So what they are trying to say is ’I welcome you in my country but you have to follow my rules, you have to obey and then you will be welcomed. However, you are not yet welcomed until I say so’.
Journal «Gegen Lager», Mai 2019.
In Basel lebt es sich gut. Die aufgeschlossene Stadt am Dreiländereck zeichnet sich durch ein buntes Kulturleben, relativ viel Sonne sowie das sommerliche Rheinvergnügen aus. Traditionsbewusst und modern zugleich, verbindet Basel altes Handwerk mit zeitgenössischer Kunst und hat auch wirtschaftlich viel zu bieten. Die Produkte der drei Multis Novartis, Roche und Syngenta finden den Weg in alle Welt. Die Stadt ist bescheiden und doch von globaler Bedeutung, ganz die Metropole im Taschenformat, wie Basel Tourismus titelt. Es ist die Stadt des Daigs, dieser charmant dezenten Oberschicht, die ihren im Laufe der Geschichte angehäuften Reichtum vorzugsweise in Kultur und Kunst steckt und soziale Verantwortung übernimmt. Deshalb ist die Stiftungsdichte in Basel auch überdurchschnittlich hoch und die Verbundenheit der Basler Gesellschaft zu ihrer culture unlimited stark.
Dieses positive Selbstbild von Basel wird laufend und von verschiedenen Seiten her (re-)produziert. Regierung, Unternehmen, Kultur- und Bildungsinstitutionen sowie Medien und Einzelpersonen feilen stetig daran. Doch die Erzählung einer offenen, toleranten und sozialen Stadt Basel ist das Konstrukt aus einer ganz bestimmten Perspektive heraus. Aus der Perspektive jener, die in der Stadt Sicherheit geniessen und (denken, dass sie) mitbestimmen.
Perspektivenwechsel
Versuchen wir einen anderen Blickwinkel einzunehmen und zoomen wir in eine globale Perspektive. Dann liegt Basel zuallererst in jenem Teil der Welt, dessen hoher Lebensstandard auf der Kolonialisierung und der Ausbeutung anderer Weltregionen basiert. Ob wir wollen oder nicht, profitieren wir Basler*innen von den globalen Ungleichheiten: Sei es durch die Steuereinnahmen aus multinationalen Konzernen mit Hauptsitz in Basel oder durch den Konsum von Gütern, die anderswo auf der Welt unter miesesten Bedingungen produziert werden.
Stellen wir den eigenen Blick scharf, dann werden die Schieflagen der globalen Verhältnisse in Basel sehr wohl sichtbar. Die Widersprüche zwischen reich und arm, zwischen privilegiert und diskriminiert verlaufen klar entlang von Herkunft und Papieren und ziehen sich durch die ganze Gesellschaft. Wir erahnen sie in den Gefängnissen, welche in der Schweiz zu 70% mit Menschen ohne schweizer Pass gefüllt sind. Wir erleben sie bei der Arbeit und in der Schule, wo Menschen aufgrund von Hautfarbe, Namen oder Sprache Ablehnung erfahren; wir nehmen sie im öffentlichen Raum wahr. Besonders deutlich zeichnen sich die gesellschaftlichen Bruchstellen an jenen Orten ab, die sich in einem Prozess der Aufwertung befinden und die auf Kosten der Unterschicht für eine gehobene Mittelschicht attraktiv gemacht werden. Das ursprüngliche Umfeld von Prekären, Papierlosen und Randständigen wird immer mehr zum Tummelplatz für Liebhaber*innen des hippen Lebensgefühls und kultureller Abenteuer. An solchen Orten prallen die sozialen Widersprüche aufeinander – auch auf der Dreirosenmatte.
Unser kleiner Quartierpark?
Die Dreirosenmatte befindet sich zwischen den beiden traditionellen Arbeiter*innenquartieren Matthäus und Klybeck, die migrantisch geprägt sind, ausserhalb des Zentrums liegen und in denen Menschen mit niedrigerem Einkommen ihr Zuhause hatten oder noch haben. Seit einigen Jahren nimmt hier eine äusserst profitorientierte Stadtentwicklung ihren Lauf. Das Projekt klybeckplus schreibt sich zwar Lebendigkeit und Vielfalt auf die Fahne, gestaltet das Quartier aber an den Bedürfnissen der Bewohner*innen vorbei. Es wird ein Lebenswandel angestrebt, den sich viele nicht leisten können. Nichts täuscht darüber hinweg, dass es sich bei klybeckplus um eine Planung ’von oben’ handelt. So hat die Miteigentümerin Novartis ihren Anteil Ende Mai 2019 an eine Investor*innen-Holding verkauft. Das offizielle Basel hat es dadurch verpasst, das Land selber zu kaufen, um so einen Spekulationsdeal zu verhindern.
Mobilität als Privileg
Wer sich auf der Dreirosenmatte aufhält, vergisst schnell den immensen Waren- und Personenstrom, der gleich nebenan vorbeidonnert. Mit der Fertigstellung der sogenannten Nordtangente im Jahr 2007 ist die Autobahn unter die Erde verschwunden. Erahnen lässt sie sich nur dort, wo sie den gläsernen Bauch der Dreirosenbrücke passiert. In der Glasfassade schimmern der Rhein und die LKWs gleichzeitig – eine perfekte Inszenierung von Ruhe, Gelassenheit und scheinbarer Transparenz.
