übernommen aus der Dissonanz Nr. 48 – anarchistische Zeitung
Seit einigen Monaten regt sich in Basel Widerstand gegen einen Erweiterungsbau des Strafvollzugs- und Ausschaffungslager Bässlergut, zu welchem seit Kurzem die Arbeiten begonnen haben. Bereits im April wurden wiederholt Autos der verantwortlichen Bauleitung, der Implenia AG, plattgestochen, mit der Warnung, die Arbeiten einzustellen. Sich unbeeindruckt zeigend, fiel etwas später einer ihrer Lieferwagen den Flammen zum Opfer, was in einem Schreiben wie folgt kommentiert wurde: «Diese Attacken auf das Bauunternehmen sind Teil unseres Kampfes gegen den Ausbau des Gefängnis Bässlergut und gegen alle bestehenden Gefängnisse. Wir haben kein Verständnis für Gefängnisprofiteure!» Aber auch die anderen Unternehmen, die sich am Geschäft mit der Einsperrung die Hände reiben, als dienstbare Handlanger der Bosse und ihrer Ordnung, haben schon gemerkt, dass ihnen dieses schmutzige Geschäft noch teuer zu stehen kommen könnte. Beim Gebäude der EAGB, welche für die Installation der Elektroanlagen verantwortlich ist, wurden Lastwagenreifen zerstochen, Werbeflächen zerschlitzt und die Fassade verschmiert, ebenfalls mit der Warnung: „Stopp Bässlergut!“. Beim gleich nebenan gelegenen Büro der Grünen Partei wurden zwei eingeworfene Fenster und der Spruch: „die Politik lügt“, hinterlassen, welcher keine Illusion über das Interesse an einem Dialog mit den politischen Schwätzern lässt. Stattdessen schreitet man lieber selber zur Tat, und Mitte Mai brannte auch schon ein erster Bagger auf der besagten Baustelle. Das Resultat: völlig unbrauchbar. Ein Auto der Firma Rosenmund AG, welche für die Sanitäranlagen zuständig ist, brannte gleich vor dem Haus des Basler Justizvorstehers Baschi Dürr aus, welcher gleich persönlich das warme Lüftchen riechen konnte, das zurzeit in Basel weht. So wurde dann auch eine Demonstration von etwa 200 Menschen, die sich unter dem Motto „Bässlergut einreissen, nicht erweitern“ zu ebendiesem hinbewegte, mit polizeilicher Gewalt aufgelöst. Zu Verhaftungen kam es bisher zu keinen.
Aber nicht nur in Basel ist es möglich, sich an diesem Kampf zu beteiligen. Auf verschiedenen Wegen wurde eine Liste in Umlauf gebracht (aus der wir im Nachfolgenden einige Zürcher Adressen zitieren), welche diejenigen benennt, die sich offenbar erhoffen, aus der Einsperrung von Menschen Profit zu schlagen. So sind die redlichen Architekten, beispielsweise, die ja nur ihren Job machen, an der Buckhauserstrasse 30 in Altstetten sesshaft, und jeder kann ihnen zeigen, ob für ihn diese Ausrede gültig ist, oder ob es nicht etwa dieselbe ist, die schon die Betreiber der Konzentrationslager, und alle Henker im Dienste der Macht, schon immer gebracht haben.
Wenn wir die Situation von etwas weiter weg betrachten, zeigt sich, dass der Erweiterungsbau beim Gefängnis Bässlergut sich in eine allgemeine Umstrukturierung des Haftregimes in der Schweiz einfügt. Schliesslich sollen, laut einer staatlichen Kommission, bis 2025 in der Schweiz 2259 neue Haftplätze geschaffen werden, neben den rund 7’000, die bereits existieren. Bei der chronischen Überfüllung der Schweizer Gefängnisse will man ja nicht unmenschlich erscheinen, fasst sich doch das Menschenrecht, diese glorreiche Institution unserer Demokratie, gemäss EU-Richtlinien in 3 Quadratmetern zusammen. So befinden sich zurzeit schweizweit gleich mehrere neue Gefängnisprojekte im Bau, wie beispielsweise auch das neue Polizei- und Justizzentrum hier in Zürich, oder die neue Vollzugsanstalt in Cazis, Graubünden, die, Ironie der Mächtigen, auf dem Friedhof einer früheren Haftanstalt gebaut wird, wo über hundert Menschen begraben liegen. Diese Entwicklung erklärt sich unter anderem dadurch, dass, während zwar geringere Delikte immer öfters administrativ geahndet werden (Geldbussen, elektronische Fussfesseln, etc.), es immer mehr Leute gibt, die sich in Langzeithaft befinden (weil sie kein Geld haben, weil sie nicht kollaborieren, wegen höheren Strafansätzen, etc.). Dies geht einher mit einer allgemeinen Tendenz zu einer immer deutlicheren Trennung in der Gesellschaft zwischen den Leuten, die an den Privilegien der Macht teilhaben, indem sie sich vollständig in ein alles umspannendes, technologisiertes Wirtschaftssystem integrieren und sich darin verwerten, und einem wachsenden Teil von davon Ausgeschlossenen, für welche die Macht keine andere Handhabung vorsieht, als sie durch Wegsperrung, Verdummung, Betäubung oder Verführung, abgesehen von mit roher Gewalt, von der Rebellion abzuhalten, zu welcher die wachsende Gehalts- und Mittellosigkeit ihres Lebens unmöglich nicht anregen kann.
Die Macht ist ständig damit beschäftigt, ihre Strukturen an die Anforderungen zur Kontrolle der Gesellschaft anzupassen, welche sich in einer stetigen, heute mehr denn je schnellen und ungewissen Entwicklung befindet. Jedes Projekt der Macht, ob offensichtlicher repressiv, oder mehr auf die Beschaffung von Konsens abzielend, hat letztendlich die Wahrung von dieser Kontrolle zum Ziel, um das Funktionieren dieser sozialen Ordnung zu garantieren, die im Wesentlichen auf den Mechanismen der Ausbeutung zu Gunsten einer herrschenden Minderheit basiert.
Aber nicht immer lassen sich diese Projekte in der allgemeinen Resignation realisieren, die sie uns gerne aufzwingen wollen. Der Kampf gegen das Bässlergut-Gefängnis ist ein Beispiel dafür. Abhängig von der politischen Sensibilität, der unmittelbaren Betroffenheit, oder dem schlicht und einfachen Brechreiz, welche diese Projekte bei der lokalen Bevölkerung wecken, beginnen sich Widerstände und selbstorganisierte Angriffsinitiativen zu formieren. Und, wenn wir etwas genauer hinschauen, gibt es heute diverse spezifische Situationen, wo sich selbstorganisierte Initiativen regen. Auch die Sabotage vor einigen Monaten an einem Windkraftpark im Jura, wo das EWZ Strom für Zürich produziert, spricht davon. Oder die recht weit verbreiteten Initiativen gegen Mobilfunkantennen. Die Widerstände gegen die Vertreibungen durch steigende Mieten in den städtischen Quartieren. Oder Angriffe auf Gentechfelder und ihre Verfechter. Um nur einige Beispiele zu machen.
Wir denken, dass es wichtig ist, die Kämpfe aufzugreifen und zu unterstützen, wo sie sich zeigen, sowohl durch die Bekanntmachung, wie auch durch die direkte Aktion. Denn, jenseits der Probleme, die solche Kämpfe den Umstrukturierungserfordernissen der Macht bereiten können, bis hin zur Verunmöglichung einzelner Realisierungen, können Leute darin Erfahrungen machen, die weit über das spezifische Problem hinaus zu einer revolutionären Infragestellung der bestehenden Gesellschaftsverhältnisse reichen, sofern es ihnen gelingt, selber an der Initiative zu bleiben und sich nicht von Politikern irgendwelcher Art instrumentalisieren zu lassen.