Archiv für den Monat: Juni 2019

Luzern: Aktion gegen Ausschaffung

gefunden auf barrikade

Ausschaffungen machen traurig und wütend. Ausschaffungen passieren hier und jetzt. Letzten Sonntag zum Beispiel in Luzern, wo sich eine Gruppe von solidarischen Menschen wütend in den Weg stellte.

Sonntag Nachmittag, 9. Juni, wurde in Luzern ein Vater von drei Kindern ausgeschafft, nachdem der frisch gewählte Regierungsrat Paul Winiker beschlossen hat, nicht auf das Urteil am Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg zu warten, welches die Familie geschützt und ihr zusammenbleiben befürwortet hätte.

Ausschaffung ist Trauma,
Ausschaffung reisst Familien auseinander.
Zerstört Menschen. Ist Mord.

Um sich klar gegen die sich dauernd verschärfende, abgrundtief unmenschliche Asylpolitik zu positionieren, stellte sich eine Gruppe dem Gefangenentransporter, welcher den Mann an den Flughafen fahren sollte, in den Weg. Menschen stemmten sich mit voller Kraft gegen das Fahrzeug, klopften gegen die Scheiben, spannten Transparente mit solidarischen Nachrichten und liessen alle Nachbar*innen laut schreiend wissen, was hier vor sich ging.

Als das Auto nach einiger Zeit während wachsender Polizeipräsenz fahren gelassen wurde, begab sich die Gruppe spontan auf einen Spaziergang im Quartier. Die Polizei liess nicht lange gewähren und kesselte die friedlich Spazierenden mit einem Grossaufgebot, bedrohte sie mit Gummischrot obwohl auch Kinder dabei waren. Alle Anwesenden wurden zur Personenkontrolle gezwungen, eine anwesende Person wurde völlig willkürlich und unsanft verhaftet.

Was bleibt, ist die Wut darüber, dass Menschen glauben über andere entscheiden zu können. Und das bestärkende Gefühl mit unserer Wut nicht alleine zu sein.
Was auch bleibt, ist die Erfahrung, dass die Polizei nicht alles kontrollieren kann hat und somit angreifbar ist.

Ausschaffungen sind unmenschlich. Ausschaffungen machen traurig und wütend. Ausschaffungen passieren hier und jetzt. Wir wünschen dem Ausgeschafften Menschen, der Familie und allen sich in den Klauen des Staates befindeden Menschen viel Kraft.

Italien: Hungerstreik und Solidarität

Seit dem 29. Mai befinden sich die Anarchistinnen Silvia und Anna in einem Hungerstreik. Silvia wurde während der Operation Scintilla am 7.Februar verhaftet. Anna ist seit dem 06. September 2016 inhaftiert und wurde im Scripta Manent Prozess erstinstanzlich zu 17 Jahren Haft verurteilt. Beide sitzen in der Abteilung AS2 im Gefängnis L’Aquila. Mit ihrem Hungerstreik fordern sie “ihre Verlegung aus diesem Gefängnis und die Schliessung dieser abschuelichen Abteilung.” Seiher haben sich auch Ghespe (inzwischen unterbrochen), Giovanni, Marco, Stecco, Alfredo und Leo in Solidarität dem Hungerstreik angeschlossen und es kam zu verschiedenen Kundgebungen, Besetzungen und Aktionen.


Italien, Trient: Straßensperre in Solidarität mit Silvia und Anna im Hungerstreik

gefunden und überarbeitet von panopticon

Am Mittwoch, den 29. Mai, blockierte eine Gruppe von Gefährt*innen eine der Straßen im Zentrum von Trient mit einem Stahlseil und Stacheldraht, in Solidarität mit Silvia und Anna, die an diesem Tag den Hungerstreik begannen hatten. Es wurden Flyer herumgeworfen, Redebeiträge über ein Megaphon gehalten und Sprüche an einer Vodafone Verkaufsstelle und einer Filiale der Deutschen Bank hinterlassen. Ein Banner wurde vor Ort mit den folgenden Spruch: „Von Libyen in die Gefängnisse: Nein zur Gesellschaft der Lager“ aufgehangen.

Hier der Text auf den Flyern.

DER FORTSCHRITT DES LEIDENS

„Wie gewinnt ein Mann Macht über einen anderen Mann, Winston?“
Winston dachte darüber nach. „Ihn leiden zu lassen“, sagte er schließlich.
„Genau….Macht besteht gerade darin, Leiden und Demütigung zuzufügen…. Der Fortschritt in unserer Welt bedeutet Fortschritt hin zu mehr Leiden.
George Orwell, 1984

In Italien foltert der Staat. Wir sprechen nicht nur über die Brutalität der Polizei in den verschiedenen Kasernen und Gefängnissen. Es steckt mehr dahinter.

In diesem Land gibt es ein besonderes Haftregime namens 41bis. Es ist in erster Linie für diejenigen vorgesehen, die wegen Mafia-Verbrechen und „Terrorismus“ angeklagt sind. Die 41bis heisst fast vollständige Isolation, bei der man in einer Zelle 22 Stunden am Tag eingesperrt ist, man darf niemand sehen, oder höchstens eine bis zwei Personen während des Hofgangs, Zensur, Begrenzung der Post, Bücher und Zeitungen, man darf seine geliebten Menschen nur eine Trennscheibe sehen. Eine Art der „weißen“ und legalisierten Folter.

Diese niederträchtige Haftbedingung wird als ein Mittel gerechtfertigt, um die Verbindungen zwischen den Gefangenen und der Organisation, der sie angehören zu brechen. Das stimmt nicht. Von Überwachungskameras, über Richtmikrophone, bis hin zu einem dichten Überwachungsnetz, der Staat verfügt heute über alle Mittel um unser aller Leben zu kontrollieren, sogar „außerhalb“; stellt euch also nur mal die Knäste vor… Die Sonderknäste haben eine komplett andere Absicht: die Individualität der Gefangene zu brechen und diese zur Kollaboration zu bringen. Folter, um genauer zu sein. Die vielen Gefangenen, die sich weigern zu reden und somit jemand anderen an ihre Stelle treten zu lassen, tun dies zu einem sehr hohen Preis.

Seit mindestens 20 Jahre versucht der Staat immer mehr, die Folter der Sonderknäste auszuweiten. Dieser Logik entspricht die jüngste Zuordnung verschiedener gefangener Anarchisten und Anarchistinnen in die Hochsicherheitstrakte in den Gefängnissen 41bis, wie L’Aquila, Opera und Tolmezzo. Die Nähe zu Strukturen und Wärtern, die für das Sondergefängnis „gerüstet“ sind, führt dazu, dass sich die Einschränkungen der 41bis auch auf andere Abteilungen ausbreiten.

Dies ist unter anderem der Fall bei Silvia und Anna, zwei Anarchistinnen, die seit April in der neuen AS-Abteilung von L’Aquila festgehalten werden und die Erfahrung des „neuen Programms“ machen: immer geschlossene Panzertüren, Bett mit dem Boden verschweißt, maximal 4 Bücher und 7 Kleidungsstücke in der Zelle, Kontrollen mit dem Metalldetektor bei jedem Aus- oder Eintritt zur Zelle, bei der Hin- und Rückkehr zu den Gemeinschaftsräumen, der Dusche, dem Hofgang, monatelang blockierte Post, Disziplinarberichte für jeden Schrott (das Licht alleine ausmachen, einen Kuli zum Hofgang mitnehmen…).

Die Gefährtinnen befinden sich deswegen seit dem 29. Mai in einem Hungerstreik: um verlegt zu werden und dafür, dass diese AS2-Abteilung für immer geschlossen wird.

Es sind dunkle Zeiten. Zwischen den Toten im Meer und den Lagern für Migrant*innen, zwischen einer Lizenz zum Töten für die Polizei und Sicherheitsverordnungen, die eine jahrelange Haftstrafe für diejenigen versprechen, die einen Helm zu einer Demonstration mitnehmen, eine Rauchbombe werfen oder eine Straße blockieren, das Versprechen der Folter der Isolation richtet sich an immer mehr Menschen: ein „Gefängnis im Gefängnis“, das durch Prozesse via Videokonferenz vervollständigt wird (ermöglicht durch die Kollaboration von TIM-Telekom).

Der harte Umgang mit den Rebell*innen geht Hand in Hand mit den Verfolgungen der Ärmsten, die von der Polizei auf den Straßen gejagt werden und oftmals hinter dem Stacheldraht der von „unseren“ Regierungen finanzierten libyschen Lagern landen. Was werden wir diesem Fortschritt des Leidens entgegensetzen können?

LASST UNS DIE ISOLATION DURCHBRECHEN!
SOLIDARITÄT MIT ANNA UND SILVIA IM HUNGERSTREIK!
Anarchisten und Anarchistinnen


Foligno, Italien: Autos der Poste Italiane in Solidarität mit Anna und Silvia beschädigt.

übersetzt von round robin

Foligno 5-6-2019
Bei 5 Autos der Poste Italiane die Pneus aufgestochen und Staub in die Tanks geleert. In Solidarität mit Anna und Silvia.
Während die Stadt für den Besuch von Salvini militarisiert wurde, schlug jemand woanders zu.

Italien: Udpates zu Juan und Manu – verhaftet am 22. Mai in Brescia

übersetzt und zusammengefasst von attaque und panopticon

Der Anarchist Juan tauchte 2017 unter, nachdem ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt wurde. Er wurde wegen falschen Identitätsangaben anlässlich einer Kontrolle in Val Clarea (Val di Susa) zu einem Jahr Haft verurteilt. Da er noch weitere Prozesse offen hat (Gefangenenbefreiung 2007, der NO TAV Prozess für die Ausschreitungen vom 3. Juli 2011) und von einigen zusätzlichen Jahren Haft ausging, entschied er sich, unterzutauchen und veröffentlichte ein Communiqué aus der Freiheit.

Der Gefährte Juan wurde am 22. Mai in Brescia, zusammen mit Manu, der der Beihilfe beschuldigt wird, verhaftet. Juan wird zusätzlich wegen Vereinigung mit dem Ziel des Terrorismus und/oder der Umsturz der demokratischen Ordnung (§270bis des Strafgesetzes), einem terroristischen Akt mit tödlichen und explosiven Vorrichtungen (§280bis) und Massaker (§285) für den Angriff gegen das Parteibüro von „Lega Nord“ in Treviso im August von 2018, sowie dem Besitz gefälschter Dokumente (§497bis) und dem Tragen von Waffen (aufgrund eines kleinen Messers, §4 des Gesetztes 110/75) beschuldigt. Er sitzt im Gefängnis von Terni.

Manu wurde ins Gefängnis von Monza verlegt.

Die Adressen:

Manuel Oxoli
Casa Circondariale di Monza
Via San Quirico, 6
20900 – Monza (Italie)

Juan Antonio Sorroche Fernandez
Casa Circondariale di Terni
Strada delle Campore, 32
05100 – Terni (Italie)

Velika Kladusa, Bosnien: 20 Migrant*innen nach Riots verhaftet

übersetzt von reuters.com

Die bosnische Polizei verhaftete am Mittwoch (05.06.19) 20 Migrant*innen, nachdem es in einem Auffanglager in Velika Kladusa zu Ausschreitungen kam.

Als die Polizei eintraf, um den Aufruhr, an dem mindestens 100 Migrant*innen beteiligt waren, niederzuschlagen, wurden sie mit Steinen, Metallstangen und Flaschen beworfen. Drei Beamte wurden dabei verletzt.

Rund ein dutzend Migrant*innen aus dem Lager, das für 700 Menschen ausgerichtet ist, wurden ebenfalls verletzt und mussten in ein Spital gebracht werden.

Der Polizeisprecher Ale Siljedic sagte, dass die Stimmung sehr angespannt war, seitdem am letzten Wochenende ein Feuer ausbrach und die oberste Etage des Lagers verwüstete. Viele Migrant*innen mussten daraufhin draussen schlafen.

(…)

Champigny-sur-Marne, Frankreich: La Poste verpfeifft Sans-Papiers… Schlagen wir zurück!

übersetzt von attaque

Bereits seit Jahren arbeitet La Poste mit dem Staat zusammen, indem sie Menschen mit den falschen Papieren bei den Bullen denunziert. Kürzlich wurde eine Person in einer Filiale in Champigny-sur-Marne (Banlieue von Paris) verpfiffen. Am Samstag sind wir zu dieser Filiale gegangen, um La Poste aber auch alle anderen Unternehmen, die die Abschiebemaschine am Laufen halten, anzuprangern!

Um auf die Praktiken von La Poste zu reagieren und diese sichtbar zu machen, sind mehrere Menschen am Samstagmorgen, 01. Juni, nach Champigny gegangen. Wir haben Plakate auf zwei Filialen der Poste geklebt, ein Transparent vor einer Filiale aufgehangen und den untenstehenden Text verteilt. Die Leute waren grundsätzlich sehr empfänglich; viele waren geschockt und wollten mehr wissen, was da genau passiert ist und was man dagegen tun kann. Eine Person hat nach dem Lesen des Flugblatts einen Mitarbeiter am Schalter mit der Geschichte konfrontiert. Verunsichert zog dieser ab, um den Direktor aufzusuchen. Dieser machte seine Position klar und meinte, dass der Angestellte von La Poste, welcher die Bullen gerufen hatte, nach dem Gesetz gehandelt habe. Da fragt man sich, von welchem widerlichen Gesetz er da spricht. Doch in erster Linie ist es uns egal, ob es ein solches Gesetz gibt oder nicht, mit dem man seine Kollaboration mit der Abschiebemaschine und die Denunziation von Menschen bei den Bullen rechtfertigt

Das Flugblatt:

“Für Sans-Papiers besteht die Qual bei La Poste nicht nur darin, ein Konto zu eröffnen, sondern auch darin, nicht bei den Behörden verpfiffen zu werden. Genau das ist kürzlich bei La Poste in Champigny passiert; während eine Person ohne geregelten Aufenthaltsstatus kurz weg war, um Geld abzuheben, entschied sich ein pflichtbewusster Angestellter, den Bullen anzurufen und die Person zu denunzieren. Als die Person dann zurückkam, wurde sie bereits von der Polizei erwartet, verhaftet und ins CRA gebracht (centre de rétention administrative = Gefängnis für Ausländer*innen).

Am Schalter von La Poste, wie auch bei zahlreichen anderen Einrichtungen, sind Sans-Papiers mit “wachsamen Bürger*innen” konfrontiert, die, teilweise aufgrund von Anweisungen ihrer Vorgesetzen, teilweise aufgrund von Rassismus, nicht zögern, sie bei den Bullen zu verpetzen. Es ist Teil eines viel grösseren Systems der Kollaboration mit der Abschiebemaschine von Seiten unterschiedlichster Unternehmen. Eine ganze Reihe von schwer zu umgehenden Srukturen des alltäglichen Lebens (Banken, öffentlicher Verkehr, etc.) kollaborieren mit dieser Maschine.

Wenn eine Person ohne Papiere denunziert wird, wird sie in einem CRA bis zu 90 Tagen eingesperrt, bevor sie mit einem Flugzeug abgeschoben wird. CRAs sind Orte der täglichen Gewalt und der Erniedrigung, in denen jedes Jahr mehr als 40 000 Menschen eingesperrt werden. Nicht über die richtigen Papiere zu verfügen, reicht für den Staat (der diese als einziger ausgeben kann), um einzusperren und abzuschieben.

Nieder mit dem Staat, seinen Kollaborateuren wie La Poste und seinen Grenzen!”

Zürich: Drei Häftlinge türmen aus Flughafengefängnis

gefunden auf tagesaneziger

Zürcher Polizei fahndet weiter nach drei Ausbrechern

Drei Ausschaffungshäftlinge sind am Samstag (08.06.19) aus dem Flughafengefängnis Kloten entkommen. Es war offenbar eine geplante Aktion.

Drei Häftlingen ist am Samstagmorgen der Ausbruch aus dem Zürcher Flughafengefängnis gelungen. Sie überwanden die Mauer und flüchteten über den Spazierhof. Bisher konnten sie nicht wieder gefasst werden, wie ein Sprecher der Kantonspolizei am Sonntagmittag auf Anfrage erklärte.

Die drei Häftlinge hatten ihre Flucht vorgängig geplant. Das sagte Rebecca de Silva, Sprecherin des für das Gefängnis zuständigen Amt für Justizvollzugs auf Anfrage. Zum genauen Ablauf der Flucht wollte sie sich am Sonntag nicht äussern. Im Flughafengefängnis seien die Sicherheitsstandards aber nicht so hoch wie in anderen Gefängnissen.

Die drei Männer warteten in Kloten auf ihre Ausschaffung. Sie waren wegen Verstosses gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz inhaftiert. Zwei der Ausbrecher stammen aus dem gleichen Land. Zu den Nationalitäten wollte de Silva keine Angaben machen. Man habe sich entschieden, auf die Nennung zu verzichten, weil sie nicht relevant sei.

Der Vorfall wird nun intern untersucht. Es wird überprüft, mit welchen Massnahmen die Sicherheit im Gefängnis verbessert werden kann. Auch hierzu wollte sich de Silva nicht eingehend äussern.

Bern: Solidarität mit dem Fabrikool – AGG entglast

gefunden auf barrikade

In der Nacht von 05.06.19 auf 06.06.19 haben wir dem AGG einen Besuch abgestattet und beide Eingänge entglast.

