übersetzt von attaque und macerie
Einmal mehr sind wie hier, in den Zellen eines Gefängnisses. Einmal mehr sind wir angeklagt, dass wir „uns eingemischt haben“, dass wir versucht haben, eine x-te Kontrolle von Migranten im Quartier, in dem wir leben, zu verhindern.
Eine Kontrolle zu blokieren ist ein sehr schwierig zu erreichendes Ziel, gerade wenn die Ordnungskräfte in Anti-Riot-Uniform auftauchen, teilweise sogar auf Pferden, wie das in Mailand der Fall war, und eine wahre militärische Operation durchführen.
Uns mit den Verhafteten zu solidarisieren und die Kontrolle „sichtbar“ zu machen, ist leider das magere Resultat, das wir erreichen konnten.
Das mag vielleich bizarr erscheinen, von der „Sichtbarmachung“ eines solch gewaltigen Ereignisses, wie einer polizeilichen Kontrolle inmitten eines Quartiers, zu sprechen. Eine Situation, in der die Polizeifahrzeuge, ihre Kastenwagen, die Bereitschaftspolizisten mit Helmen und Knüppeln sicherlich nicht unbemerkt bleiben.
Und genau das ist der Punkt. In diesen düsteren Zeiten, in denen die bis zu den Zähnen bewaffneten Soldaten, die durch unsere Strassen ziehen, und die Kontrollen nach ethnischen Merkmalen, die die Nachkriegsdemokratie so entsetzt haben, die alltägliche Gewohnheit geworden sind. Die Normalität ist, wie man weiss, aus der Barbarei gemacht.
Diese gleiche Normalität, die über dem Europa der Vergangenheit schwebte, dieser Welt der Peiniger, die „einfach nur die Befehle ausführten“, und der technischen Lösungen. Die Plätze sind die gleichen geblieben, auf denen die Gleichgültigkeit der Passanten von damals ein Widerhall in den geschlossenen Fenstern von heute findet.
Die Jagd auf die Migranten dient nicht nur dazu, einen Teil der Bevölkerung im Würgegriff zu halten, sie ist ein Aspekt des generellen Krieges gegen die Armen, von dem die Polizei der bewaffnete Arm ist.
Desweiteren haben die Schutzvorkehrungen gegen die Migration, die in den letzten Jahren ein unvorstellbares Mass erreicht haben, zum Ziel, den Migranten mittels den politischen und medialen Erzählungen als den falschen Schuldigen für die Misere hinzustellen, in die uns der Staat gezogen hat.
Es ist genau in den peripheren Quartieren der Städte, wo die Familien mit den unbezahlten Mieten aus ihren Häusern geschmissen werden und wo man sich bei der super-prekären Arbeit abrackert, in denen sich der Albtraum des Krieges unter den Ausgeschlossenen ausbreitet.
Der grosse Schwindel ist serviert und zuviele sind es, die darauf hereinfallen.
Verhindern, dass dies geschieht, ist für diejenigen, die sich entschieden haben, nicht im Elend zu leben, der Grund, für den sie ständig eingesperrt werden und Aufenthaltsverbote ausgesprochen bekommen, der Grund, für den sie in den Polizeistationen geschlagen und erniedrigt werden.
Kein Problem jedoch: Es ist der gleiche Grund aus dem wir Widerstand leisten, die Zähne fletschend, und uns organisieren gegen die Brutalität, die uns umgibt.
Ein Gefangener in meiner Abteilung hat mir gesagt: „Gegen den Staat Krieg zu führen… da verliert man immer“, sicher, da bin ich einverstanden, man verliert alles, wirklich alles, aber nicht die Würde.
Freiheit für alle
Antonio, Gefängnis Le Vallette, Turin, 05. August 2017