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Die griechische Regierung will ihre Grenzanlagen massiv aufrüsten. Dies geht aus einem Dokument hervor, das die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch auf ihrer Webseite veröffentlicht. Demnach erhält Griechenland rund 194 Millionen Euro zur Einführung neuer Technologien für die Überwachung und Kontrolle von Land- und Seegrenzen. Die Gelder sollen für die Umsetzung einer „Strategie zum integrierten Grenzmanagement” genutzt werden, die von der ND-Regierung im September 2014 beschlossen wurde.
Weitere 20 Millionen sollen für die Modernisierung der Polizei aufgewendet werden, darunter zur Einrichtung neuer Datenbanken, zum Anschluss an internationale Informationssysteme und zur Beschaffung von Auswertesoftware.
Zur Begründung heißt es, Griechenland habe in den vergangenen Jahren eine Reihe „finanzieller Herausforderungen“ durchmachen müssen, die sich auf „Grenzüberwachung, illegale Einwanderung, Verbrechen und Krisen“ auswirkten. Außer den Migrationsströmen hätten auch die „organisierte Kriminalität und Terrorismus” stark zugenommen. Daher seien nun „Investitionen im Bereich der Sicherheit” nötig. Hierzu gehörten die Überwachung, aber auch präventive und unterdrückende („suppressive“) Maßnahmen.
47% mehr Gelder für die „innere Sicherheit“
Die Gelder stammen aus dem „Fonds für die innere Sicherheit“ (ISF), der zur „Strategie der inneren Sicherheit“ gehört und vergangenes Jahr von der EU eingerichtet wurde. Er besteht aus den zwei Teilen „Außengrenzen und Visa“ und „polizeiliche Zusammenarbeit und Krisenmanagement“ und steht allen EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Dänemark und Großbritannien offen. Auch die polizeilichen Einrichtungen und Netzwerke der EU werden darüber gefördert. Das Gesamtvolumen des erst 2020 auslaufenden Fördertopfes beläuft sich auf 3,8 Milliarden Euro.Der neue Fonds knüpft damit an das mittlerweile ausgelaufene Programm „Solidarität und Steuerung der Migrationsströme“ (SOLID) an, für das die EU von 2007 bis 2013 insgesamt rund vier Milliarden Euro ausgab. Griechenland zählte auch hier zu den Begünstigten, das Geld floss sowohl in den Ausbau der Grenzüberwachung wie auch die Bereitstellung neuer Abschiebehaftkapazitäten. Auch nationale Systeme für die Polizeidatenbanken Schengener Informationssystem (SIS II) und das Visumsinformationssystem wurden über den alten Fonds finanziert.
Nun werden weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Grenzverwaltung und Grenzüberwachung „insbesondere durch die Verwendung moderner Technologien“ unterstützt. Förderungswürdig ist zudem der Ausbau der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung und die Aufrüstung gegenüber „Terrorismus und gewaltbereiter Radikalisierung, Drogenhandel, Cyberkriminalität, Menschenhandel.
Hohe Fördersummen für Italien, Spanien und Griechenland
Die Bereiche Asyl und Migration sind vom ISF nicht erfasst. Hierzu hat die Kommission einen „Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds“ (AMIF) eingerichtet, der mit weiteren 3,1 Milliarden Euro ausgestattet ist. Auch aus dem AMIF-Fonds wird Griechenland massiv unterstützt, allein aus den jetzigen Zusagen erhält die Regierung 259 Millionen Euro. Die von der EU-Kommission neu aufgelegten Fonds ISF und AMIF haben laut Statewatch ein insgesamt um 47% gestiegenes Finanzvolumen als das frühere SOLID.Im März hatte die Kommission 22 nationale Programme des AMIF und des ISF genehmigt, darunter auch für Ungarn oder Slowenien. Für 23 weitere gab es im August grünes Licht, noch einmal 13 sollen laut der Kommission noch im Laufe dieses Jahres angenommen werden. Die höchsten Fördersummen erhalten bislang Italien, Spanien und Griechenland. Die drei Länder gelten als besonders von „großen Migrationsströmen“ betroffen. Die sollen unverzüglich freigegeben werden.
