Zürich: Ausschaffung verhindert

gefunden in der Dissonanz Nr. 23 – Anarchistische Strassenzeitung

https://de-contrainfo.espiv.net/files/2016/03/children__s_ward_i_by_illpadrino.jpg

Für den Montag, den 14. März, ordnete das Staatssekretariat für Migration (SEM) die Ausschaffung einer tschetschenischen Frau mit ihrem elf-jährigen Sohn an. Die Frau, die bereits miterleben musste, wie der Schweizer Staat kürzlich ihre drei volljährigen Töchter mit viel Gewalt nach Moskau deportierte, und nun dort, vom tschetschenischen Geheimdienst gesucht, an Leib und Leben bedroht sind, wurde bis an jenem besagten Montag in Embrach (Kanton Zürich) in einer psychiatrischen Klinik festgehalten.
Ihr Sohn wurde in Meilen (Kanton Zürich) ebenfalls in einer psychiatrischen Klinik für traumatisierte Kinder (sic!) wie ein Häftling festgehalten, um sicher zu gehen, dass er bis zu seiner Ausschaffung auch nicht entwischen könne.

Doch der Plan des SEM, das wegen rechtlichen Fristen diese beiden Menschen um jeden Preis am besagten Datum loswerden wollte, ging nicht auf. Da die verantwortliche Ärztin der Klinik die betroffene Frau schon vor Montagmorgen für „flugtauglich“ befand und sie um 9 Uhr abholen lassen wollte (die Frau drohte schon lange, sich bei einer Ausschaffung umzubringen, und ist daher schon seit langer Zeit unter ständige Aufsicht gestellt worden), standen beim Sohn die zivilen Gewalttäter des Staates schon um 8.30 Uhr auf der Matte. Kurze Zeit später bevölkerten etwa 60 solidarische Menschen mit Transparenten das Areal um diese tristen, am Hang stehenden Klinikgebäude in Meilen. Die einzige Zufahrtsstrasse wurde verbarrikadiert und beim Eingang traf die Schwester der Mutter auf ihren Neffen, der ihr gleich in die Arme fiel, wonach die beiden sich nicht mehr losliessen.

Die Bullen, sowie auch das Personal, hielten sich relativ im Hintergrund, „da es ja traumatisierte Kinder in den Gebäude hätte und man diese nicht erschrecken möchte“, war eine der vielen humanitären Begründungen der Bullen und Verantwortlichen der Klinik. Ja, eine leise, anonyme Ausschaffung wäre diesen widerlichen Therapeuten, „die nur ihren Job machen“, wohl lieber gewesen. „Dann wird es halt ein Sonderflug, ist ja auch nicht besser für ein Kind“, ist nur eines von vielen Statements der Klinik-Mitarbeiter, das deren abscheuliche, kollaborierende Ideologie aufzeigt. Während auch vor der Klinik in Embrach solidarische Menschen gegen die Ausschaffung dieser Beiden protestierte und sogar den Empfangsbereich „besetzten“, verflog die Zeit und die Mittagsflüge nach Moskau wurden dür die Deportateure immer unerreichbarer. Weiters wurde auf die verantwortliche Ärztin telefonisch solange Druck ausgeübt, bis diese sich, angesichts der sich zuspitzenden Situation bei den Kliniken, dazu entschloss, die Frau neu zu beurteilen – und siehe da; nicht flugtauglich! Die Ausschaffung wurde abgeblasen – natürlich unter medizinischem Vorwand.

Was nun folgt, ist ein nationales Verfahren, wobei alles bürokratisch nochmals aufgerollt und neu beurteilt werden muss, was in diesem Fall mehrere Monate bis Jahre dauern könnte. Ohne Widerstand hätte also der Schweizer Staat zusammen mit der verantwortlichen Ärztin (Ärzte haben immer die Möglichkeit, eine Person für fluguntauglich zu erklären) zwei Menschen ohne mit der Wimper zu zucken ausgeschafft, bei denen es ganz offensichtlich ist, dass ihnen in ihrem Herkunftsland Folter, Gefängnis und noch Schlimmeres droht.

Auch für die feigen zivilen Bullen-Deportateure, die sich die ganze Zeit über in der meilener Klinik versteckt hielten, ging der Montag vorüber. Als die Gruppe von 60 Leuten sich langsam wieder Richtung Bahnhof bewegte, wollten auch sie endlich Feierabend machen. Auf die erleichterte Ansage eines Bullen, dass sie jetzt auch gehen können, entgegnete ein Kollege: „Nein, wir können nicht gehen, unsere Reifen sind zerstochen und die Frontscheibe ist zugeprayt“.