedung und Rekuperation gefolgt ist, dem man zustimmen oder es als korrumpierendes Instrument zur Verhüllung des Klassenkonfliktes bekämpfen konnte, haben diese Fakten an Wert verloren. Geschehnisse und Tatsachen sind zu bloßen Meinungen verkommen. Diejenigen, die am adäquatesten auf diesen Trend reagiert haben, sind die Reaktionären. Die Rechte hat durch diese Taktik von Verdrehung und Manipulation in unzähligen Ländern die Wahlen gewonnen und sitzt nun in den Regierungen.

Die Anderen

Was in ganz Europa nicht erst seit der sogenannten Flüchtlingskrise passiert, ist eine beharrliche Konstruktion des ‚Anderen‘. Derjenigen, die nicht dazugehören. Dabei wird jedes Vergehen, egal ob wirklich passiert oder erfunden, präzise herausgeschält und von der Presse vermarktet.

Die Umkehrung des Klassenverhältnisses dient in einer Gesellschaft, in der nahezu jeder Mensch Teil der herrschenden und besitzenden Kaste sein will, zur Legitimation der Herrschaft selbst. Der Wettlauf und die Konkurrenz um alle Profite, egal ob sozial, gesellschaftlich, finanziell, religiös, kulturell oder politisch dienen zur Vernichtung des Gedankens an den Aufstand und die Revolte. Je mehr Kategorien von den Herrschenden eingeführt werden, desto geringer ist das Risiko, dass es eine Solidarisierung und in weiterer Folge eine mögliche Erhebung unter den Ausgebeuteten gibt.

Der Hass auf die herrschende, besitzende Klasse kehrt sich immer mehr in eine Abneigung gegen die Habenichtse, vor allem gegen Fremde. Und das in der Regel immer stärker, je ärmer man selber ist. Fremdenhass und Angst sind längst wieder zu einem nicht mehr wegzudenkenden politischem Steuerungselement geworden. Eine neue Methode, die zur Förderung des Sozialkannibalismus und der Konkurrenz zwischen den Ausgebeuteten fungiert. Der Hass auf die Anderen dient als Machtabsicherung für die Herrschenden.

Das Lager

Das Lager ist neben dem Gefängnis wieder zum integralen Bestandteil von Repression und Ausschluss geworden.

Was macht es für die Herrschenden für einen Unterschied, wenn wir nicht rebellieren, weil wir vollgefressen oder verängstigt sind? Der Geflüchtete zeigt der europäischen Gesellschaft der ‚Freiheit‘ und des ‚Friedens‘ ihre eigene Lebenslüge auf. Dass der schier grenzenlose Konsum und die Selbstgerechtigkeit, die geschaffen wurde, um uns ruhig zu halten, nur wackelige Konstrukte sind, die niemals für alle Menschen real werden können.

Aus diesem Grund müssen die „Anderen“, die der Gesellschaft ihre Verletzlichkeit und Arroganz vor Augen halten, ausgeschlossen und an einem Ort zusammengefasst werden, an dem es keine Vermischung mehr geben kann. Und genau das sind auch die Vorschläge eines Johann Gudenus von der FPÖ, wenn er die Unterbringung von Migrant_innen am Stadtrand verlangt. Diejenigen in Lagern zu konzentrieren, die nun auch von den billigsten Verheißungen des Kapitalismus ausgeschlossen werden: Dem Smartphone und der Sozialhilfe.

Am besten für Europa wäre es jedoch: Sie kommen gar nicht so weit. Aus diesem Grund hat die EU schon seit geraumer Zeit Deals mit Machthabern jenseits der europäischen Außengrenzen gemacht. Beispielsweise mit diversen bewaffneten Gruppen in Libyen. Damit diejenigen, die ihren Weg nach Europa machen wollen, dort interniert werden. In diesen Lagern werden sie systematisch misshandelt und müssen unter miserablen Bedingungen hausen. Das ist es, was so simpel hinter der Forderung ‚Schließung der Mittelmeerroute‘ von Sebastian Kurz steckt.

Fortschritt und Geschwindigkeit

Die Autorität hat ein hochgezüchtetes Netzwerk erschaffen, das sich immer mehr verselbständigt. Die täglichen Entwicklungen überschlagen sich, wir können dem Fluss an Informationen nicht mehr folgen. Diese Tatsache erlaubt es den Herrschenden auch, uns ständig mit neuen Angriffen auf unser Leben zu konfrontieren und bevor wir auf eine geplante Schweinerei antworten können, ist sie bereits beschlossen, eingeführt, im Gesetz verankert und wird praktiziert. Und die nächste befindet sich schon in Vorbereitung. Unsere Zeit ist rasend schnell geworden. Wer mithalten will, muss sich anpassen.

Der Feind steht Kopf. Er verrenkt sich in alle Himmelsrichtungen, um uns in sämtlichen Lebensbereichen die richtige Schablone aufzuzwingen. Um immer als erster zu den wichtigen Fragen des Lebens eine vorgefertigte Meinung zu propagieren. Bevor wir uns selbst ein eigenes Bild von den Umständen machen können, kommen die Medien bereits mit 1000 Schlagzeilen, um unsere Gedanken zuzuscheißen. Um unsere Fantasie und unsere Vorstellungskraft zu zerstören. Wenn ihr mich fragt, bleibt angesichts dieser Umstände nur ein einziger Weg übrig: Den Gegensatz zu all ihren billigen Vorschlägen zu zelebrieren. Vernichtet jede Form der Autorität zur sich am besten bietenden Gelegenheit. Angriff!

Renitente Nr. 2 erschienen

gefunden auf barrikade

Die Renitente ist ein offenes Zeitungsprojekt aus der Zentralschweiz. Sie veröffentlicht verschiedene kritische Stimmen im Kampf gegen die Regierung von Migration. In der aktuellen kurzen Ausgabe widmen sich die Autor*innen individuellen Geschichten des Widerstands. Dieser passiert mal mit Leib und Leben, mal mit Farbe gegen Wände und Ämter.

Die Zeitung ist zu finden im Luzerner Infoladen Romp, in der neuen Besetzung Rosa Lavache (Güterstrasse 7) oder hier als .pdf.

Wir laden alle ein zur Diskussion der aktuellen Ausgabe am 8. Februar um 19 Uhr, im Rossstall (Industriestrasse 9). Da gibts auch Essen und Trinken 🙂

Jede Grenze ist Krieg, jede Grenze ist ein Knast

übersetzt von sans attendre, publitziert in der 7. Ausgabe der anarchistischen Zeitschrift Du pain sur la planche vom Dezember

Folgender Text wurde im Oktober/November 2017 in Marseille verteilt. Im Kontext der Mobilisierungen gegen die Ausschaffungen von Menschen, die vom Staat als unerwünscht betrachtet werden, ist dieser Text ein Beitrag zum Kampf gegen die Grenzen, die Kontrolle und die Einsperrung als solche. Von den Hauts Alpes nach Ventimiglia, über das Royatal nach Marseille gibt es viele, die materielle Unterstützung organisieren, um bei der Überquerung der Grenzen zu helfen und Räume der Beherbergung zu öffnen, die nicht von der Einteilungs- und Verwaltungslogik der Institutionen und ihren assoziativen/humanitären Hilfskräften abhängig sind.