Die weltweite Mobilität, wofür die Dreirosenbrücke ein Symbol ist, verläuft keineswegs nach neutralen Regeln. Vielmehr wirken schmutzige Abkommen und ein sehr selektives System von Grenzen. Waren sind grundsätzlich erwünscht. Selbst Waffen passieren Grenzen problemlos und finden den Weg in Kriegsgebiete. Für Menschen hingegen, die beispielsweise aus denselben Kriegsgebieten flüchten, sind die Grenzen geschlossen. Menschen werden anhand ihrer Verwertbarkeit kategorisiert und mit entsprechenden Reisepapieren ausgestattet oder eben nicht. Mauern, Zäune und Grenzwachen sollen ’die Einen’ aus der Festung Europa raushalten, während ’die Anderen’ ihre eigene Mobilität als selbstverständlich annehmen und dementsprechend zelebrieren.
Doch vielerorts auf der Welt haben Menschen diesbezüglich nicht einmal in Ansätzen eine Wahlfreiheit. Weder die Näherin, die in einer Textilfabrik in Bangladesch 60 Stunden wöchentlich jene Kleider produziert, die bei uns als Sommermode von H&M oder Zara durch die Strassen flanieren, noch die minderjährige Goldminenarbeiterin aus Burkina Faso, noch der brasilianische Feldarbeiter, der mit giftigen Pestiziden von Syngenta seine Gesundheit ruiniert, haben die Möglichkeit, sich frei zu bewegen. Menschen aus Regionen des globalen Südens wird die Chance aufzubrechen und an einem neuen Ort ankommen zu dürfen, fundamental verweigert. Sei dies an den EU-Aussengrenzen oder in der Schweiz durch Entrechtung, Isolation und Abschiebung.
Repression und Verwaltung – Asyllager in der Schweiz
Nicht nur in entfernten Weltregionen, auch in der Schweiz und in Basel sind Ungleichheiten hautnah spürbar. Besonders in der Migrationspolitik nehmen Rücksichtslosigkeit und Repression zu. Das Ausschaffungs- und Strafgefängnis Bässlergut und die im Frühjahr 2019 in Kraft getretene Asylgesetzrevision sind Ausdruck davon. Eines der neuen Bundesasylzentren wird momentan in Basel fertiggebaut. Bundesasylzentrum ist dabei bestenfalls ein Euphemismus für ein isoliertes Lager, das abgelegen, unmittelbar an der Grenze zu Deutschland und abseits des gesellschaftlichen Lebens steht. Das Bundesasyllager ist das neueste Produkt einer sich stets verschärfenden Asylpolitik und bedeutet einen weiteren tiefgreifenden Einschnitt in die Leben der Betroffenen.
Es ist ein Ort der Fremdbestimmung und Entmächtigung. Das zermürbende Innenleben der Bundesasyllager lernen nur die Menschen kennen, die in der Schweiz ein Asylgesuch stellen. Ohne Rücksicht auf traumatische Erfahrungen in ihrer Vergangenheit und auf der Flucht, werden sie hier nicht aufgenommen, sondern verwaltet und dabei massiv in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Dies mit dem Ziel, das Asylverfahren zu zentralisieren, Migrant*innen zu isolieren und einfacher in die Kategorien ’erwünscht’ und ’unerwünscht’ einteilen zu können, um sie dann schneller und effizienter wieder loszuwerden. Überhaupt beginnt die Ausgrenzung aus der Gesellschaft für viele, bevor sich die zweifelhafte Frage nach Integration überhaupt stellt.
3 Rosen gegen Grenzen
Der Weg vom Bundesasyllager Basel in Richtung Stadt führt an der Dreirosenmatte vorbei. Gerade Menschen, die auf einen Entscheid oder einen Transfer in einen anderen Kanton warten, finden hier einen sozialen Ort. Einen Ort, an dem sie Pause machen, Kontakte knüpfen und Freundschaften schliessen können. Wer sich einen Tag lang im Park aufhält und die Begegnung auf Augenhöhe sucht, wird Zeug*in dieser vielseitigen Interaktionen. Es ist zynisch und kein Zufall, dass genau die Dreirosenmatte, dieser Ort des Zwischenhalts, eine hohe Polizeidichte aufweist: Täglich finden hier rassistische Kontrollen statt und der rassistische Grundton der Gesellschaft tritt offen ans Licht. Rassismus ist aber auch subtil. Während ihm gewisse Menschen ständig ausgesetzt sind, kann ihn die Mehrheitsgesellschaft problemlos ignorieren, wenn sie möchte. Es ist deshalb wichtig, rassistische Erfahrungen und Beobachtungen nicht kleinzureden, sondern sie klar zu benennen und sich laut dagegen zu wehren.
Für zwei Tage sind wir auf der Dreirosenmatte, denn es ist an der Zeit für eine Gegenbewegung. Wir sind nicht wenige, sondern viele.
Der Park soll an diesen Tagen zu einem Ort werden, an dem sich Menschen möglichst frei von Hierarchien und Repression begegnen können. Wo wir uns kennenlernen, Erfahrungen austauschen und gemeinsam Anleitungen zum Widerstand entwerfen. Wir positionieren uns gegen Grenzen, Ausbeutung, Knäste, Verwaltung und Rassismus und kämpfen für eine solidarische Welt.
UN MONDE OU RIEN!
P.S.
Dieser Text ist Teil der mehrsprachigen Zeitung, die während der Besetzung verteilt wurde. Den gesamten Inhalt findet ihr unter www.3-rosen-gegen-grenzen.ch/wp-content/uploads/2019/06/3_Rosen_gegen_Grenzen_Zeitung_red.pdf
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