Das AGG (Amt für Grundstücke und Gebäude des Kantons Bern) ist in der Region zuständig und verantwortlich für staatliche Bauten. Sie entscheiden nicht nur, welche Gebäude des Kantons leerstehen, geräumt oder aufgewertet werden, wie die Fabrikstrasse 16 welche während zwei Jahren vom Fabrikool-Kollektiv belebt wurde. Sie sind ebenfalls zuständig für die Grundstückverwaltung und den Bau von Knästen und Lagern. Ein weiteres Projekt unter der Leitung des AGG ist ein neues Polizei- und Justizzentrum in Niederwangen bei Bern, die die Arbeit der Bullen und Staatsanwaltschaft in einem grossen Gebäude zentralisieren und effektiver gestalten soll. Während sich das AGG gegen aussen als Dienstleistung für die Bedürfnisse der Bevölkerung darstellt und sich einen sozialen Anstrich gibt, schaffen Neuhaus, Cioppi und ihre Mitarbeiter*innen die Grundbedingungen für die Kontrolle, Verurteilung und Einsperrung von Menschen.

Wir Grüssen alle bedrohten Projekte, wie die Kämpfenden der Liebig34 und ihre Nachbar*innen der Rigaer94, den Hambacher Forst und alle anderen.
Den Gefangenen in den Knästen und Lager, und den Menschen auf der Flucht, welche sich der Verfolgung des Staates enziehen, viel Kraft und Solidarität.

Freiburg, Deutschland: Feuer und Flamme(n) für die Polizei

gefunden auf barrikade

In der Nacht auf den 05. Juni 2019 wurde das Polizeipräsidium in Freiburg im Breisgau mit Molotovcocktails und Farbbomben angegriffen. Wir hoffen, dass damit ab heute weniger Polizeiautos Freiburgs Straßen unsicher machen!

Diese Aktion ist eine deutliche Antwort gegen die geplante neuerliche Verschärfung des Polizeigesetzes in Baden-Württemberg und Teil einer Reihe von Aktionen, die sich gegen die Militarisierung von Polizei und die zunehmende autoritäre Formierung der Gesellschaft richten.
Diese Aktion ist keine bloße Kritik an der Reform von Gesetzen, sondern fordert die Abschaffung von Polizei, Militär und Knast als Ganzes! Da Demos, Petitionen und Aufrufe keine Veränderung im zukünftigen Polizeigesetz bewirkt haben, sehen wir uns gezwungen Feuerzeug und Flasche auf die Ausführenden des Gewaltmonopols Staat zu werfen. Denn die Polizei ist und bleibt angreifbar. Das hat die heutige Aktion verdeutlicht und das werden zukünftige Aktionen untermauern.

Aber nochmal von Anfang an: Nicht erst 2019, sondern bereits 2017 wurde in Baden-Württemberg unter dem Vorwand ‘Schutz vor Terror’ eine Gesetzesnovelle verabschiedet, die die Polizei mit weitreichenden Befugnissen ausstattet. So dürfen Cops nun unter bestimmten Umständen Sprengstoffe wie Handgranaten einsetzen und verschlüsselte Messenger-Chats über Staatstrojaner mitlesen. Die Einstufung von Menschen als ‘Gefährder*innen’ erfolgt nach fragwürdigen Kriterien wie Kontakt zu den ‘falschen’ Leuten, oder sogenannte Intelligente Videoüberwachung in öffentlichen Räumen, die automatisch Verhalten analysiert und kategorisiert, und kann im Extremfall zu präventativen Aufenthalts- und Kontaktverboten führen. Dieses Polizeigesetz wurde 2017 von den Grünen, CDU und SPD abgesegnet mit den Worten: “Wir gehen an die Grenze des verfassungsmäßig Machbaren” (Kretschmann).

Nichtsdestotrotz steht nun eine weitere Verschärfung des Polizeigesetzes in Baden-Württemberg an, welche im Vergleich zu Bayern bislang noch sehr wenig Aufmerksamkeit bekommen hat und möglichst stillschweigend verabschiedet werden soll. Wieder als “Anti-Terror-Gesetz” geframt soll es mit der Verschärfung künftig möglich sein, in einem 30km breiten Korridor entlang der Bundesgrenzen Schleierfahndungen durchzuführen, d.h. “verdachtsunabhängige” Personenkontrollen, die geradezu nach Racial Profiling schreien. Außerdem dürfen präventiv (!) im Rahmen einer Onlinedurchsuchung alle gespeicherten Daten wie Kontakte, Bilder, Kommunikation aus der Vergangenheit oder Passwörter ausgelesen, sowie Kamera und Mikrofon an Handys als Wanze benutzt werden. Bodycams dürfen ohne richterlichen Beschluss auch in Privaträumen eingesetzt werden; umfassende Personenkontrollen im Vorfeld von Demonstrationen werden legalisiert und bauen eine abschreckende Drohkulisse auf. Schließlich droht eine Unendlichkeitshaft: durften sog. Gefährder*innen bislang 14 Tage eingesperrt werden, soll der Zeitraum nun auf 3 Monate erhöht werden, die theoretisch immer wieder verlängert werden können – mensch kann also auf unbegrenzt lange Zeit im Knast sitzen – und all das ohne überhaupt einen Prozess gehabt zu haben.
Besonders diese Möglichkeit zur Unendlichkeitshaft macht die Absurdität des Polizeigesetzes deutlich: anhand welcher Kriterien sollen Richter*innen, die die Länge der Haft festlegen, entscheiden, ob Personen wohl in der nächsten Zeit eine “unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung” planen, ohne willkürlich Orakel zu spielen und damit massive Fehlentscheidungen und Repressionen zu billigen?!

Das neue Polizeigesetz steht nicht für sich allein: Es ist Teil eines Paradigmenwechsels hin zu einem autoritären Sicherheitsstaat mit kontrollsüchtigem Überwachungsapparat, der Feinde nicht nur außen, sondern auch innen vehement bekämpft. Ziel ist Anpassung und Unterdrückung, Angst
und Uniformität. Dies wird umso deutlicher, wenn mensch sich den Anlass der Gesetzesnovelle vor Augen führt: es gibt eigentlich keinen. Leider steht BaWü nicht kurz vor der Revolution und dass von der riesigen linksradikalen Szene eine große Gefahr für die innere Sicherheit ausgeht, widerlegt jede halbwegs professionelle Studie. Dennoch – oder gerade deshalb – wird versucht, den Spielraum sozialer Bewegungen, die nicht staatlich organisiert sind, massiv einzuschränken. Daher kann es keine Strategie sein, möglichst brav zu bleiben und den Staat nicht zu ärgern, um vor Repressionen geschützt zu sein. Jetzt leise zu sein, heißt später nicht mal mehr die Option zu haben, laut zu werden!

Die Auswirkungen des heutigen Polizeistaates wurden z.B. am Montag, d. 27.05.2019 deutlich. Wieder einmal wurde ein erst kurz zuvor besetzter Freiraum in Freiburg mit hartem Durchgreifen von der Polizei geräumt und alle anwesenden Suppportis und Vorbeilaufende kontrolliert, durchsucht, abgefilmt und die Personalien aufgenommen. Die brennenden Autos heute sind auch eine klare Botschaft gegen dieses maßlose Zusammenwirken von Staat und Polizei. Wir stehen in Solidarität mit den Besetzis und wünschen viele erfolgreiche kommende Besetzungen! Solidarische Grüße auch an die von Räumung bedrohte Elsi in Basel!

Wir halten es aus pragmatischer Sicht für wichtig, die geplante Verschärfung der Polizeigesetze in BaWü und anderswo zu verhindern! Allerdings kann die Lösung nicht eine Polizei mit nur ein bisschen weniger Handgranaten sein! Die Rücknahme einzelner Reformen ändert nichts an den ungerechten Grundprinzipien unserer Gesellschaft. Daher stellen wir uns gegen jegliche Herrschaft und gegen ein System, was auf ungleicher Machtverteilung, Privateigentum, Kontrolle und Zwang beruht.

Wir müssen uns alle die Frage stellen, was uns wirklich sicher macht: Sicher nicht die Institution Polizei, deren Aufgabe es ist, das Eigentum und damit das Interesse der Wohhabenden und Mächtigen zu schützen.
Wir wollen neue Formen des Zusammenlebens jenseits vom “Rechtsstaat” entwickeln und umsetzen. Wir wollen Verantwortung für unser Handeln individuell und gemeinschaftlich tragen, ohne Androhung von Knast und Gewalt. Für Freiheit und Solidarität, für ein Leben in Anarchie!

Freiheit stirbt mit Sicherheit!

Mehr Infos zum Polizeigesetz und der Kampagne NoPolGBW: www.nopolgbw.org
Analyse des Gesetzes von der Informationsstelle Militarisierung e.V.: https://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2019-2-Polizei.pdf