Der „Fonds für die innere Sicherheit“ wird nur teilweise durch die Kommission geführt. Ein Teil der Mittelvergabe erfolgt Fonds über die dezentrale Verwaltung durch die Mitgliedstaaten. Hierfür müssen die anfragenden Regierungen ein „nationales Programm“ erstellen. Beim von Statewatch veröffentlichten Dokument handelt es sich um das entsprechende Programm aus Griechenland. Erst nach dessen Genehmigung können konkrete Projektvorhaben ausgeschrieben werden.
Mehr Drohnen und Radar, um Diesel für Schiffe zu sparen
Griechenland plant die Modernisierung seiner seeseitigen Überwachung. Für Missionen der EU-Grenzagentur Frontex sollen für 27 Millionen Euro zwei Küstenwachschiffe gekauft und mit Radaranlagen, optischen Sensoren und Infrarotkameras ausgerüstet werden. Auf der Wunschliste stehen auch vier Patrouillenschiffe. Für Operationen an Land will die Grenzpolizei für mehr als halbe Million Euro ein „Thermal Vision Vehicle” anschaffen, das auf einem geländegängigem Fahrzeug basiert. Auch dieses „Überwachungsfahrzeug“ soll mit einem maritimen Radar zur Erfassung kleiner beweglicher Ziele ausgestattet sein. Hinzu kommt ein System zur automatischen Erfassung von Nummernschildern und lasergestützte Entfernungsmesser.Griechenland soll vollumfänglich an das EU-Grenzüberwachungssystem EUROSUR angeschlossen werden. Hierzu soll ausdrücklich auch in Drohnen investiert werden, um damit Teile des Mittelmeers zu überwachen. Unter dem Kürzel SUNNY finanziert die EU-Kommission bereits ein entsprechendes Forschungsprojekt. Ab 2017 sollen die griechischen Küsten mit einem maritimen Überwachungssystem ausgerüstet werden. Derartige Anlagen werden von der Bremer Firma Signalis geliefert, einem Zusammenschluss der Rüstungskonzerne Rheinmetall und Airbus. Das System bestünde dann aus einer dreistelligen Zahl von Überwachungsstationen, deren Informationen in Lagezentren zusammengeführt werden. Die Daten können dann auch an das EUROSUR-Hauptquartier von Frontex in Warschau übermittelt werden. Mit einer Fertigstellung wird 2021 gerechnet.
Die Echtzeitüberwachung mit Radar und Drohnen rechtfertigt die Regierung mit dem gestiegenen Spritverbrauch seiner Küstenwache. Demnach nahmen die Migrationsströme allein von 2013 auf 2014 um 79,44% zu. Hätten die Wasserfahrzeuge der Küstenwache in 2011 noch rund 800.000 Liter Diesel verbraucht, seien in 2014 bereits vier Millionen Liter angefallen.
Auswertung von Verbindungsdaten aus beschlagnahmten Telefonen
Im Fokus steht auch die Landgrenze zur Türkei. Am Grenzfluss Evros hat Griechenland bereits einen Zaun installiert, der durch ein teilweise automatisiertes Grenzüberwachungssystem gesichert ist. Seitdem sind die Aufgriffe in der Region drastisch gesunken. Nun sollen auch der Rest des Flusses sowie die Grenze zu Bulgarien und Albanien auf diese Weise überwacht werden. Laut dem Dokument hat die Regierung 1.881 zusätzliche Beamte an der griechisch-türkischen Grenze stationiert.Zum Investitionsplan für die Grenzanlagen gehört die Beschaffung mobiler Einheiten zum Durchleuchten von Fahrzeugen, Detektoren zur Erfassung von Herzschlägen, Kameraausrüstung. Auch die 33 Grenzpolizeistationen und 106 Grenzübergänge werden modernisiert. Mit dem Geld der EU-Kommission beschafft Griechenland Fingerabdrucklesegeräte, um die biometrische EU-Datenbank EURODAC befüllen zu können. Die EU plant die Einführung eines Systems „Intelligente Grenzen”, das alle EU-AusländerInnen biometrisch erfassen soll. Obwohl noch gar nicht vom Rat oder dem Parlament beschlossen, findet sich die Umsetzung des Systems bereits auf dem Finanz-Wunschzettel der griechischen Regierung.
Die griechischen Grenzbehörden wollen auch neue Technologien zur Auswertung der Telefone von Geflüchteten. Ziel ist das Aufspüren von FluchthelferInnen, indem verglichen wird ob vor einer Flucht von mehreren Telefonen die gleichen Nummern angerufen wurden. Die betreffenden Personen könnten dann womöglich eine besondere Rolle bei der Organisation der klandestinen Reise gespielt haben. Die gewonnen Verbindungsdaten sollen mit einer „speziellen Analysesoftware” durchsucht werden. Gemeint ist vermutlich eine Anwendung wie Analyst’s Notebook zum Data Mining, wie sie auch von deutschen Polizeibehörden genutzt wird.
Kauf von Abhörtechnologien
Die zeitgleich erfolgende Aufrüstung auch des polizeilichen Überwachungsapparates wird mit dem Ansteigen des „anarchistischer und linksgerichteter Terroranschläge” ab 2013 begründet. Auch seien in Griechenland die Folgen des „internationalen Terrorismus” zu beobachten, die sich als Zunahme von „gewalttätigem Extremismus und Radikalisierung“ bemerkbar machten. Griechenland will daher wie die meisten anderen EU-Mitgliedstaaten in den einschlägigen Arbeitsgruppen bei der Polizeiagentur Europol mitarbeiten. Dies betrifft außer den Ermittlungen gegen angeblich 30.000 von Europol ausgemachten „Schleusern“ auch den Bereich der „Cyberkriminalität“, innerhalb dessen die Behörden immer öfter mit Europol und Interpol zu tun haben.Für die Verarbeitung der digitalen Informationen und richtet Griechenland ein „Cybercrimezentrum“ und eine „Intelligence Management and Analysis Division“ ein. ziel sei die Identifizierung der Treffpunkte („places of gatherings“) potentieller „radikaler und extremistischer Gruppen“. Die Orte sollen georeferneziert auf einer GIS-Plattform dargestellt werden. Die Polizei soll über dies von der Anschaffung eines Fahrzeuges für die verdeckte Überwachung profitieren, das mit „notwendiger Ausrüstung“ bestückt ist. Als Herausforderung der Technologie gilt die Verarbeitung von Massendaten („conducting extensive collection, processing, management and high-volume forensic analysis of information and other data“).
Griechenland will auch Abhörtechnologien beschaffen. So sei der Kauf von „legal wire-tapping devices“ über den EU-Fonds geplant, um damit „terroristische Organisationen“ aufzuspüren. Seit Kurzem hat die griechische Polizei die verstärkte Überwachung von Finanztransaktionen aktiviert. Angeschlossen seien laut dem Dokument Steuerbehörden und Behörden für Finanzermittlungen.
Auch das BKA bezahlt neue IT-Analysewerkzeuge aus dem EU-Fonds
Auch deutsche Polizeibehörden gehören zu den glücklichen Antragsstellern beim „Fonds für die innere Sicherheit“. So erhielt die Bundespolizei für „Grenzangelegenheiten“ 48,7 Millionen Euro, das Bundeskriminalamt (BKA) wird mit 75,4 Millionen begünstigt. Wie in Griechenland geht es um die Beschaffung neuer Technologien zur „Aufdeckung, Zerschlagung, Vorbeugung krimineller Netzwerke“.Ein Großteil der Gelder fließt in den neuen „Polizeilichen Informations- und Analyseverbund“ (PIAV), an den Informationssysteme der Bundes- und Länderpolizeibehörden sowie der Zoll angeschlossen werden. Mithilfe einer Software sollen auf diese Weise Beziehungen zwischen Personen, Objekten oder Tathergängen gefunden und visualisiert werden. In dem ISF-Dokument wird hierzu die Formulierung „Entwicklung von auswerte-/ ermittlungsunterstützenden Techniken und Modernisierung zentraler IT-Infrastruktur“ benutzt.
Weitere Vorhaben werden als „Prävention vor politisch motivierter Kriminalität“ bezeichnet, wozu die deutschen Polizeien die „Durchführung gemeinsamer nationaler und grenzüberschreitender operativer Maßnahmen und Übungen“ vorschlagen. Ziel sei eine „Erhöhung der Ermittlungskompetenz“ durch Einsatz neuer Analysewerkzeuge und der den Ausbau der „IT-Unterstützungskomponenten“.