übernommen von Unruheherd nr.9 – anarchistische Zeitung aus Wien
Dieser Vorschlag kam von einem Geflüchteten aus Syrien, als wir über die miserablen Bedingungen in Europa und an den Grenzen diskutierten. Er meinte damit die Grenzen mit ihren Zäunen, SoldatInnen, Bullen und Stacheldrähten. Ein durchaus interessanter Zugang…
Dieser Vorschlag kommt von einer Einzelperson und ist daher selbstverständlich nicht repräsentativ für „die Flüchtlinge“ oder ähnliche konstruierte Gruppen. Ich denke aber, dass es genau darum gehen muss, dass wir Übereinstimmungen mit Leuten (woher auch immer sie sein mögen) finden, in einem gemeinsamen Kampf gegen die Grenzen, die Staaten, die Autorität. Es ist wichtig, die Verbindungslinien zwischen verschiedenen Kämpfen zu betrachten und auch zu sehen, was z.B. die Kämpfe für uneingeschränkte Bewegungsfreiheit mit mir zu tun haben. Die Verhältnisse werden icht besser – der Staat wird permanent repressiver – und die Einschränkungen z.B. in der Reisefreiheit (durch Grenzkontrollen, Grenzschließungen, Ausnahmezustände, …) sind mittlerweile in abgeschwächter Form auch für Menschen mit den „richtigen“ Papieren spürbar. Ich denke, das wird sich in Zukunft weiter verschärfen, zumal die Geschichte gezeigt hat, dass beispielsweise immer wieder AnarchistInnen als eine von den ersten Gruppen von staatlicher Repression getroffen wurden und werden. Durch das Erstarken von rechten bis faschistischen Bewegungen und Regierungen in Europa wird das vor allem in Zukunft ein wichtiges Thema werden. Es ist nichts neues, dass staatliche Gewalt und Repression „zuerst“ an sozialen Bewegungen erprobt und umgesetzt werden, um dann auf die „normale“ Bevölkerung (oder auch beliebige Randgruppen) losgelassen zu werden.
Daher ist der Kampf der Geflüchteten an den EU-Außengrenzen und im Schengenraum ebenso unser Kampf – ein gemeinsamer Kampf also. Ich will nicht „die Leute“ in ihrem Kampf unterstützen, ich will gemeinsam mit ihnen kämpfen! Glücklicherweise sehen das Viele so wie ich. Ob in der Schweiz, in Mazedonien, in Griechenland, in Österreich, in Italien – immer wieder finden selbstorganisierte, direkte Aktionen und Angriffe gegen die Grenzen und deren BeschützerInnen statt. In Idomeni an der mazedonischen Grenze attackieren Geflüchtete gemeinsam mit AnarchistInnen und Anderen die Exekutive, um die Öffnung der Grenzen selbst umzusetzen, da sie wissen, dass die Politik ihre miserable Lage nicht lösen wird – die Politik ermöglicht diese Lage erst. Auch am Grenzübergang Brenner von Italien nach Österreich kam es Anfang April zu Kämpfen mit der Polizei und Ausschreitungen. Nach einer Demonstration von ca. 1000 Leuten wurde der provisorische Grenzzaun attackiert und teilweise niedergerissen, Kameras zur Überwachung demontiert und die Bullen mit Flaschen und Steinen angegriffen. Menschen aus vielen unterschiedlichen Kontexten kamen zusammen, um einen gemeinsamen Kampf gegen das Grenzregime zu führen. Auf diesen Erfahrungen gilt es aufzubauen, um in den kommenden Tagen immer präzisere Angriffe auf die Grenzen und deren BeschützerInnen durchführen zu können. Dies ist ein Aufruf an alle kämpfenden Individuen auf diesem Planeten und jene, die noch nicht kämpfen. Reißen wir gemeinsam die Mauern ein, die uns die Herrschenden vor die Nase setzen und die uns voneinander trennen. Reißen wir die Mauern in unseren Köpfen ein, streuen wir Sand ins Getriebe der Festung Europa und wagen wir den Angriff. Wir müssen erkennen, dass nicht „die Flüchtlinge“ der Feind sind, sondern diejenigen, die unsere miserablen Lebensbedingungen zu verantworten haben: Die Bullen, die PolitikerInnen, die Chefs und Chefinnen, die Gefängniswärter und -direktoren und all Jene, die uns an einem freien, selbstbestimmten Leben hindern. Nieder mit jeder Autorität, leben wir die Anarchie!
Übrigens bietet sich bereits am 07. Mai eine gute Möglichkeit, diesen Vorschlag in die Tat umzusetzen: An diesem Samstag wird es eine Demonstration an der Grenze am Brenner geben, wir möchten hier den internationalen Aufruftext verbreiten:
Der österreichische Staat hat angekündigt, dass Anfang April die Grenze am Brenner wieder geschlossen wird. Das bedeutet: Stahlschranken, Stacheldraht auf den Wegen, Kontrollen auf der Autobahn, auf den Landstraßen, auf der Bahnlinie, auf den Fahrradwegen; Militärpatroullien und Container für die Flüchtlinge. Die Armee und der Stacheldraht werden von den Nationstaaten wieder einmal als „technische Lösung“ präsentiert, um die Menschen, die vor Kriegen, Armut und Umweltzerstörung flüchten, fernzuhalten und einzusperren. Der italienische Staat, der nur formell Beschwerde eingelegt hat, passt sich an und intensiviert die Kontrollen am Brenner. Das ist ein historischer Schritt. Zu glauben, dass Mauern und Soldaten immer nur für andere sind, ist eine tragische Illusion, denn es ist auch unsere Freiheit, die hier eingezäunt, verachtet und unterdrückt wird. Von Palästina bis Mexico, von der Türkei bis Frankreich und nun auch direkt bei uns, Schranken und Grenzen sind zu den Wahrzeichen unserer Gegenwart geworden. Das zu akzeptieren, macht uns unmenschlich und zu Komplizen. Die einzige Möglichkeit für unsere Freiheit zu kämpfen ist, die Grenze niederzureißen!
Wir haben nur zwei Möglichkeiten, entweder wir akzeptieren oder wir rebellieren!
Samstag, 7. Mai 14:30 Uhr Demonstration vor dem Bahnhof Brenner