Die Herrschaft packt jede Gelegenheit beim Schopf, um ihr Arsenal der Kontrolle und der Repression zu verstärken. Einige Stunden nach einem Messerangriff, der beim Bahnhof St-Charles (A.d.Ü. Bahnhof in Marseille) zwei Personen das Leben kostete, wurde angekündigt, weitere Zellen im Internierungslager zu bauen. Unmittelbar danach hörte man, dass im Dezember die „Kapazitäten“ im CRA Canet von 60 auf 138 Personen erhöht werden sollen, was die Bullen ermutigen wird, noch mehr Kontrollen, Verhaftungen und Abschiebungen vorzunehmen. Im gleichen Zuge möchte die Regierung die Maximaldauer der Einsperrung im CRA von 45 auf 90 Tage erhöhen und Hausarrest-Zentren in der Nähe von Flughäfen eröffnen, um die Dublin-Ausschaffungen zu beschleunigen.

Über die Unterstützung von Menschen, die von einer Ausschaffung bedroht sind, hinaus, scheint es uns wichtig, die Dynamiken von autonomen Kämpfen zu fördern, die den Dialog mit den institutionellen Akteuren verweigern und Wege der Solidarität und der Offensive gegenüber der sich täglich intensivierenden Jagd auf die Armen erkunden.

Von daher kommt der Vorschlag in diesen Zeilen, die verschiedenen verantwortlichen Strukturen, die in der Inhaftierungs- und Abschiebemaschine involviert sind, klar zu benennen. Wir betrachten diese nicht als Gesprächspartner, aber als Feinde, die es zu bekämpfen gilt. Dieser Vorschlag erfordert es, ausgebaut und präzisiert zu werden, sowohl durch geschriebene Beiträge und Diskussionen, als auch in der Praxis.

Heute wie gestern, hier wie überall: Zerstörung der Internierungslager, Freiheit für alle!

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Jede Grenze ist Krieg,
jede Grenze ist ein Knast

Jede Grenze wird auferlegt. Die Herrschaft definiert mit Gewalt den Raum ihres Territoriums, bestimmt, wer das Recht hat, sich darauf niederzulassen und wer nicht. Es gibt daher keine „richtige“ Verwaltung der Migration (und wir wollen keine davon) aber eine Willkür, die sich entsprechend der Epoche und gemäss den Interessen der Herrschenden behauptet und entwickelt.

Die Epoche, in der wir leben, ist gekennzeichnet von einem Kontext der Kriege und der bewaffneten Konflikte in allen Ecken des Planeten, die immer von den Staaten vor Ort und den konkurrierenden Kräften, die die Macht und die Kontrolle über die Bevölkerung und die Reichtümer dieses oder jenes Gebiets wollen, genährt werden. Diese Bedingungen zwingen Millionen von Personen, aus den Regionen, in denen sie wohnen, zu flüchten, um zu überleben, ein besseres Leben und mehr Freiheit zu suchen.

Die europäischen Behörden haben ihr repressives Dispositiv in den letzten Jahren angepasst und erweitert, um die Kontrolle angesichts der Zwangsvertreibungen von Bevölkerungen zu wahren. Im Anschluss an die aufeinanderfolgenden Räumungen der Camps in Calais und Paris hat der Staat die unterschiedlichen Strukturen (CRA, temporäre Lager, CAO (A.d.Ü. Centres d‘accueil et d‘orientation – Aufnahme und Orientierungslager), PRAHDA (A.d.Ü. programme d‘accueil et d‘hébergement des demandeurs d‘asile – Programm zur Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern)…) vervielfacht und sie der Einteilung, der Isolierung und der Abschiebung von als unerwünscht betrachteten Migrant_innen angepasst, um jeden Referenzpunkt und jede Möglichkeit der Selbst-Organisation zu durchbrechen. Parallel dazu wird das Dublinsystem regelmässig erneuert und verstärkt und die europäischen Staaten gliedern die Verwaltung der Grenzen durch Vereinbarungen mit der Türkei oder Libyen aus, mit dem Ziel, die Personen frühzeitig zu stoppen. Kürzlich hat die Regierung die Verlängerung der Haftdauer von 45 auf 90 Tage angekündigt sowie ein voraussichtlicher Plan, weitere Internierungszentren zu bauen. Die Inhaftierungs- und Abschiebemaschine breitet ihre Netze aus und verkompliziert nicht nur ihren Betrieb, sondern auch die Art und Weise, sich dem entgegenzusetzen.

Angesichts dieser infamen Jagd auf migrantische Personen haben zahlreiche Initiativen versucht, der Isolierung und Zerstreuung entgegenzuwirken, insbesondere durch das kollektive Öffnen und Besetzen von Räumen, die hilfreiche Etappen im Parcours sein können, besonders durch das Département Hautes Alpes, das als Weg häufiger genutzt wird, seitdem die Behörden die Grenze bei Ventimiglia abgeriegelt und die Durchreise durch das Royatal erschwert haben.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Grenzen durchbrochen werden, wie in Ceuta und Melilla (Marokko/Spanien) oder in Calais, dass Revolten in den Internierungslagern ausbrechen oder dass Leute es schaffen, daraus auszubrechen, dass Proteste die humanitäre Maske der „Empfangszentren“ zerfetzen, um ihre wahre Funktion aufzuzeigen: Die von allen Gefängnissen.

In gewissen Quartieren in Marseille, die häufiger von der Polizei heimgesucht werden, häufen sich in letzter Zeit die Grosskontrollen, um die Bestrebungen des Stadtrates umzusetzen, die das Stadtzentrum „reinigen“ wollen, um den Tourist_innen und anderen Bürger_innen Platz zu machen. Die RTM (Verkehrsbetriebe von Marseille) haben ebenfalls an diesen Kontrolloperationen teilgenommen, die dazu führen können, dass Personen in Untersuchungshaft oder in Lager gesteckt werden.

Die Abschiebemaschine, die von der Verhaftung über die Einsperrung bis zur Abschiebung reicht, baut tatsächlich auf verschiedenen Etappen auf, in denen zahlreiche Akteure involviert sind: Die PJJ (protection judiciaire de la jeunesse, z.dt. Etwa Jugendrechtsschutz), die die Strafvollzugsanstalten für Minderjährige verwaltet, in denen zahlreiche isolierte, ausländische Minderjährige landen, die von den Bullen verhaftet wurden. L‘Addap 13 (Association Départementale pour le Développement des Actions de Prévention des bouches-du-rhônes), die sich damit brüsten, Minderjährige im Auftrag des Département ausfindigzumachen und zu verwalten. Adoma, die die Sortierungszentren im Rahmen von PRAHDA verwalten. Aber auch Bouygues, die das CRA Canet gebaut haben und die die Verwaltung davon mit anderen Unternehmen wie Vinci (GTM Multiservice), Défi Restauration…, oder auch der SNCF (A.d.Ü. staatliche Eisenbahngesellschaft Frankreichs) teilen, die nicht zögern, Menschen aus den Zügen zu werfen und/oder sie den Bullen auszuhändigen.

