gefunden auf linksunten
Im Zuge der massiv erstarkenden rechtpopulistischen und rassistischen Stimmungsmache des letzten Jahres haben wir eine Wandzeitung zu Fluchtursachen gestaltet. Kein Mensch flieht freiwillig! Das sollte jede_r verstehen. Ob Bushaltestellen, vor der Kaufhalle oder einfach am Eck. Überall finden sich öffentliche Orte an denen das gesellschaftliche Leben in den Kiezen stattfindet. Unsere Wandzeitung soll genau an diesen Orten aufklären und eine Gegendarstellung zu den rassistischen Parolen verbreiten.
„Wenn ihr uns hier nicht haben wollt, wieso zerstört ihr dann unsere Länder?“
Niemand verlässt ohne guten Grund seine Heimat, seine Familie, seine Freunde und macht sich auf eine oft tausende Kilometer lange Reise über lebensbedrohliche Grenzen hinweg, über den mörderischen Ozean, hinein in eine ungewisse Zukunft. Zehntausende Menschen haben in den vergangenen zehn Jahren den Versuch, die Festung Europa zu betreten, nicht überlebt. Sie ertranken im Mittelmeer oder starben an einer der anderen, mit Mauern, Stacheldrähten und schwer bewaffneten Grenztruppen gesicherten EU-Außengrenzen.
Angekommen in Europa, erwartet die Geflohenen nur noch mehr Drangsal. Diskriminiert im Alltag, von Staat zu Staat hin und hergeschoben, entrechtet, mit Verboten und Beschränkungen belegt, warten sie oft halbe Ewigkeiten darauf, dass festgestellt wird, ob sie bleiben können, oder ob sie abgeschoben werden. Und zu allem Überfluss kommen dann noch Ausländerfeinde, die jedes gesellschaftliche Problem auf diejenigen projizieren, die hier Asyl und Schutz suchen. Flüchtlinge werden in der Propaganda dieser Rattenfänger dargestellt als kriminelle Schmarotzer, die nur in „unser“ Land kommen, um sich in die „soziale Hängematte“ zu legen. Diese Hetze führt zu Übergriffen, bis hin zu organisierten Pogromen und Mord, wie wir es Anfang der 1990er Jahre beobachten konnten.
Deutsche Waffen im Einsatz
Dabei zeigt schon ein nur oberflächlicher Blick auf die Ursachen von Flucht und Vertreibung, dass die westlichen Nationen, auch Deutschland, keinen unwesentlichen Beitrag dazu leisten, dass so viele Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen. Nehmen wir etwa den Bürgerkrieg in Syrien, eines der Hauptherkunftsländer von Flüchtlingen im Moment.
Seit Jahrzehnten liefern die Bundesrepublik Deutschland, andere EU-Länder und die USA Waffen an jene Regimes in der Region, die Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen anheizen: Die Türkei, Saudi-Arabien und Katar sind Hauptabnehmer von deutschen Waffen. Die deutsche Waffenindustrie und der deutsche Staat verdienen viele Milliarden an jenen Kriegen, die dazu führen, dass Menschen gezwungen sind, ihre Wohnungen, ihre Dörfer zu verlassen, weil sie ansonsten in den Wirren des Krieges ihr Leben verlieren würden. Deutschland steht weltweit an dritter Stelle, wenn es um den Verkauf von Waffen geht, nach den USA und Russland.
„Sie sind zu uns gekommen, haben unsere Länder zerstört, unsere Familien getötet. Wenn ihr uns hier nicht haben wollt, wieso zerstört ihr dann unsere Länder?“, sagt ein Flüchtling aus Libyen, jenem Land, das 2011/2012 vor allem von Frankreich und den Vereinigten Staaten mit Krieg überzogen wurde und sich seitdem in einem chaotischen Zustand permanenter Machtkämpfe befindet.
Die Grenze verläuft zwischen oben und unten
Krieg, Bürgerkrieg, politische Verfolgung und Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe oder sexueller Orientierung gehören genauso zu Fluchtgründen wie Naturkatastrophen, Hunger und Elend. Gerade in letzteren Fällen wird abfällig von „Wirtschaftsflüchtlingen“ gesprochen und ausgeblendet, dass wir in einer Welt leben, in der Armut und Reichtum systematisch ungleich verteilt sind. Des einen Armut ist des anderen Überfluss. Ausbeutung und Verelendung ganzer Landstriche sind kein „Zufall“, sondern haben mit einer globalen Wirtschaftsordnung zu tun, die aus der ungleichzeitigen Entwicklung von Volkswirtschaften Profit generiert.
Man will über die Arbeitssklavin in Bangladesch, die für ein Taschengeld und in ständiger Lebensgefahr das 1-Euro-T-Shirt für KiK näht, nicht nachdenken. Man will die Habenichtse, die im Trikont für den Export schuften, damit die Güter für die Konsumnomaden des Westens auch genug Profit abwerfen, nicht sehen und nicht hören. Und wenn sie so frech sind, nach Europa kommen zu wollen, lässt man sie im Meer ersaufen oder jagt sie mit Polizei und Militär, um sie wieder abschieben zu können.
Der langen Rede kurzer Sinn: Flüchtlinge sind weder „Sozialschmarotzer“, noch tragen sie Schuld an der Armut von Menschen in Wohngegenden wie Marzahn-Hellersdorf, Buch oder sonstwo. Die Grenzen verlaufen nicht zwischen Nationen, zwischen Hautfarben, Herkunftsländern. Sie verlaufen zwischen oben und unten. Deshalb: Nehmt die Flüchtlinge mit offenen Armen auf. Organisiert euch mit ihnen zusammen und kämpft gemeinsam für ein würdevolles Leben ohne Existenzängste, Armut und Perspektivlosigkeit.