Zürich: GEGENLAGER

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Übers Wochenende (24.-26. Mai 2019) wurde der Pfingstweidpark in Zürich besetzt. Hier das Manifest. Über den Link findet ihr noch zwei Publikationen, die im Rahmen dieser Besetzung veröffentlicht wurden.

 Gegenlager – Manifest

24.Mai 2019

Hallo! Das ist das Manifest zur Besetzung des Pfingstweid-Parks. Für einige Zeit gestalten wir hier einen autonom organisierten Raum, wo wir* bei Workshops, Vorträgen, Podien, Diskussionen oder bei einem Getränk im Bistro Rund um das Thema der neuen Bundesasylzentren diskutieren, uns austauschen und vernetzen wollen.

Dieser Ort ist nicht zufällig gewählt – vis-a-vis wird das neue Bundesasylzentrum gebaut. Am 1. März 2019 trat das neue Asylgesetz in Kraft. Es bringt die Neustrukturierung des Asylwesens und infolgedessen diesen Neubau mit sich. Das neue Asylgesetz wurde von Simonetta Sommaruga, Bundesrätin und Politikerin der Sozialdemokratischen Partei (SP), in die Wege geleitet, und 2016 als Asylgesetzrevision von der Stimmbevölkerung angenommen.

Bei dieser Revision wurden, neben anderen Verschärfungen, das beschleunigte Asylverfahren eingeführt, womit die Abweisungen und Ausschaffungen schneller und effizienter ausgeführt werden sollen, nicht aber die Aufnahmen. Den Kern der Verfahrensbeschleunigen sollen die sogenannten Bundesasylzentren bilden. Wir bezeichnen diese Bundeszentren bewusst als Lager, weil darin Menschen vom Rest der Gesellschaft isoliert, räumlich konzentriert und anderen Gesetzen und Rechten unterstellt werden. Strikte Ausgehzeiten und Eingangskontrollen durch private Sicherheitsdienste, wie ORS Service oder Securitas, erzeugen eine Halbgefangenschaft für die Insass*innen. Die Lager sind für die Zivilgesellschaft und die allgemeine Öffentlichkeit grundsätzlich nicht zugänglich. Ausnahme sind Projekte, die vom Staatssekretariat für Migration (SEM) im Zuge einer vertraglichen Vereinbarung bewilligt werden.

Die Aufgabe der Bundeslager ist, die Menschen möglichst effizient zu verwalten und dabei die Kosten möglichst niedrig zu halten. Neben ders Unterbringung der Geflüchteten werden möglichst alle beteiligten Stellen und Verfahrensschritte in den Zentren gebündelt. Das führt zu einer stärkeren Isolation der Insass*innen und lässt noch weniger Raum zur Selbstbestimmung. Die Beschleunigung der Verfahren lässt den Betroffenen sehr wenig Zeit, sich unabhängig zu informieren, Leute kennen zu lernen, sowie Mittel und Wege zu finden, sich gegen den Entscheid zu wehren.

Am Infodesk im Bistro gibt es Bücher, Publikationen und die „Gegen-Lager“ Zeitung, welche aus verschiedenen Perspektiven detailliert auf Themen, die uns* hier interessieren, eingehen. So zum Beispiel auf die Beschleunigung im neuen Asylverfahren, die darin verlorene Selbstbestimmung und die damit einhergehende Isolation der Betroffenen, auf die sogenannt „besonderen“ Lager, die spezifische Situation Zürich, die Rolle der SP im schweizerischen Migrationsregime, auf rechtliche Veränderungen aus der Sicht eines Anwalts, auf Migration in einer kapitalistischen Welt, auf Nothilfe, Widerstand und Aktivismus, auf Repression und vieles mehr.

Wir haben uns Mühe gegeben, bezüglich des Inhalts des Manifests und der Zeitung als auch bezüglich den schreibenden, sprechenden und performenden Personen einen Fokus auf Diversität der Positionen zu legen und setzen uns kritisch mit Privilegien auseinander, können jedoch (leider) keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

Wir suchen nach Formen für eine intersektionale Auseinandersetzung mit dieser Thematik. Dabei befinden wir uns in einem stetigen Prozess, machen Fehler, scheitern und werden unseren Vorstellung und Utopien gerecht. Wir sind unbefriediegt und wütend. Wir haben viele Fragen und freuen uns auf neue Vorschläge und Anregungen, wie solche Veranstaltungen entstehen können, was dabei für Probleme aufkommen und wie wir einen Umgang damit finden , ohne uns von diesen Schwierigkeiten lähmen zu lassen, um kämpferisch zu bleiben.

Mit der Besetzung des Pfingstweid-Parks wollen wir auf die prekären Lebensumstände von Migrant*innen, auf die neue Politik des schweizer Migrationsregimes und ihrer gesellschaftlichen und ökonomischen Bedeutung aufmerksam machen. 

Wir wollen Widerstand formulieren und leisten. Wir wollen eine laute Auseinandersetzung, damit alle sie hören können, sie hören müssen.

Wir begnügen uns nicht mit realpolitischen Forderungen, denn es ist die bürgerlich-sozialdemokratische Politik, welche die Verwaltung von Menschen zu kapitalistischen Zwecken ausübt und mit ihrer Herrschaft die Idee von Nationen und deren Grenzen aufrecht erhält.

Es ist möglich und wichtig, dass Leute sich organisieren und sich gegen Unterdrückung und Diskriminierung stellen. Anstatt die Verantwortung an Politiker*innen abzugeben, können wir uns hier und jetzt zusammenschliessen und kollektiv neue Handlungsansätze finden. Für das selbstorganisierte, kollektive Handeln gibt es unzählige Möglichkeiten.

Wir fordern ein freies, selbstbestimmtes und kollektiv organisiertes Leben für alle. Gegen jegliche Verwaltung von Menschen! Alles Allen!

* Das wir ist  hier unbegrenzt und so soll auch die Bewegungsfreiheit sein