Eine von zahlreichen Arten, der Mechanik der Abschiebungen, entgegenzutreten, könnte eine Verbreiterung der Feindschaft gegenüber diesen Beteiligten sein, die sich auch in anderen Bereichen wiederfinden, die diese Welt prägen: Mittel zur Überwachung, Autobahnen und Flughäfen, Atomkraftwerke, Gerichte und Knäste…

Wenn wir es ablehnen, passiv zu bleiben und die Unterdrückung als desillusionierte Zuschauer_innen zu betrachten, dann weil wir auf die ganze Unterdrückung und Ausbeutung spucken, in die uns der Staat und der Kapitalismus zwingen wollen.

Das, was wir für unsere eigenen Leben ablehnen, lehnen wir auch für andere ab.

Wir wollen für unsere Freiheit kämpfen und es ist in diesem Kampf, in dem sich neue explosive Komplizenschaften spinnen können.

Schärfen wir unsere Wut, um die Grenzen, die Staaten und alles, was ihnen erlaubt zu existieren, zur Strecke zu bringen!

Freiheit für alle!

Gegen das PJZ und alle Gefängnisse dieser Welt!

gefunden in der Dissonanz – anarchistische Zeitung Nr. 52. Ein Archiv mit verschiedenen Ausgaben findet ihr hier.

Anfang Juli 2017, kanpp zwei Wochen nach dem Spatenstich, brannte bei der PJZ-Baustelle eine Trafostation.

Anfang Juli 2017, kanpp zwei Wochen nach dem Spatenstich, brannte bei der PJZ-Baustelle eine Trafostation.

Folgender Text wurde im letzten September in den Quartieren rund ums PJZ (Polizei- und Justizzentrum) verteilt.

Langsam aber sicher sollten es alle bemerkt haben, dass nach einem 1 ½ jährigen Baustopp nun auf dem ehemaligen Güterbahnhof der Grundstein für das geplante Polizei- und Justizzentrum gelegt wird. In diesen 1 ½ Jahren wurde noch eine Etage obendrauf geplant, welche ab 2021 über dem Quartier thronen soll. Als Mahnmal der staatlichen Kontrolle soll das PJZ tief in die Kreise 4 und 9 (und eigentlich die ganze Stadt) reinleuchten, um damit all diejenigen, die sich nicht an die Gesetze halten wollen (oder können), daran zu erinnern, dass sie in dieser Stadt keine Zukunft haben, sondern eingesperrt und weggefegt gehören. Ganz konkret wird das PJZ den Bullen und der Justiz die systematische Kontrolle der genannten Stadtkreise elementar vereinfachen, da dann verschiedene Polizeiinfrastrukturen und Strafverfolgungsbehörden in diesem einen Palast vereint werden sollen.

Doch wird das PJZ, ist es dann mal fertiggestellt, auch klar sichtbare Veränderungen für einen grossen Teil seiner Nachbarschaft bringen, wie etwa die komplette Neustrukturierung des Bullingerquartiers. Mit dem Abriss und Renovationen von anliegenden Wohnhäusern sollen die Zufahrtswege des PJZ verbessert werden, wäre ja blöd, wenn die Cops dann ständig an roten Ampeln stehen müssten. Mit dem ganzen Prozedere wird aber vor allem die soziale Struktur des ganzen Quartiers rundherum so verändert werden, dass sich dort auch reichere Leute mir ihren ganzen Bedürfnissen wohl fühlen… eine ganz andere Stimmung soll da geschaffen werden.

Doch seit Anfang an gab es Individuen, die – jeden heuchlerischen Volksentscheid ablehnend – den Willen nicht verloren haben, sich gegen das Unterfangen zu stellen. Denn das PJZ ist, was es bleibt… ein brachiales Instrument der Mächtigen zur Kontrolle und Einschüchterung der Unerwünschten und Unterdrückten, ein Schlag auf den Kopf aller freiheitsliebenden und das Gesetz verachtenden Menschen. Wie schon mal vor längerer Zeit gesagt wurde, wird der Bau des PJZ auch durch unsere Resignation ermöglicht. So ist es ein kleiner Teil der Bevölkerung dieser Stadt, welcher das PJZ „benötigt“, um seinen Reichtum und seine Privilegien zu verteidigen und auszubauen, genauso wie es ein viel kleinerer Teil der Gesellschaft ist, der einen viel grösseren, aber lethargischen Teil regiert, ausbeutet und wenn er dann nicht mehr gebraucht wird, auf den Müll schmeisst, also verdrängt, einsperrt oder abschiebt.

Wieso aber lassen wir dies einfach geschehen? Denn wir wollen weder eine Welt, in der eine Mehrheit über eine Minderheit herrscht, noch eine Welt, in der überhaupt Menschen beherrscht werden und alles ruhig in Reih und Glied steht. In Richtung dieser Welt schreitend, stehen uns das PJZ und alle Gefängnisse dieser Welt, im Wege.

Lasst uns alle unsere zugeordnete Rolle ablegen, dem falschen Spiel der Politik auf die Schuhe spucken und uns auf die Suche nach vielfältigen Mitteln machen, die den Bau des PJZ verhindern können!


Chaoten greifen Polizisten mit Eisenstangen an

gefunden auf 20min

In der Nacht auf Dienstag (26.12.17) feierten bis zu 200 Personen eine illegale Party neben der PJZ-Baustelle. Als die Polizei diese auflösen wollte, eskalierte die Situation.

Am 26. Dezember kurz vor 1.30 Uhr wurde der Stadtpolizei Zürich gemeldet, dass mehrere Personen beim Hardplatz und der Grossbaustelle des Polizei- und Justizzentrums Zürich (PJZ) Betonwände besprayen.

Als die Patrouillen vor Ort eintrafen, wurden sie sofort mit Steinen und Eisenstangen beworfen und angegriffen. Zudem wurde mehrfach pyrotechnisches Material gezündet. Die Stadtpolizei setzte daraufhin Gummischrot und Reizstoff ein. «Wir hatten aus der ganzen Stadt Einsatzkräfte zusammengezogen und hatten auch Unterstützung von Patrouillen der Kantonspolizei», sagt Michael Walker, Sprecher der Stadtpolizei Zürich.

Reizstoff führte zur Auflösung der Party

Die Personen zogen sich danach in die Unterführung beim Hardplatz zurück, in der eine illegale Party mit rund 100 bis 200 Personen im Gang war. «Ob es einen Zusammenhang gibt zwischen den Sprayern und der Party, ist zurzeit noch nicht bekannt», so Walker. Fakt sei jedoch, dass anschliessend weiter Steine und Flaschen aus der Menge in Richtung Polizisten geflogen seien.

Nachdem die Polizisten die Leute mehrfach mit einem Megafon aufgefordert hatten, die Party zu beenden und die Unterführung zu verlassen, wurden sie erneut mit Steinen und Flaschen angegriffen. Nach einer weiteren Abmahnung wurde schliesslich Reizstoff eingesetzt, was dazu führte, dass die Leute die Party beendeten und die Örtlichkeit verliessen.

Keine Verletzten

«Es wurden keine Verhaftungen und keine Kontrollen durchgeführt», sagt Walker. Man sei in erster Linie froh, dass sich bei den Ausschreitungen niemand verletzt habe: «Da kann man sicher von Glück sprechen – geworfene Steine, Flaschen oder Eisenstangen können schwere Verletzungen zur Folge haben.»

Wer hinter der Party und den Sachbeschädigungen steckt, ist nun Gegenstand der Ermittlungen. Auch die Höhe des angerichteten Sachschadens kann noch nicht beziffert werden.

Laut einem Leser-Reporter, der vor Ort war, seien alle Personen komplett in Schwarz gekleidet gewesen: «Es herrschte eine Stimmung wie am 1. Mai.» Er sei sich zudem sicher, dass auch ein paar Stadtzürcher Fussballanhänger an den Sprayereien und Ausschreitungen beteiligt gewesen seien.

Paris, Frankreich: Anti-Knast Aktion an der Universität Sorbonne

übersetzt von sans attendre demain

Ein runder Tisch rund um die „Menschenrechte im Gefängnis“ fand am Donnerstag, 24. November in der Sorbonne statt. Organisiert wurde der Anlass von der Vereinigung Farapej. Ein dutzend Personen haben ihren „Dialog“ gestört, an dem u.a. Patrice Bourdaret, Direktor des Gefängnisses von Villenauxe-la-Grande (Aube), teilgenommen hat.

Unterbrechungen, Slogans, Transparente, Flyer (siehe unten) und Stinkbomben trafen auf einige komplizenhafte Schmunzler im Publikum und auf eine gegenseitige Feindschaft mit den Organisatoren und ihren Verteidigern.

Während der Staat seine Inhaftierungsmaschine perfektioniert und 33 neue Knäste bauen wird, vermehren wir die Sandkörner in seinen Getrieben.

Solidarität mit allen, die sich im Alltag gegen die Bullen, die Justiz und die Einsperrung auflehnen.

Der verteilte Flyer:

Das Gefängnis ist nicht zu denken, nicht zu verbessern, nicht zu ersetzen, aber zu zerstören!!!

Wir befinden uns heute im Rahmen der „nationalen Tage des Gefängnisses“, eine Woche, die unter anderen von den zentralen Institutionen organisiert wurde, die in den Käfigen des Staates arbeiten. All diese Organisationen, die Seite an Seite mit den Behörden zusammen arbeiten, die für ihr „humanitäres“ Engagement bekannt sind und die uns von der „Solidarität“ und der „Unterstützung“ von Ausgeschlossenen, Vergessenen, Marginalisierten berichten. Scheinbar voll mit edlen Absichten. Unter diesen Institutionen befindet sich beispielsweise das Rote Kreuz, stets an der Seite des Staates, des Militärs, stets zugegen, wenn es darum geht, die Bevölkerung zu „verwalten“, wie zum Beispiel in den zones d‘attente (ZA, z.dt.: Wartebereich), sprich in den Gefängnissen, in denen der Staat die Ausländer und Ausländerinnen einsperrt, denen die Einreise auf das französische Hoheitsgebiet verweigert wurde. Seit 2003 ist das Rote Kreuz darin als Hilfskraft für die Polizei involviert und mit den medizinischen Aspekten sowie der Verwaltung der Inhaftierung beauftragt. Das Rote Kreuz beteiligt sich ebenfalls an der Organisation der Abschiebeflüge und hat sogar (2004 in Amiens) ihre Lokalitäten zur Verfügung gestellt, sodass sie im Anschluss einer Massenverhaftung von dutzenden rumänischen Sans-Papiers als LRA (Locaux de Rétention Administrative, Anm.d.Ü. Kurze Administrativhaft vor der Verlegung in die CRAs oder der Abschiebung) genutzt werden konnten!

Das gleiche gilt für la CIMADE, „association militante depuis 1939“ (z.dt. etwa: aktive Vereinigung seit 1939), die seit den frühen 80er-Jahren „einen Einsatz der Begleitung von Ausländern in den administrativen Haftzentren“ leitet. Wenn man die Unterlagen der Gefangenen betrachtet, sieht man, dass sie die Arbeiten ausführt, die der Staat seit Beginn an loszuwerden versuchte: Während sich der Staat nur noch um die Bewachung der CRAs kümmern muss, führt la CIMADE die Arbeiten des administrativen Dienstes aus, indem sie die guten und die schlechten Akten sortiert.

Mit dem Gefängnis zu arbeiten, um das Gefängnis zu verbessern, sind so auch die expliziten Ziele dieser „Gefängnisberatungsgruppe“ und einer Organisation wie la FARAPEJ, die eine „tiefgreifende Transformation des Gefängnislebens“ vorschlägt und erklärt, „die Funktionsweise der Justiz verbessern“ zu wollen. Dass es allen klar ist; das Problem für all diese Institutionen liegt keinesfalls in der Existenz eines auf kapitalistischer Ausbeutung gestützten Systems, der Grenzen, der staatlichen Herrschaft durch die Uniformen, der brutalen Auferlegung der Autorität über das Leben der Individuen, der Repression von all denen, die nicht den richtigen Weg gehen oder gegen die Ordnung rebellieren. Nein, im Gegenteil, diese vermeintlich humanitären oder aktivistischen Institutionen kollaborieren mit der Verwaltung der Ordnung und sind unabdingbar für sein Funktionieren. Auch wenn sie von der „Abschaffung der Gefängnisse“ sprechen, meinen sie damit ein alternatives Bestrafungs- und Kontrollsystem, wie der Verwendung von elektronischen Fussfesseln oder der Wiedereingliederung durch die Arbeit. Gleichermassen wie die Bullen sind sie Teil der Funktionsfähigkeit und der Kontrolle eines Systems mit den Imperativen: Arbeite! Achte das Gesetz! Respektiere die Autorität der Familie, des Chefs und des Bullen!

Wir wissen natürlich, dass sich unter euch, unter den Leuten, die sich für den Ablauf dieses Events interessieren und ihm folgen, auch solche befinden, die ab der Einsperrung von menschlichen Wesen wirklich angewidert sind und vielleicht sogar solche, die diese Welt des Geldes, der Bullen, der Gitter und der Stacheldrähte verabscheuen. Und dennoch erweist uns hier, direkt vor uns, ein Widerling wie Patrice Bourdaret die Ehre, der Direktor der Haftanstalt Villenauxe-la-Grande. Ein Direktor, der, nach uns, genauso wie seine Gefängnisaufseher, nichts als Verachtung und Hass verdient hat, da genau sie die Direktverantwortlichen für hunderte Suizide in den Knästen, Prügel, Isolierung, Leid, zerstörte Leben von tausenden in den Käfigen des Staates eingesperrten Männern und Frauen sind.

