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Etwa siebzig Unterstützer verhinderten heute in den frühen Morgenstunden die Abschiebung einer tschetschenischen Flüchtlingsfamilie aus Merseburg nach Polen / Ein Kleinkind wurde bis heute aufgrund schwerer Krankheit im Krankenhaus behandelt und ist nicht transportfähig, Ausländerbehörde hält an ihren Abschiebeplänen und damit dem Auseinanderreissen der Familie fest / Sprecher: „Symbol für die Unmenschlichkeit der Abschiebepraxis und des europäischen und deutschen Asylregimes“ / Abschiebeversuche werden weiter vor Ort blockiert werden / Drohungen aus der Naziszene
In Merseburg haben heute rund siebzig Unterstützer einer siebenköpfigen tschetschenischen Flüchtlingsfamilie seit 05.30 Uhr vor deren Wohnung in der König-Heinrich-Straße ausgeharrt um die geplante Abschiebung der Familie zu stoppen. Erfolgreich konnten sie verhindern, dass Mitarbeiter der Ausländerbehörde zur Tat schreiten.
Die Familie sollte auseinandergerissen werden, da ein erkranktes Kind bis heute im Krankenhaus behandelt wurde. Es sollte mit einem Elternteil separat abgeschoben werden, nachdem der andere Elternteil mit den vier anderen Kindern heute das Land verlassen sollte. Eine in jedem Fall psychisch enorm belastende, ja traumatische Erfahrung für die Betroffenen, die den Bearbeitern der Ausländerbehörden keinen zweiten Gedanken wert war. Die Familie war vor einem Jahr mit Nachdruck von den polnischen Behörden nach Deutschland ausgewiesen worden, einige der Kinder und der Vater haben dort zudem Gewalterfahrungen gemacht. Die aktuelle Situation, in der die Behörden die Familie über ihre Lage, ihre Rechte und ihre weitere Behandlung komplett im Dunklen lassen, während eine zu jeder Tages- und Nachtzeit mögliche Abschiebung als Damoklesschwert über allen Familienmitgliedern schreibt, ist unerträglich.
Ein Sprecher der Protestierenden erklärte dazu: „Die Kälte im Umgang mit anderen Menschen, die Leichtfertigkeit, in der hier Eltern gewaltsam von ihren Kleinkindern getrennt werden sollen, die Ignoranz angesichts schwerer Krankheit eines Neugeborenen – in Merseburg hat die Ausländerbehörde ihre strukturelle Unmenschlichkeit wieder einmal offengelegt. Dieses Abschiebevorhaben der Ausländerbehörde ist symptomatisch auf zwei Ebenen. Auf der einen Seite steht es für das oft unmenschliche, kalte und harte Agieren der deutschen Ausländerbehörden in Asylfragen. Außerdem steht es für ein von der Wurzel her faules Asylregime der EU, in dem sich Deutschland als Staat inmitten von ’sicheren Drittstaaten‘ ein privilegiertes Plätzchen gesichert hat, von dem aus es die weitere Aushöhlung und Abschaffung des Grundrechts auf Asyl betreibt, während an den Außengrenzen Europas tausende Flüchtlinge den Tod finden.“
Da die Behörden grundsätzlich weiter mit der Abschiebung von Teilen der Familie drohen, lassen auch die Unterstützer nicht nach und kündigen an, auch morgen früh schon vor der Dämmerung wieder vor dem Haus zu stehen und Abschiebeversuche zu verhindern. Die heute von so manchem Passanten und auch von Kirchenvertretern telefonisch geäußerte Unterstützung des Protests und Kritik der Behörden hat sie zusätzlich bestärkt, und auch die nachmittags vor Ort von organisierten Neonazis aus Merseburg ausgesprochenen Gewaltdrohungen zeigen ihrer Ansicht nach nur, wie wichtig die Unterstützung von Flüchtlingen in Deutschland auf allen Ebenen ist – nicht nur im Fall von unmenschlichen Abschiebungen, vielfacher Lagerunterbringung oder gesetzlicher Diskriminierung, sondern auch angesichts von alltäglichem Rassismus und einer steigenden Anzahl von Übergriffen auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte.