Für einen Kampf gegen den Staat, seine Käfige und Grenzen!

übersetzt von Kairos – Journal anarchiste nr. 5

Um seine Kontrolle über die Bevölkerung und insbesondere über die Unerwünschten zu verstärken, modernisiert der Staat immer wieder sein repressives Arsenal: Nach der Ankündigung seines Plans von 33 neuen Gefängnissen, in denen Tausende von Menschen zusätzlich eingesperrt und isoliert werden, hat der Staat soeben das Gesetz „Asile et Immigration“ verabschiedet, das die Dauer der Internierung von Ausländern, die die guten Papiere nicht besitzen, von 45 auf 90 Tage verdoppeln soll. Dieses Gesetz kommt zum Ausnahmezustand und dem Einsatz der Armee auf den Strassen und an den Grenzen, den Hausarrests, die den Asylsuchenden massenhaft verteilt werden, der Vergrösserung der bereits existierenden CRAs etc. dazu. Diese Dauer der Inhaftierung kann im Falle der Gegenwehr eines Sans-Papiers bei seiner Abschiebung um weitere 15 Tage verlängert werden (105 Tage in diesen Knästen, die ihren Namen nicht verraten, die von den Herrschenden „Centre de Rétention Administrative“ – „administrative Hafteinrichtung“ – genannt werden). In einem Kontex des Zuzugs von Männern, Frauen und Kindern, die vor den Kriegen, der Ausbeutung und den politischen Verfolgungen in den zahlreichen Ländern unter dem Joch der Diktatoren und anderen Regimes/Autoritären fliehen, die mit der Komplizenschaft des europäischen Neokolonialismus eingerichtet wurden, sperrt die Herrschaft immer mehr Menschen ein. Für die Macht geht es darum, eine drastische Kontrolle auf seinem Territorium zu bestärken, sei es durch die Inhaftierung (Gefängnis, CRA..) oder durch die den karitativen und anderen Organismen anvertraute Kontrolle ausserhalb davon (in den CAOs, CADAs, PRAHDAs etc…). Die nach der Räumung des riesigen Camps bei Calais im Oktober 2016 eröffneten Aufnahme- und Orientierungslager (CAO) (stets in der ausweichenden Sprache der Herrschaft), hatten zum Ziel, die migrantischen Personen auf dem ganzen Territorium zu zerstreuen, die Selbstorganisation und Solidarität zu brechen und sie noch weiter zu isolieren, indem sie ins verlassene Hinterland geschickt werden.

Zur gleichen Zeit sieht man, wie diejenigen, die den Sans-Papiers materielle Unterstützung bieten, vom Staat wegen „Delikten der Solidarität“ verfolgt werden. Es ist nicht länger nötig, subversive Diskurse und Taten hochzuhalten, um in den Netzen der Repression zu enden. Es reicht aus, Nahrungsmittel- und Kleidersammlungen zu organisieren, um die Bullen vor seinem Wohnort aufkreuzen zu sehen. Aber kann uns das als Revolutionäre, die wir uns im Kampf gegen den Staat und seine Grenzen befinden, genügen? Die Antwort lautet natürlich nein. Da mehrere Menschen wegen einfacher materieller Unterstützung vor Gericht gezogen werden, könnten wir uns auch fragen, ob es nicht der angebrachte Moment wäre, um sich etwas anderem zuzuwenden, die Inhafierungs- und Abschiebemaschine praktisch aufzuhalten, ohne Mediation und ohne Kompriss?

Im Mai 2018 landeten drei solidarische Menschen (Théo, Bastien und Eleonora) nach einem Wochenende gegen die Grenzen in der Region von Briançon im Knast. An diesem Wochenende ging es auch darum, den privaten faschistischen Milizen entgegenzutreten, die der Gendarmerie, der Grenzpolizei und dem Militär zu Hilfe kamen, um ihre dreckige Arbeit der Kontrollen und massenhaften Verhaftungen in den Bergen an der italienischen Grenze zu erledigen, die viele geflüchtete Personen als Grenzübergang nutzen. Nach ein paar Wochen wurden die drei präventiv wieder entlassen. In Frankreich schlugen diese Verhaftungen leider nicht allzu grosse Wellen: Es kam lediglich zu ein paar Versammlungen mit Transparenten vor dem Gefängnis in Marseille, in dem die drei eingesesperrt waren.

Wieso die Unternehmen und diversen Institutionen, die diese Todesmaschine am Laufen halten, nicht direkt angreifen?

Es scheint mir äusserst wichtig, einen direkten Kampf gegen die Inhaftierung und Abschiebung wieder aufzunehmen, so wie dies in Frankreich zwischen 2006 und 2011 der Fall war, als in allen Ecken des Hexagons die verschiedenen Unternehmen und Institutionen zum Ziel genommen wurden. Diese Angriffe wurden während der Revolte der Sans-Papiers im CRA von Vincennes, die eines der grössten Gefängnisse des Landes in Schutt und Asche legte, noch weiter bestärkt und verbreitet. In den folgenden Monaten und Jahren wurden dutzende Unternehmen und Institutionen, die an der Inhaftierung und an den Abschiebungen beteiligt sind, mit dem Hammer, dem Klebstoff, der Säure oder dem Feuer sabotiert. Unter den Zielen befanden sich die Banken, die Sans-Papiers bei den Bullen verpfeifen (La Poste, LCL, BNP Paribas, etc…), Flug- und Zuggesellschaften wie Air France und die SNCF, die Ausschaffungen durchführen oder die Bullen bei Massenkontrollen unterstützen, die Konstrukteure dieses Ekels (Bouygues, Vinci, Eiffage), karitative Organisationen, die für die Organisation der Razzien und die Verwaltung der Lager verantwortlich sind (das Rote Kreuz, France Terre d‘Asile).

An diesem Kampf gegen die Abschiebemaschine, dem es gelungen ist, der Abschiebemaschine hier und jetzt entgegenzutreten und mit dem Finger auf die unterschiedlichen Aasgeier zu zeigen, die mit der Misere und der Ausbeutung fett werden, will sich der Staat nun nach mehr als acht Jahren rächen. Für den 22. Juni, genau zehn Jahre nach dem Feuer im CRA von Vincennes, wurden sieben Personen dazu aufgefordert, vor dem ganz neuen Zermalmungs- und Bestrafungspalast, dem Palais de Justice, zu erscheinen: Zwei Personen waren wegen „Beschädigungen“ in einem Geschäft von Air France angeklagt, eine andere wegen „Beschädigungen“ an einem Geschäft der SNCF und von Bouygues. Die anderen werden wegen „Verweigerung der DNA und anderen erkennungsdienstlichen Behandlungen“ verfolgt. Diese überraschenden Besuche fanden während einem wilden Spaziergang am 17. März 2010 statt – nur einige Stunden nach der Verurteilung von zehn in Vincennes eingesperrten Sans-Papiers zu mehreren Jahren Haft für diese feurige Revolte. Bei diesem Prozess handelt es sich um den zweiten Teil von Untersuchungen bezüglich der gleichen Sache. Im Juni 2017 wurden drei Menschen zu vier Monaten Haft auf Bewährung wegen „gemeinschaftlich begangener Sachbeschädigung“ verurteilt.

Einen offensiven Kampf wieder aufzunehmen würde es ermöglichen, aus einem gewissen Fatalismus, einer generellen Ohnmacht gegenüber den Gräueltaten der Grenzen und ihren Verteidigern, herauszukommen. Es wäre ausserdem auch eine Möglichkeit, die Repression gegen die Solidarität mit Ausländer zu erwidern, den Verantwortlichen dieser tödlichen Maschinerie einen Namen zu geben und dafür zu sorgen, dass sich diese Angriffe ausbreiten und generalisieren.

Wir haben also die Qual der Wahl, um unsere Wut gegen die Gefängnisse und die Grenzen zum Ausdruck zu bringen. Wir sind weit von einem abstrakten System, unantastbar und ausser Reichweite, entfernt. Gegen die Inhaftierung und Abschiebung von unerwünschten Personen zu kämpfen, heisst nicht, sich für die Opfer aufzuopfern, sondern für die Freiheit aller, mit oder ohne Papiere, zu kämpfen. Es geht nicht um einen Kampf für die Sans-Papiers, aber um einen Krieg gegen den Staat. Aus diesem Grund gibt es kein „Subjekt“ in diesem Kampf (die Sans-Papiers, die Flüchtlinge oder andere Kategorien der Macht), das im Besitz der Wahrheit wäre und nach dem sich die Solidarität richten müsste. Die Inhaftierung durch direkte, destruktive Angriffe zu attackieren ist ein Ansatz, der von all denjenigen geteilt werden kann, die nach Freiheit streben. Ein Ansatz, der sich wie ein Buschfeuer ausbreiten kann.

FEUER ALLEN GEFÄNGNISSEN
Freiheit für alle, mit oder ohne Papiere