Wir sind für die Zerstörung des Gefängnisses und wir sind solidarisch mit den Revoltierenden inner- wie ausserhalb der Knäste, nicht nur, weil wir gegen den Horror der Inhaftierung sind, sondern weil wir glauben, dass der Knast, genauso wie die Arbeit, einer der Grundpfeiler einer Welt ist, die strukturell auf der Herrschaft, der Gewalt und der Exklusion gründet. Wir sind für die Zerstörung des Gefängnisses, aber auch der Gerichte, der Armee und der Polizei, denn wir tragen eine Welt in unseren Herzen, eine Welt von freien Wesen, eine horizontal organisierte und auf gegenseitiger Hilfe aufgebaute Welt. Unsere Freiheit lässt sich nicht messen, nicht kontrollieren, passt nicht in die Gesetzesartikel des sogenannten „Rechts“, das immer von dem beschlossen und gestaltet wird, der die Macht hat. Wenn es wirklich stimmt, dass wir Träumer sind, dann weil wir nicht auf den Tag einer hypothetischen Revolution warten werden, um die Autorität, seine Käfige, seine Schergen und seine Erziehung zu bekämpfen.

Es lebe die Revolte, es leben die Meutereien, es leben die Ausbrüche!

Rom, Italien: Explosiver Angriff auf eine Kaserne der Carabineri

übersetzt von croce nera anarchica und attaque

In Zeiten des sozialen Friedens und der Logik des Wartens gibt es keine bessere Antwort als die Aktion. Ein Ansporn, eine Kontinuität und ein Ruck um all diejenigen zu wecken, die am Schlafen sind.

Nach seiner eigenen Initiative zu handeln, bricht die Logik des Wartens und der Reglosigkeit und entzündet all diejenigen, deren Blut am Brodeln ist. Die anarchistische Praxis des Angriffs muss der Grundansporn für die Anarchie sein, andernfalls handelt es sich um eine wandelnde Leiche. Eine erforderliche Handlung, um uns auf die Art lebendig zu fühlen, die wir für angebracht halten, ausserhalb aller Programme, ausserhalb aller hierarchischen und vertikalen Strukturen. Viele revolutionäre Praxen sind teil des Anarchismus in seinem Innern. Wir haben uns entschieden, unser Leben in die Hände zu nehmen, indem wir mit dem bedrückenden Frieden brechen, der uns umgibt.

In der Nacht vom 6./7. Dezember haben wir eine mit 1.6kg Sprengstoff gefüllte Thermoskanne aus Stahl vor der Kaserne der Carabineri im Quartier San Giovanni in Rom platziert.

Unsere Aufmerksamkeit ist auf die zentralen Wächter der tödlichen Ordnung des Kapitalismus gefallen: Die Ordnungskräfte. Ohne sie wären die Privilegien, die Arroganz, der angehäufte Reichtum der Bosse nichts. Denn seit immer unterdrücken sie, sperren ein, schieben ab, foltern oder töten diejenigen, die sich nach Wahl oder Notwendigkeit ausserhalb ihrer Gesetze befinden.

Der Kampf gegen den Staat ist nicht einfach und lässt sich nicht auf magische Formeln reduzieren. Aber die Ziele sind da und wir können nicht immer Theorien entwicklen und über die Umstände palavern. Jedes freie Individuum, nach Verlangen und Notwendigkeit, setzt die Hebel für die Aktion in Bewegung, hier und jetzt. Im Kampf für die Freiheit gibt es keine Delegation. Wir dürfen uns nicht von der Entmutigung hinreissen lassen, die in diesen Zeiten in grosen Dosen verteilt wird.

Was wären all diese Jahre gewesen, wenn nicht eine feuerfeste Minderheit die Fackel der Anarchie in die Hände genommen hätte? Wenn diese Gefährt_innen auf bessere Zeiten gewartet hätten? Der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission, dessen Wheinachtsfest runiert wurd, weiss etwas darüber (Anm. von Attaque: am 21. Dezember explodieren zwei Bomben in der Wohnung von Romano Prodi, dem Präsidenten der Europäischen Kommission in Bologna – Die Stellungnahme, die ihr u.a. hier findet, stellt den Beginn des Abenteuers der FAI dar.). Der Vampir von Equitalia weiss etwas darüber, der von einigen seiner Krallen verstümmelt wurde (Anm. von Attaque: Equitalia, das ehemalige Steuererhebungsbüro des italienischen Staates, wurde im Dezember 2011, einer Zeit der Krise und der kapitalistischen Umstrukturierung, getroffen. Der Geschäftsführer wurde durch eine Paketbombe, die von den Gefährten der FAI unterzeichnet war, leicht verletzt. Weitere nicht-signierte Angriffe folgen.). Der Hexenmeister des Atoms von Ansaldo Nucleare muss die Fackel der Anarchie in seinem Bein kräftg gespührt haben (Anm. von Attaque: R. Adinolfi, der Chef von Ansaldo Nucleare, wurde durch einen Knieschuss am 07. Mai 2012 der Zelle Olga der FAI/FRI verletzt. Die Gefährten Alfredo Cospito und Nicola Gai befinden sich wegen dieser Aktion im Gefängnis. Eine Broschüre zu der Tat findet ihr hier.). Heute ist es an uns, die Fackel der Anarchie in die Hände zu nehmen. Morgen wird es an anderen liegen. Solange sie nicht erlischt!

Diejenigen, die zuschauen wollen, werden weiterhin zuschauen. Diejenigen, die nicht handeln wollen und dies politisch rechtfertigen, werden weiterhin nicht handeln. Wir warten auf keinen Zug der Hoffnung, wir warten nicht auf reife Zeiten. Die Bedingungen verändern sich mittels der Konfrontation. Die Bewegung ist, wenn sie handelt, andernfalls steht sie still. Die Emanzipation des Individuums von der Autorität und der Ausbeutung wird von denen gemacht, die direkt betroffen sind.

Die, die angreifen, stacheln die an, die einen Drang verspüren. Das bedeutet Propaganda der Tat.

Gegen die Bullen, die Politiker und ihre Lakaien. Gegen die Ingenieure der Wissenschaft und der Industrie. Gegen alle Bosse, aber auch gegen alle Diener. Gegen die Ränge der ehrlichen Bürger der Knast-Gesellschaft.

Wir sind nicht interessiert, Zeit und Energie bei der Kritik an den Reformisten zu verlieren… Auch wenn wir uns nicht als elitäre Minderheit betrachten, haben wir als Anarchisten unsere Aktionen und Ansprüche. Unsere Propaganda. Jedes Individuum und jede Affinitätsgruppe entwickelt und erweitert ihre Erfahrungen in geschwisterlichen Beziehungen. Ohne Spezialisierung und ohne eine Methode aufdrängen zu wollen. Wir haben diese gewählt. Auf dass alle ihren Weg in der Aktion finden.

