gefunden in Fernweh – Anarchistische Strassenzeitung
Wer kennt die Wut nicht? Und wer kennt nicht die tiefe Befriedigung seiner Zerstörungswut freien Lauf zu lassen? Wer kennt nicht die Wut auf den geldgierigen Chef und den stinkreichen Vermieter? Auf die gaffenden Blicke und Anmachen der Macker und Machos? Auf die erniedrigende „verdachtsunabhängige Kontrolle“ des Bullen und seine unverhohlene Begierde „Unerlaubtes“ festzustellen und in fremden Taschen und Wohnungen zu wühlen? Auf den Zwang um alles permanent kämpfen und konkurrieren zu müssen, sich ständig vor anderen zu behaupten und zu beweisen? Die Wut auf die vier Wände der einen umgebenden Zelle und den Wärter mit dem Schlüssel, der die Tür hinter einem verriegelt? Auf den Richter, der sich anmaßt über einen zu urteilen und denkt er wüsste, was das Beste für einen ist? Auf Spielkonsolen, Computer und Fernseher, die einen nur einlullen und abstumpfen, aber vor die man sich doch immer wieder setzt? Die Wut auf den immer gleichen routinierten Alltag und all die kleinen Entwürdigungen und Pflichten, die man sich gefallen lassen muss? Wer kennt die Wut nicht?
Doch es wird uns eingebläut, dass wir uns mit der Befriedigung unserer Wut nur ins eigene Fleisch schneiden würden und nur Tadel und Bestrafung, Sanktionen und Vorschriften ernten würden… da aber nichts so blind macht wie ständige Belehrungen und Verbote, da nichts so wilde Wut schürt wie gehemmte Wut, kurz: Da sich die Wut doch immer irgendein Ventil sucht, entlädt sie sich meistens bei denen, die weniger bewaffnet und einflussreich als die Belehrenden und Verbietenden sind. Und so kommt es, dass nach unten geschlagen und gespuckt wird, zum Beispiel auf Flüchtlinge und Migranten. Als würden die Grenzzäune um Europa ohnehin nicht sekündlich wachsen und als wäre deren Überquerung nicht tödlich genug, wird wie eh und je gegen alles „Fremde“ gehetzt, legen Rassisten Brände an Flüchtlingsunterkünften und versammeln sich zur „Verteidigung des Vaterlandes“ vor diesen. Es wird auf diejenigen geschlagen, die nichts haben, da man Angst hat, man müsste mit ihnen teilen. Es werden Brände gelegt, weil die Neuankömmlinge als Gefahr für die gewohnte „Normalität“, für den eigenen Staat und den „inneren Frieden“ empfunden werden. Es wird aus Angst gehetzt, dass es nicht genauso bleibt wie es ist…
… aber sind grenzen-überquerende Flüchtende eine Gefahr für uns oder für den Staat auf seiner Suche nach totaler Kontrolle? Benötigen wir Abschiebelager, Papiere und Kategorisierungen in „politische Flüchtlinge“ mit Bleibeerlaubnis und „Wirtschaftsflüchtlinge“ ohne Bleibeerlaubnis – oder der Staat und seine Politik und Wirtschaft?
Beschützen Grenzen Menschen, oder schützen Grenzen Staaten?
Und wäre es nicht an der Zeit unsere Wut an eben diesen Staaten, ihren Grenzen, Befehlsempfängern und ihrem todbringenden Kapitalismus zu entladen, anstatt an den Flüchtlingen, die von den Kriegen, der Armut und dem Elend desselben Kapitalismus zur Flucht getrieben werden?
Einige Gesetz- und Grenzenlose mit gehörig viel Wut im Bauch