Archiv für den Monat: Juli 2018

Nantes, Frankreich: Nächtelange Unruhen nach erneutem Mord durch einen Polizisten

übersetzt und zusammengefasst von verschiedenen Medienartikeln, alle gefunden auf attaque

Der 22-jähriger Aboubakar Fofana ist am Dienstagabend, 03. Juli in Nantes gestorben, nachdem er von einem Polizisten angeschossen wurde. Zum Schuss kam es gegen 20h30 im Quartier Breil anlässlich einer Autokontrolle.

Die Meldung seines Todes führte umgehend zu Ausschreitungen im Quartier Breil-Barberie; mit Molotovcocktails bewaffnete Jugendliche gingen auf Ordnungskräfte los. Im Laufe der Nacht weiteten sich die Krawalle auf weitere Quartiere in Nantes aus. Neben Autos wurde auch eine Aussenstelle des Rathauses, ein Justiz- und Rechtsgebäude sowie ein Polizeiposten angezündet.

In der folgenden Nacht weiteten sich die Ausschreitungen weiter aus. In verschiedenen Quartieren in Nantes kam es zu Angriffen auf die Polizei, Sachbeschädigungen und Brandstiftungen. Elf Personen wurden in dieser Nacht verhaftet. Einige werden verdächtigt, einen Schuss in Richtung Polizei abgegeben zu haben.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag blieb es in den Quartieren Le Breil, Dervallières, Malakoff und Bellevue eher ruhig. Dafür zeichneten die Quartiere la Bottière, le Chêne-des-Anglais und la Boissière ein geschädigtes Bild. 52 Autos, darunter dasjenige der Stadtspräsidentin von Nantes vor ihrem Wohnsitz, sowie sieben Gebäude, wie das Gymnasium Léonard-de-Vinci, eine Tankstelle, ein Kindergarten, das Bürgerhaus und weitere Läden, wurden angezündet. Vier Personen wurden verhaftet.

Und auch in der vierten Nacht in Folge gingen die Unruhen weiter, auch wenn die Ordnungskräfte mittlerweile mit einem massiven Aufgebot in den Quartieren unterwegs sind. 35 Autos brannten in dieser Nacht. Die Situation beruhigt sich aber langsam.

Weitere Ausschreitungen fanden noch in der Nacht auf Sonntag statt. Zum Beispiel wurde ein Kameramasten gefällt und angezündet. Wie die Medien berichten, ist die Lage in der Nacht auf Montag ruhig geblieben.

Basel: Angriff auf Lagerarchitekten

gefunden auf barrikade

Die Lager für Migrant*innen breiten sich innerhalb wie ausserhalb Europas aus. Auch in der Schweiz entstehen zur Zeit 20 neue Bundesasylzentren. Dieser Euphemismus soll nicht über ihren Charakter der zunehmenden Verwaltung, Kontrolle und Isolierung hinwegtäuschen.

In Grand-Saconnex bei Genf wird momentan an einem solchen Komplex geplant. (Bundeslager, Polizei, Grenzwache und internationale Polizei). Das Architekturbüro Berrel Berrel Kreutler aus Basel und Zürich ist mit seinen Entwürfen Teil dieses neuen Regimes. Ihre jeweils schön imaginierten Architekturen werden in Tat und Wahrheit zum Teil der europäischen Lagerarchitektur – kalt, brutal, isolierend, abgeschottet. Es sind in Beton gegossene repressive Ideen, die derzeit überall aus dem Boden spriessen.

Mit zerbrochenem Glas und an die Fassade gesprayten Sprüchen bei ihrem Büro in Basel haben wir sie vergangene Woche mit ihrer Verantwortung konfrontiert.

Bekannte Aboubakars
In Solidarität mit allen Menschen, die sich momentan ihren Weg nach Europa am erkämpfen sind.

Berlin, Deutschland: Solidarität nach Nantes! – SPIE angezündet

gefunden auf de.indymedia

Die Welle des überschäumenden Hasses auf die Willkür uniformierter Individuen schwappt wieder einmal über die Grenzen Frankreichs bis zu uns. Die letzten zwei Nächte brannten Autos in Nantes, hunderte Jugendliche zerstörten Läden und griffen die CRS mit Molotovs an.

Aboubakar wurde Dienstag Abend in einem Banlieu von Nantes in seinem Auto von einem Polizisten hingerichtet, nachdem er für eine Fahrzeugkontrolle angehalten wurde…

Die Polizei verbreitet die Version der Gefahrenabwehr. Es ist offenbar, dass die „Rechtmäßigkeit“ des Mordes, nach der in der Öffentlichkeit gefragt wird, allein in der selbstgeschaffenen Legitimation und Gesetzmäßigkeit eines Polizeiapparates zu finden ist. Da wir die Anerkennung jener Gesetzmäßigkeit verweigern, kann es niemals eine Legitimation für eine Hinrichtung durch einen Bullen geben.

Erst vor wenigen Monaten erreichte uns bereits eine traurige Nachricht aus dieser Region. Ein Gefährte hatte in den Kämpfen um die ZAD seine Hand verloren und sein gesamter Oberkörper ist bis heute großflächig verletzt. Eine Sprengstoffgranate hatte ihn getroffen, abgefeuert von den Riot Cops der CRS.

Diese Momente, in denen es offenbar wird auf welcher Seite wir stehen und auf welcher Seite all jene stehen, die Uniformen tragen, fühlen sich oft an wie ein Zustand der Machtlosigkeit. Die Zeit wird angehalten und alles in einem selbst bäumt sich auf voller Hass und Frustration. Entweder erscheint alles zum Scheitern verurteilt, man frustriert an der Allmacht des Staates, ein Leben zu jedem Zeitpunkt durch einen Polizisten beenden zu können. Oder man platzt heraus aus diesem Gefühl und macht das einzig Sichtbare, man entlädt die eigene Wut, die Gefühle zu diesen Nachrichten und solidarisiert sich mit all jenen, die auf der gleichen Seite stehen.

Wir wollen unsere Solidarität mit den Widerständigen der Vororte ausdrücken und brannten letzte Nacht ein Auto des Knast-Dienstleisters SPIE ab.

Die Nachrichten über Waffengebrauch oder Hinrichtungen von Polizist*innen aufgrund ihrer Loyalität mit dem Staat, ihres Ordnungswahns, ihres Rassismus oder ihrer zugekoksten Nasen, häufen sich auch in Berlin in letzter Zeit. Es sind permanente Skandal-Nachrichten, die im Medienrausch drohen unterzugehen.

Lassen wir unseren Feinden keinen Moment um Luft zu schnappen! Nur ein Leben im Angriff kann uns davor bewahren an diesen Machtverhältnissen zu resignieren.

In Gedenken an all die von Polizeigewalt Betroffenen!

Liebe und Kraft für alle Gefangenen in den Kerkern des Staates! Haltet durch!

Bern: Der Rechtsmedizin die Fassade beschmieren

gefunden auf barrikade

05.07.18. Diese Woche haben wir mittels einer farbigen Botschaft gezeigt, was wir vom Institut für Rechtsmedizin (IRM) halten. Wir haben dabei den Hauptstandort an der Bühlstrasse in Bern beschmiert.

Das IRM arbeitet eng mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden zusammen. So erstellt es beispielsweise psychiatrische Gutachten von ’Straftäter*innen’, einer durch das Rechtssystem konstruierten Kategorie. Weiter ist das IRM dafür zuständig, die DNA-Profile für die Polizei und die Staatsanwaltschaft zu erstellen – um mögliche ’Strafdelikte’ aufzuklären, Menschen zu identifizieren und zu bestrafen. Insbesondere prekarisierte Menschen sind betroffen von diesem ’Rechtssystem’.

Das Institut trägt mit seinen Abteilungen dazu bei, dass der Staat immer wie effizienter überwacht, kontrolliert, und einsperrt. Dass Projekte, die eine solidarische Gemeinschaft aufzubauen versuchen und sich dem gängigen System widersetzen, verdrängt werden. Dass Leute ohne legalen oder ’sicheren’ Aufenthaltsstatus kategorisiert, eingesperrt und ausgeschafft werden.

Teil des Bauprojekts ’Murtenstrasse’

Das Institut für Rechtsmedizin soll in Zukunft in die Murtenstrasse 20-30 einziehen. Ein Bauprojekt, welches viele hässliche Facetten dieser Gesellschaft vereint: Gentrifizierung, die staatliche Justiz, Tierausbeutung in Form von Tierversuchen.

Bleiben wir dem Staat und seinen Justizapparaten gegenüber widerständig, und lassen wir uns nicht einschüchtern von seinen Strategien. Wehren wir uns gegen alle Formen der Ausbeutung und Unterdrückung und zeigen wir uns solidarisch mit denjenigen, die hinter den Gittern, Mauern, und in den Käfigen sind.

Eine ausführliche Kritik zum gesamten Bauprojekt an der Murtenstrasse findet sich hier:
„Kritik am Neubau der Uni Bern an der Murtenstrasse“

Für einen Kampf gegen den Staat, seine Käfige und Grenzen!

übersetzt von Kairos – Journal anarchiste nr. 5

Um seine Kontrolle über die Bevölkerung und insbesondere über die Unerwünschten zu verstärken, modernisiert der Staat immer wieder sein repressives Arsenal: Nach der Ankündigung seines Plans von 33 neuen Gefängnissen, in denen Tausende von Menschen zusätzlich eingesperrt und isoliert werden, hat der Staat soeben das Gesetz „Asile et Immigration“ verabschiedet, das die Dauer der Internierung von Ausländern, die die guten Papiere nicht besitzen, von 45 auf 90 Tage verdoppeln soll. Dieses Gesetz kommt zum Ausnahmezustand und dem Einsatz der Armee auf den Strassen und an den Grenzen, den Hausarrests, die den Asylsuchenden massenhaft verteilt werden, der Vergrösserung der bereits existierenden CRAs etc. dazu. Diese Dauer der Inhaftierung kann im Falle der Gegenwehr eines Sans-Papiers bei seiner Abschiebung um weitere 15 Tage verlängert werden (105 Tage in diesen Knästen, die ihren Namen nicht verraten, die von den Herrschenden „Centre de Rétention Administrative“ – „administrative Hafteinrichtung“ – genannt werden). In einem Kontex des Zuzugs von Männern, Frauen und Kindern, die vor den Kriegen, der Ausbeutung und den politischen Verfolgungen in den zahlreichen Ländern unter dem Joch der Diktatoren und anderen Regimes/Autoritären fliehen, die mit der Komplizenschaft des europäischen Neokolonialismus eingerichtet wurden, sperrt die Herrschaft immer mehr Menschen ein. Für die Macht geht es darum, eine drastische Kontrolle auf seinem Territorium zu bestärken, sei es durch die Inhaftierung (Gefängnis, CRA..) oder durch die den karitativen und anderen Organismen anvertraute Kontrolle ausserhalb davon (in den CAOs, CADAs, PRAHDAs etc…). Die nach der Räumung des riesigen Camps bei Calais im Oktober 2016 eröffneten Aufnahme- und Orientierungslager (CAO) (stets in der ausweichenden Sprache der Herrschaft), hatten zum Ziel, die migrantischen Personen auf dem ganzen Territorium zu zerstreuen, die Selbstorganisation und Solidarität zu brechen und sie noch weiter zu isolieren, indem sie ins verlassene Hinterland geschickt werden.

Zur gleichen Zeit sieht man, wie diejenigen, die den Sans-Papiers materielle Unterstützung bieten, vom Staat wegen „Delikten der Solidarität“ verfolgt werden. Es ist nicht länger nötig, subversive Diskurse und Taten hochzuhalten, um in den Netzen der Repression zu enden. Es reicht aus, Nahrungsmittel- und Kleidersammlungen zu organisieren, um die Bullen vor seinem Wohnort aufkreuzen zu sehen. Aber kann uns das als Revolutionäre, die wir uns im Kampf gegen den Staat und seine Grenzen befinden, genügen? Die Antwort lautet natürlich nein. Da mehrere Menschen wegen einfacher materieller Unterstützung vor Gericht gezogen werden, könnten wir uns auch fragen, ob es nicht der angebrachte Moment wäre, um sich etwas anderem zuzuwenden, die Inhafierungs- und Abschiebemaschine praktisch aufzuhalten, ohne Mediation und ohne Kompriss?

Im Mai 2018 landeten drei solidarische Menschen (Théo, Bastien und Eleonora) nach einem Wochenende gegen die Grenzen in der Region von Briançon im Knast. An diesem Wochenende ging es auch darum, den privaten faschistischen Milizen entgegenzutreten, die der Gendarmerie, der Grenzpolizei und dem Militär zu Hilfe kamen, um ihre dreckige Arbeit der Kontrollen und massenhaften Verhaftungen in den Bergen an der italienischen Grenze zu erledigen, die viele geflüchtete Personen als Grenzübergang nutzen. Nach ein paar Wochen wurden die drei präventiv wieder entlassen. In Frankreich schlugen diese Verhaftungen leider nicht allzu grosse Wellen: Es kam lediglich zu ein paar Versammlungen mit Transparenten vor dem Gefängnis in Marseille, in dem die drei eingesesperrt waren.

Wieso die Unternehmen und diversen Institutionen, die diese Todesmaschine am Laufen halten, nicht direkt angreifen?

Es scheint mir äusserst wichtig, einen direkten Kampf gegen die Inhaftierung und Abschiebung wieder aufzunehmen, so wie dies in Frankreich zwischen 2006 und 2011 der Fall war, als in allen Ecken des Hexagons die verschiedenen Unternehmen und Institutionen zum Ziel genommen wurden. Diese Angriffe wurden während der Revolte der Sans-Papiers im CRA von Vincennes, die eines der grössten Gefängnisse des Landes in Schutt und Asche legte, noch weiter bestärkt und verbreitet. In den folgenden Monaten und Jahren wurden dutzende Unternehmen und Institutionen, die an der Inhaftierung und an den Abschiebungen beteiligt sind, mit dem Hammer, dem Klebstoff, der Säure oder dem Feuer sabotiert. Unter den Zielen befanden sich die Banken, die Sans-Papiers bei den Bullen verpfeifen (La Poste, LCL, BNP Paribas, etc…), Flug- und Zuggesellschaften wie Air France und die SNCF, die Ausschaffungen durchführen oder die Bullen bei Massenkontrollen unterstützen, die Konstrukteure dieses Ekels (Bouygues, Vinci, Eiffage), karitative Organisationen, die für die Organisation der Razzien und die Verwaltung der Lager verantwortlich sind (das Rote Kreuz, France Terre d‘Asile).

An diesem Kampf gegen die Abschiebemaschine, dem es gelungen ist, der Abschiebemaschine hier und jetzt entgegenzutreten und mit dem Finger auf die unterschiedlichen Aasgeier zu zeigen, die mit der Misere und der Ausbeutung fett werden, will sich der Staat nun nach mehr als acht Jahren rächen. Für den 22. Juni, genau zehn Jahre nach dem Feuer im CRA von Vincennes, wurden sieben Personen dazu aufgefordert, vor dem ganz neuen Zermalmungs- und Bestrafungspalast, dem Palais de Justice, zu erscheinen: Zwei Personen waren wegen „Beschädigungen“ in einem Geschäft von Air France angeklagt, eine andere wegen „Beschädigungen“ an einem Geschäft der SNCF und von Bouygues. Die anderen werden wegen „Verweigerung der DNA und anderen erkennungsdienstlichen Behandlungen“ verfolgt. Diese überraschenden Besuche fanden während einem wilden Spaziergang am 17. März 2010 statt – nur einige Stunden nach der Verurteilung von zehn in Vincennes eingesperrten Sans-Papiers zu mehreren Jahren Haft für diese feurige Revolte. Bei diesem Prozess handelt es sich um den zweiten Teil von Untersuchungen bezüglich der gleichen Sache. Im Juni 2017 wurden drei Menschen zu vier Monaten Haft auf Bewährung wegen „gemeinschaftlich begangener Sachbeschädigung“ verurteilt.

Einen offensiven Kampf wieder aufzunehmen würde es ermöglichen, aus einem gewissen Fatalismus, einer generellen Ohnmacht gegenüber den Gräueltaten der Grenzen und ihren Verteidigern, herauszukommen. Es wäre ausserdem auch eine Möglichkeit, die Repression gegen die Solidarität mit Ausländer zu erwidern, den Verantwortlichen dieser tödlichen Maschinerie einen Namen zu geben und dafür zu sorgen, dass sich diese Angriffe ausbreiten und generalisieren.

Wir haben also die Qual der Wahl, um unsere Wut gegen die Gefängnisse und die Grenzen zum Ausdruck zu bringen. Wir sind weit von einem abstrakten System, unantastbar und ausser Reichweite, entfernt. Gegen die Inhaftierung und Abschiebung von unerwünschten Personen zu kämpfen, heisst nicht, sich für die Opfer aufzuopfern, sondern für die Freiheit aller, mit oder ohne Papiere, zu kämpfen. Es geht nicht um einen Kampf für die Sans-Papiers, aber um einen Krieg gegen den Staat. Aus diesem Grund gibt es kein „Subjekt“ in diesem Kampf (die Sans-Papiers, die Flüchtlinge oder andere Kategorien der Macht), das im Besitz der Wahrheit wäre und nach dem sich die Solidarität richten müsste. Die Inhaftierung durch direkte, destruktive Angriffe zu attackieren ist ein Ansatz, der von all denjenigen geteilt werden kann, die nach Freiheit streben. Ein Ansatz, der sich wie ein Buschfeuer ausbreiten kann.

FEUER ALLEN GEFÄNGNISSEN
Freiheit für alle, mit oder ohne Papiere