Die strukturierte, hierarchische Organisation setzt uns, neben dem sie die Freiheit der Individuen zermalmt, noch stärker der Reaktion der Repression aus. Die informelle, anarchistische Organisation ist das Instrument, das wir für diese spezifische Aktion als das geeignetste gefunden haben, da sie es uns erlaubt, zusammen unsere unbeugsame Individualität zu bewahren, mittels der Stellungnahme mit anderen Rebellen in Dialog zu treten und schliesslich die Prodaganda, die durch das Echo der Explosion vermittelt wurde, auszuführen.

Dies ist nicht, und will auch nicht ein absolutes und definitives Instrument sein.

Eine Aktionsgruppe entsteht und entwickelt sich aufgrund der Kenntnis, des Vertauens. Doch auch andere Gruppen und Individuen können, auch wenn nur temporär, eine Projektualität, eine Debatte teilen, ohne sich persönlich zu kennen. Sie kommunizieren direkt durch die Aktion.

Die direkte, destruktive Aktion ist die elementare Antwort angesichts der Represssion. Aber nicht die einzige. Die anarchistische Praxis ist auch eine Wiederbelebung, ein Vorschlag, der über die Solidarität hinausgeht, der mit der Spirale Repression-Aktion-Repression bricht. Die Aktionen der Solidarität sind wichtig, doch können wir uns nicht in der Kritik, auch der bewaffneten, irgendeiner repressiven Aktion oder irgendeines Prozesses einschliessen.

Die eingesperrten Gefährt_innen sind Teil des Kampfes, sie sind an unserer Seite und geben uns Kraft. Es ist aber notwendig, zu handeln und sich zu organisieren. Der Fortschritt der technologischen Entwicklung, die Politik der Kontrolle und der Repression lassen nicht viel Raum, um zu beurteilen, was zu tun ist. Das Leben und die Repression in den Metropolen wird umstrukturiert. Sich zu bewegen, zu handeln, kann immer komplizierter werden.

Im Gegensatz zu den ‚Krawallen‘, die oftmals im Vornherein von einer gewissen ‚antagonistischen Bewegung‘ angekündigt werden, stellt die Unberechenbarkeit die beste Waffe gegen die Kontrollgesellschaft dar. Dort zuschlagen, wo sie dich nicht erwarten. Heute greifen wir im Herzen der militarisierten Hauptstadt an, um das Sicherheitsdelirium herauszufordern. Morgen, wer weiss, vielleicht in der Peripherie, wo es sich niemand vorstellen kann. Ohne eine Waffenruhe zu gewähren, aber indem wir selbst die Momente aussuchen. Seit jeher ist dies das Prinzip der metropolitanen Guerilla. Mit dem Unterschied, dass die Verschwörung der informellen Zellen keine Hierarchien oder eine strategische Führung kennt. Und dadurch ist sie noch weniger vorhersehbar.

Der italienische Staat ist an der fordersten Front der repressiven und militärischen Politik. Aufgrund der geografischen Stellung findet er sich oft darin wieder, die dreckige Arbeit der Verteidigung der Festung Europa auszuführen.

Die jüngsten Abkommen zwischen dem Minister Minniti und den blutrünstigen, libyschen Obersten sind nur die letzten Beweise dafür. Mit dem Erreichen einer genügenden Anzahl an Sklaven, können diese nun auch „bei ihnen zu Hause ausgebeutet“ werden, was, neben dem es populär ist, auch ein gutes Geschäft darstellt.

In der letzten Nacht haben wir den Krieg zum Minister Minniti gebracht. Die Direktverantwortlichen in Uniform, sie, die stillschweigend gehorchen und in aller Stille morden, haben einen Vorgeschmack von dem erhalten, was sie verdienen.

Mit dieser Aktion lancieren wir eine internationale Kampagne des Angriffs gegen die Menschen, Strukturen und Mittel der Repression. Jede und jeder mit den Instrumenten, die er/sie als die geeignetsten hält und, wenn er/sie dies wünscht, mit der Beteiligung an der Debatte.

Informelle Anarchistische Föderation – Internationale Revolutionäre Front
Santiago Maldonado Zelle

Wir widmen diese Aktion dem argentinischen Anarchisten, der von den Auftragskillern von Benetton entführt und ermordet wurde. Möge der Tag kommen, an dem die Unerdrücker endlich vom Angesicht der Erde verschwinden werden.

12. Ausgabe der „Avalanche – Anarchistische Korrespondenz“ erschienen

gefunden auf avalanche

Avalanche-DE-12 (PDF)

Ausgabe Nr. 12 der Avalanche ist da! Zum Lesen, Drucken und Verbreiten kann das PDF im Anhabg oder auf avalanche.noblogs.org gefunden werden (auf deutsch, englisch und französich).

Inhalt:

  • Portugal: Erlebnispark und Freiluftlabor – die Zukunft zweier Städte
  • Italien – Gegen TAP, alles blockieren!
  • USA – Ein Jahr voller Lärm
  • Argentinien – Für den anarchistischen Gefährten Santiago Maldonado
  • Chile – Den Feind im Visier
  • Spanien – Der Unsinn der Privatasphäre und die Notwendigkeit zu Handeln

Die nächste Ausgabe wird im Februar 2018 veröffentlicht.

Bis zum 1. Februar 2018 können Texte an correspondance@riseup.net eingeschickt werden.

Für Bestellung der deutschen Ausgaben, schreibt an: avalanche-de@riseup.net

Editorial:

Um unsere Projekte zu entwickeln, um eine internationale Korrespondenz zu schaffen, brauchen wir unter anderem Beharrlichkeit. Etwas, das oft untergeht oder dem selten Beachtung geschenkt wird. Einem Schmetterling gleich, ist für viele heute dieses interessant und morgen jenes und übermorgen ist es schon wieder etwas Neues und was davor interessant war, ist wieder vergessen. Diese Haltung hat nichts damit zu tun, was die Marxisten so oft als die revolutionäre Ungeduld der Anarchisten verleumdet haben. Nämlich dem Beharren, dass der Angriff auf die bestehende Ordnung möglich und notwendig ist, so schlecht die „objektiven“ Bedingungen auch sein mögen.

Sondern es hat damit zu tun, ob man eine Projektualität entwickelt oder ob man Opfer der Umständen ist, von denen man, wie ein aufgeschrecktes Huhn, mal in die eine und mal in die andere Richtung getrieben wird. Machen wir uns keine Illusionen. Die Schlinge um unsere Hälse zieht sich enger und enger oder, wem diese Metapher besser gefällt, wir werden, gemeinsam mit ganz vielen anderen Menschen, immer weiter an die Ränder gedrückt. Werden wir auf unseren Ideen beharren? Und in der Konsequenz Mittel und Wege suchen, um die digitale Restrukturierung des Kapitalismus, die momentan unermüdlich in Universitäten, Parlamenten, Forschungslaboren,… vorangetrieben wird, anzugreifen, mit dem Ziel sie zu zerstören? Oder vielleicht doch kritischen Gefallen finden, an der tollen, ökologischen Möglichkeiten der Smart City und der Industrie 4.0 und uns arrangieren? Eine ähnliche Frage lässt sich im Bezug auf das Erstarken der Neofaschisten formulieren: Werden wir darauf beharren, dass der Faschismus lediglich eine Modalität zur Führung des Staates und Verwaltung des Kapitals ist und in der Konsequenz nicht nur auf den Faschismus abzielen, sondern auch darin fortfahren die Demokratie und die Politik an sich anzugreifen, mit dem Ziel sie zu zerstören? Oder begnügen wir uns auf einmal damit die „beste aller möglichen Welten“ oder „das geringere
Übel“ gemeinsam mit Kirchen, Gewerkschaften und Liberalen zu verteidigen?

Vielleicht hänge ich mich bei diesen Fragen zu sehr an der Beharrlichkeit auf, das mag sein, sicherlich muss eine aufständische Projektualität auch in der Lage sein, zu erkennen, wann etwas aufgegeben werden muss oder sich etwas nicht mehr lohnt, weiter verfolgt zu werden. Es mag an den sich verschärfenden Bedingungen liegen, aber in letzter Zeit erlebe ich immer mehr Dammbrüche.
Vormalige Gefährten, die mit Stolz erzählen, dass sie wählen gewesen sind und so weiter. Auf einmal werden die eigenen Verstricktheiten, die eigenen Widersprüche, die Male, in denen man den eigenen Ansprüchen an die eigene Kohärenz nicht gerecht wird, zu allgemeinen Ausreden. Natürlich müssen die eigenen Widersprüche reflektiert werden, aber es muss auch festgehalten werden, dass die Subversion der bestehenden Ordnung kein leichtes Unterfangen ist, welches sich von heute auf morgen realisieren lässt.

Aus diesem Grund richten wir uns weiterhin an alle Anarchistinnen und Anarchisten, die ein Interesse daran haben, ihre Projektualitäten, Analysen, Reflexionen, Erfahrungen und Kampfvorschläge zu teilen und die sich in einem autonomen und offensiven Anarchismus wiedererkennen, der versucht eine informelle Internationale aufleben zu lassen, ohne Zentrum und ohne Hegemonie. Weil wir weiterhin darauf beharren, dass ein internationaler Austausch notwendig ist, um zu versuchen, die eigene Beschränktheit zu überwinden und eigenen Qualitäten zu potenzieren. Ausgehend von lokalen Kämpfen, die versuchen Brüche mit der herrschenden Ordnung zu provozieren; von Interventionsvorschlägen, wie eine aufständische anarchistische Präsenz in einem sozialen Aufruhr aussehen kann oder individuellen Pfaden der verstreuten Attacke, ist die Avalanche ein kollektiver Versuch, unsere Perspektiven und Praktiken zu schärfen, indem wir sie miteinander konfrontieren.

Ein Staatsfeind, der sich die meiste Zeit im Territorium aufhält, das vom österreichischen Staat kontrolliert wird.

Eine weitere Person in den Kerkern des Staates gestorben

übersetzt von renversé

Am 24. Oktober stirbt ein 23-jähriger Mann in der Haftanstalt „la Blécherette“ in Lausanne. Die Umstände sind noch nicht geklärt, doch schliessen die Medien Dritteinwirkung bereits aus. Die Polizei eröffnet eine Untersuchung, mehr aus Pflicht als um die Umstände zu klären. Nach drei Tagen weiss die Polizei, dass die verhaftete Person in der Tat eine andere war, als sie dachte. Man sieht also, die Untersuchung kommt gut voran… Für die Anhänger_innen der Herrschaft ist auf jeden Fall bereits alles gesagt. Die Polizei macht ihre Arbeit, die Gefängnisse funktionieren und das solide Fundament des Strafvollzugssystems sollte nicht durcheinandergebracht werden. Die Gründe für diesen x-ten Tod im Knast interessieren uns nicht. Ein Tag im Knast ist bereits einer zuviel und man sollte diese als das betrachten, was sie sind: Ein Ort, an dem man widerspenstige Individuen bricht, isoliert, tötet.

Dieses Jahr sind dutzende Personen in den Gefängnissen gestorben. Sehr oft durch Selbstverstümmelung, was das Mass der Hoffnungslosigkeit der Gefangenen zeigt.

– Im November letzten Jahres nimmt sich eine 61-jährige Frau im Regionalgefängnis von Thun das Leben.
– Am 7. Dezember ist es ein 21-jähriger Mann im Regionalgefängnis von Bern: Suizid.
– Im Februar sterben im Gefängnis von Muttenz in der Nähe von Basel zwei Personen. Beide durch Suizid.
– Im Juni ist es ein 29-jähriger Mann im Gefängnis von Champ-Dollon in Genf. Suizid.
– Im Juli erhängt sich im Gefängnis La Croisée bei Orbe ein Mann.
– Im September weigert sich ein Gefangener im Gefängnis Bochuz, nach dem Spaziergang in seine Zelle zurückzukehren, steigt auf das Dach und droht, sich selbst umzubringen. Nachdem er von den Beamten gepackt und in die Isolationszelle gesteckt wird, verwüstet er diese noch am selben Tag.
– Am 25. Oktober wird ein 61-jähriger Mann tot im Untersuchungsgefängnis Ferrara im Tessin aufgefunden.

Dieste Liste tut weh und sie ist sicherlich nicht vollständig. Sie zeigt aber eine brutale Kontinuität auf und dass der jüngste Tod in Lausanne nicht isoliert ist. Das ist nicht normal, nein. Ob es sich um einen Suizid, eine Herzkrankheit oder um was auch immer handelt, das ist keine Banalität.

Die Revolten existieren auch in den schweizer Gefängnissen und man erinnert sich noch an die schönen Meutereien im Champ-Dollon zwischen 2011 und 2014. Doch sind die Momente der Aufsässigkeit innerhalb der Knäste im generellen nicht so spektakulär und die Medien bemühen sich nicht, die Informationen zu teilen. Es kann sich dabei um die Weigerung handeln, nicht in seine Zelle zurückzukehren, um gegen die Haftbedingungen zu protestieren, um Briefe an den Direktor, um die Verwüstung seiner Zelle, um Kidnapping eines_r Wärter_in oder um einen Aufruhr. Es ist jedes Mal ein Schrei der Wut, der Hoffnung und des Leids.

Wir erinnern uns auch noch, was aus der „Affäre Skander Vogt“(1) wurde, die die Mauern der Gefängnisse kaum erschüttert hatte. Die Aasgeier der linken Politik waren gerührt, die Presse war ab der Situation in den Knästen beunruhigt, die Justiz und die Polizei versicherten, dass neue Gefängnisse gebaut werden, moderne dieses mal… selbstverständlich. Für die Mächtigen war das Problem also gelöst. Und die Liste der Toten und der Revolten in den Knästen wird immer länger.

Die Gefängnisse bleiben immer Orte, an denen die Unerwünschten in düsteren Betonzellen abgestellt werden, dem Licht und der Luft beraubt, getrennt von ihren Freund_innen und ihrer Familie. Ein Ort, an dem man ungestraft verprügeln kann, an dem Druck auf ohnehin schon geschwächte Menschen ausgeübt wird, an dem man in vollster Ruhe demütigen kann.

Mit dem modernen Vokabular lässt sich dieser Ort so gut schönreden, ökologisch nachhaltig, Resozialisierung, ultra high-tech Sicherheitsblablabla… Sie werden weiterhin zerstören und töten. Diese Änderungen stehen mehr in der Logik der Semantik als dass sie die Lebensbedingungen im Innern verbessern würden. Sie dienen dazu, sich ein gutes Gewissen einzureden, die empörten Bürger_innen zu beruhigen, die im Knast nur ein Problem der Überbevölkerung sehen. Und natürlich zieht der Bau von neuen Knästen die Geier an, die ihr Geld auf dem Rücken der Misere machen (Baufirmen, Zeitarbeitsfirmen, Banken und Architekten).
Ahhh die Macht der Worte, stets geschickt eingesetzt von den Anhänger_innen der Herrschaft. Ein Gefängnis für Menschen, die nicht über die richtigen Papiere verfügen, nennt sich „Empfangszentrum für Flüchtlinge“ und ein Krieg wird zu einer „humanitären Intervention“.

In der gleichen Manier gaukelt man uns heute die Illusionen über die Strafanstalten vor, indem ihre „Humanität“ hervorgehoben wird. Doch menschliches Einsperren gibt es nicht. Das Ziel davon ist, die Individuen moralisch wie physisch zu brechen, den Armen, den potentiellen Rebell_innen und allen Unerwünschten eine Welt aufzuzwingen, die auf der Herrschaft und dem Geld basiert. Das Gefängnis folgt der Kontinuität anderer Institutionen der Unterwerfung; das Patriarchat, die Schule, die Religion, die Justiz…

Draussen
Ausserhalb des Gefängnisses ist die Kontrolle allgegenwärtig, auch wenn sie versteckter und weniger erdrückend ist. Die Bullen führen das Gesetz aus, Kontrolle von Armen, Knüppel und Prügel. Die Justiz führt aus, verurteilt… in Abhängigkeit zur Person, die beschuldigt ist. Man verlangt von allen, sein_ihre eigener_eigene Unternehmer_in zu sein, sich an der Verwaltung der Misere zu beteiligen, hart zu arbeiten, um einige Krümel abzusahnen. Das Überleben wird immer schwieriger und gleichzeitig richten sich die Reichen ganz gemütlich in den neuen Luxusquartieren ein. Das Leben gleicht einem Gefängnis unter offenem Himmel. Die Bahnhöfe und die Metrostationen mit ihren intelligenten Überwachungssystemen gleichen immer mehr den Checkpoints. Architektur und Urbanismus sind die Mittel, um das Territorium zu kontrollieren und die Reichen zu beschützen. Ghettos für Arme, Ghettos für Reiche. Es ist ein Totentanz durch die Metropole.

Man will aus uns gehorsame, konforme Wesen machen. Man will uns den Regeln unterwerfen und wenn man sich weigert, werden wir ins Gefängnis gesteckt, wo man lange Jahre dahinvegetiert und eine permanente Kontrolle über unser Leben ausgeübt wird.

Zum Glück gibt es heute noch Menschen, die nicht resignieren und diejenigen angreifen, die ausbeuten und unterwerfen. Durch verstreute und diffuse Revolten in Basel und Zürich in den letzten Jahren wurde das Spiel der Normalität durchbrochen.

In Basel soll ein neues Gefängnis gebaut werden. Und die Aasgeier, die mit Freude an die Arbeit gehen, um die „Unerwünschten“ einzusperren, kommen nicht ungeschadet davon. Mehrere Fahrzeuge der Implenia, Bauherrin und eine der „Leaders“ im Bausektor der Schweiz gingen in Flammen auf. Wilde Demonstrationen zogen durch die Stadt oder vor die Knäste, um Feuerwerk zu zünden und Solidarität zu zeigen.

Es ist immer möglich, die Herrschaft anzugreifen. Diese Angriffe werden das Projekt nicht aufhalten, doch ist dies kein Grund sich damit abzufinden. Denn immerhin erwärmen sie die Herzen derjenigen, die da draussen sind und offene Rechnungen mit der Macht und der Herrschaft zu begleichen haben und zeigen den Eingesperrten eine praktische Solidarität. Diese Angriffe zeigen, dass sie nicht alleine sind und dass ein Kampf gegen die Hölle des Gefängnisses möglich ist. In der Schweiz ist es im Gegensatz zu dem, was wir manchmal hören, nicht schwieriger als anderswo. Gehen wir ebenfalls mit ganzem Herzen und Freude an die Sache. Lassen wir die Polizei, die Knäste, die Justiz ihre dreckige Arbeit nicht in Ruhe erledigen.

Es ist möglich, Verbindungen zwischen drinnen und draussen herzustellen, die Revolten im Innern aufzugreifen, zu unterstützen, rund um die Lebensbedingungen im Knast und für die Zerstörung derer zu agitieren. Die Mauern, die die Herrschaft zwischen uns errichtet, sind nicht unerschüttlich. Seien wir kreativ. Vom Verteilen von Flugblättern an die Familien und Freund_innen der Inhaftierten vor den Knästen, dem Briefeschreiben an die Gefangenen, ein bisschen Gras oder ein Telefon über die Mauer werfen, die schönen, glühenden Ausflüge in der Nacht, Dynamit. Solange sie die Liebe zur Freiheit für alle in sich tragen, sind alle Mittel gut.

Schaffen wir uns die Möglichkeiten unseres kollektiven Ausbruchs.

Feuer den Knästen.
Freiheit für alle.


(1) 2010 erstickt Skander Vogt in der Hochsicherheitsanstalt von Bochuz bei Orbe, nachdem er die Matratze in seinem Zimmer in Brand gesetzt hat. Nach 12 Jahren hinter Gittern, davon 5 in Isolation, zwischen den Gefängnissen hin und her geschoben, fügte sich der Gefangene noch nicht seiner Situation. Er beschimpfte und attackierte die Wärter weiterhin regelmässig, um gegen die Einsperrung zu protestieren. Für ein paar Monate im Knast gelandet, verlängert sich sein Aufenthalt ein ums andere Mal wegen den Ausbrüchen des Ungehorsams. Er verweigerte sich der Erpressung der Wiedereingliederung, die die aktive Teilnahme der Gefangenen an der Gefangenschaft vorsieht, indem man zum Beispiel für ein paar Groschen jeden Tag arbeitet. Als Zeichen seines Protestes gegen die Inhaftierung steigt er im Juli 2008 aufs Dach. Nach mehr als 30 Stunden wird er von der Spezialeinheit der Gendarmerie (DARD) runtergeholt. In der Nacht vom 10 März 2010 setzt er seine Zelle in Brand. Die Wärter lassen ihn während zwei Stunden alleine im Rauch, bevor sie ihn rausholen, tot. 8 Wärter werden freigesprochen, ein Wärter wird zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt.